(73) Veröffentlichung: 10.August 2020

Italien/D/Frankreich, 1973 – 95 min. - FSK 16
Originaltitel Italien: La morte negli occhi del gatto
Originaltitel Frankreich: Les diablesses
Englischsprachiger Titel: Seven Deaths in the Cat's Eye
 

Drehzeit: Februar/März 1972 (komplett in Rom)
Kinopremieren: Italien- 12.April 1973; D- 7.Dezember 1973; Frankreich: 23.Januar 1974



Nach vielen Jahren in einem Internat kehrt die zerbrechlich wirkende Corringa MacGrieff (Jane Birkin, nübsch anzusehen, doch zu zart und affektiert agierend für die Rolle und trotz einiger guter Szenen allgemein schauspielerisch überfordert) auf das Schloss ihrer Ahnen in Schottland, „Dragonstone“, zurück. Dort kommt es zu einem (nicht nur) Familien-Treffen der besonderen Art, denn nicht nur, daß fast jede/r der Anwesenden mindestens ein Geheimnis mit sich herumträgt, und kaum jemand einem/einer anderen wirklich wohlgesonnen ist- es geht auch noch ein brutaler Killer um, der es irgendwie auf jeden und jede abgesehen zu haben scheint.
Corringas Mutter Alice
(Früh dahingemeuchelt, daher konturenlos: Dana Ghia) streitet mit ihrer Schwester Mary (Françoise Christophe, übertrieben überkandidelt und verdächtig wirkend), natürlich ums liebe Geld; Marys Sohn James (ein überzeugender Hiram Keller), angeblich wahnsinnig und in Kinderjahren der Mörder seiner Schwester (wovon schnell klar wird, daß das gar nicht stimmt, und er auch sonst nicht andere dahintötet), gehen alle ausser Corringa (was auf Ggegenseitigkeit beruht, siehe kleines Foto oben) nur auf die Nerven und er spielt lieber mit seinem Affenfreund, den er nach sich selbst benannt hat; Marys Lover, der zwielichtige (beim Totenscheinausstellen nicht immer ganz korrekte) Arzt Dr.Franz (was irgendwie sein Vorname zu sein scheint, und den Anton Diffring feingeistig zwischen charmant und machohaft gibt) hat auch noch was mit Suzanne (Doris Kunstmann, herausragend verrucht und luderhaft sexy); und ein anwesender Pfarrer (Zu wenig zu sehen: die vielseitige Genreikone Venantino Venantini) kann nur erstaunt und erschüttert dem allen beiwohnen.
Denn passieren wird viel und unangenehmes- einzige „Zeugin“ aller
(Hey, tatsächlich sieben) Morde wird die Katze des Hauses, offenbar nicht bei allen beliebt (so soll sie auch mal lebendig in die Familiengruft gesperrt werden), und wie Katzen so sind- mal anschmiegsam, mal zickig.
Ist eine lustige Idee für den Film und „Kitty“ gar so eine Art heimlicher Star, hätte es aber nicht wirklich gebraucht (nun gut, für den passenden und wirklich guten Titel halt schon)....




Bereits von den frühen Jahren des Genres an, war der italienische Giallo (siehe auchBlutige Seide“) oft schon mehr als „nur“ ein (ohnehin heftiger) Krimi, oft gab es Überschneidungen mit dem Grusel- und Horrorgenre, später dann auch mit teils drastischen Splattermotiven inklusive der Zeigefreudigkeit der Gewaltszenen. Die Einbindung des Vampirismus in „Sieben Tote...“ (wo mehrmals, auch in zumindest Traumsequenzen, darauf angespielt wird, daß die Familie MacGrieff verflucht sei und die Toten der Familie als Blutsauger wiederkehren würden) geht hier jedoch eher schief, da sie handlungstechnisch einfach nicht hineinpasst und keinen Sinn macht (man kann positiv auch sagen: Zu viel des Guten ist). Der Zuschauer weiss schon (zu) früh, daß es sich dabei dann doch nur um einen Mythos handelt, und daß auch der Mörder in diesem Film rein weltlichen Ursprungs ist. Auch, daß wir kurz in die Irre geführt werden, und an ein Monster glauben sollen- das sich dann als Haustier „(schlecht getrickster) grosser Affe“ entpuppt- fällt nur unter die Kategorie „netter Versuch, aber direkt abgehakt“.
Einen hohen Gruselfaktor allerdings hat der Film dennoch, und tatsächlich fühlt man sich hier und da sogar an die Poe-Verfilmungen von Roger Corman aus den Sechziger Jahren erinnert- beginnend bereits mit der das kommende Unheil ankündigenden Anreise einer der Hauptprotagonisten (Corringa) in ein düsteres Schloss (das auch schon mal bessere Tage gesehen hat) oder eben die Art der Inszenierung der Traumsequenzen. Auch in Punkto Ausstattung (Stichworte: Requisiten und Geheimgänge) und gerne gothischer Atmosphäre wartet dieses
Gialloschmankerl mit manch Gruselgenretypischen Geräuschen und (nie zu dunklen) Dunkelszenen auf.

Der Film zeigt sich schon während des Vorspanns vielversprechend- in den geheimen Katakomben des Schlosses hört man verzweifelte Todesschreie, und sieht schliesslich eine Leiche, die bereits von den Ratten angenagt wird (und deren „Herkunft“ erst ganz am Ende aufgeklärt werden wird,
siehe Spoiler). Und auch danach, und bis zum Finale, kann der Film sein Tempo halten, sogar auch immer mal wieder für einige Handlungssequenzen steigern. Beim ersten Zusammentreffen der Protagonisten, ohne viel Tamtam drumherum, erfahren wir kompakt das wichtigste aus der Geschichte der Familie und gewinnen schonmal die entscheidendsten Einblicke in das Leben der interessant und abwechslungsreich erdachten Charaktere. Der Film eröffnet nun seinen kurzweiligen, angenehm selten verwirrenden, Reigen von Beobachtungen und Andeutungen in Wort und Bild, die niemanden unverdächtig erscheinen lassen für das, was schnell folgt- das mehrfache (übrigens stets unselbstzweckhaft gezeigte) Sterben im Kreis der „lieben“ Verwandtschaft und anderer Anwesender. Regisseur Margheriti (ab den Neunzehnhundertsechziger Jahren ein vielseitiger Wandler zwischen allen Spielarten des Actionkinos und dessen Überschneidungen) belässt es Effektetechnisch zumeist bei Blut, das an Wände spritzt und zurückhaltenden Schlitzerszenen, womit der Film auch nie in die Gefahr einer Indizierung geriet. Selbst (harmlose) erotische Einlagen (vor allem von Doris Kunstmann) stören hier die Geschichte nicht.
Die auf-den-Punkt- und nicht selten zynischen Dialoge (ein Lob an die deutsche Synchronisation sei angebracht), die, wenn man ganz genau aufpasst, jedoch leider auch mal widersprüchliches offenbaren (vielleicht sogar sollen, damit dann aber übers Ziel hinausschiessen), tun ihr übriges, damit man gebannt dranbleibt und sich weiter von der Spannungskurve fesseln lässt.


Zusätzliche Würze verleihen die originell agierenden und ihre treffenden Auftritte nutzenden Sidekicks dem Film: Konrad Georg als freundlicher, aber mysteriöser Butler; Serge Gainsbourg als etwas trotteliger und Möchtegern-Cooler Polizeiinspektor; und ein wunderbarer Luciano Pigozzi als Katzenretter und treues „Mädchen“ für alles im Schloss.

Die Kameraführung ist tadellos, viele Aufnahmen aus aufregenden Winkeln gemacht und vorzüglich beleuchtet. Grossaufnahmen an den richtigen Stellen verfehlen dank der Schauspielermimiken (die Leute können's) oder dem richtigen und konzentriertem Blick aufs Wesentliche ihre Wirkung nicht, was auch dem routinierten Schnitt zuzuschreiben ist. Letztlich gelingt es sogar, die immer wieder auftauchende Katze nicht zum nervigen Running Gag werden zu lassen, sondern als eine Art
Abschlussbild zum jeweiligen Mord zu inszenieren. Es wird auffällig darauf verzichtet, das Tier allzu oft vor den Morden zu zeigen, womit der Überraschungsmoment nicht vorweggenommen wird (genau sowas hat man ja schon oft genug gesehen, gerne auch in manchem Wallace, mit
dessen" Filmreihe die Sieben Toten..." ohnehin- trotz zeitgleicher deutsch/italienischer Ära derselben- nur wenig gemein haben. Selbst der deutsche Verleih verzichtete darauf, eine werbewirksame Verbindung herzustellen). Die Musik von Riz Ortolani mag dessen Liebe zum Jazz erkennen lassen und an bestimmten Stellen „sperrig“ wirken, insgesamt jedoch gewinnt sie damit eine Eigenständigkeit, die man nicht unpassend nennen kann, schon gar nicht, wenn sie so richtig Horrormässig aufdreht.

Fazit:
Genau so soll und muss ein Giallo sein, trotz seiner kleinen Fehler (und eines überflüssigen Affen) ist er undurchsichtig, geheimnisvoll, spannend und mit einem Haufen verdächtiger Gestalten versehen. Und er hat eine alles in allem feine und logische Auflösung (noch dazu knapp und knackig) als Extrazugabe- den schaut man sich gerne mehrfach an.


Darsteller:
Jane Birkin* als Corringa – Deutsch: Dagmar Heller
 
Hiram Keller als James MacGrieff – Deutsch: Elmar Wepper
Françoise Christophe als Mary MacGrieff, seine Mutter – Deutsch: Marianne Wischmann
Dana Ghia als Alicia, Corringa's Mutter – Deutsch: ?
Venantino Venantini als Pfarrer Robertson – Deutsch: Manfred Schott
Anton Diffring als Dr.Franz – Deutsch: Holger Hagen
Doris Kunstmann als Suzanne– Deutsch: Sie selbst
Konrad Georg (
hier: George Korrade) als Butler Campbell – Deutsch: Er selbst
Serge Gainsbourg
* als Polizeiinspektor – Deutsch: Klaus Schwarzkopf
Luciano Pigozzi als Angus, Hausdiener der MacGrieff's – Deutsch: Leo Bardischewski
Bianca Doria als Janet, Campbell's Frau – Deutsch: ?
Franco Ressel als Robertson's Kollege – Deutsch: ?
Allessandro Perrella als Polizeibeamter
Bruno Boschetti als Polizeibeamter mit Bart
u.A.

* Birkin und Gainsbourg waren von 1969 bis 1980 ein Paar (Gainsbourg soll die Rolle in „Sieben Tote...“ erst spontan bei einem Besuch am Set angeboten und dann von den Autoren ins Drehbuch geschrieben worden sein) und sind auch bekannt durch ihr gesungen-gestöhntes Songduett „Je t'aime“.

Filmplakat (Links) und Cover der deutschen VHS-Veröffentlichung


Stab:
Regie: Anthony M.Dawson (=Antonio Margheriti)
Drehbuch: Antonio Margheriti, Giovanni Simonelli
Zusätzliche (englische) Dialoge: Ted Rusoff
Basierend auf einem Roman von Peter Bryan**
Kamera: Carlo Carlini
Musik: Riz Ortolani
Schnitt: Giorgio Serralonga
Schnittassistenz: Allesandro Cerantonio
Ton: Pietro Spadoni
Produktionsdesign: Ottavio Scotti
Szenenbild: Roberto Granieri
Make Up: Marisa Tilli
Kostüme: Mario Giorsi
Regieassistenz: Patrick Wachsberger

Produktionsleitung: Tommy Sagone
Produktion: Luigi Nannerini


** Die Erwähnung dieser (angeblichen) Romanvorlage im Vorspann irritiert bis heute, da es diese offensichtlich gar nicht gibt. „Der“ Peter Bryan, der unter anderem die Drehbücher für Hammer's „Der Hund von Baskerville“ und „Dracula und seine Bräute“ (mit-)schrieb, ist es definitiv nicht; ein anderer Autor unter diesem Namen ist nie in Erscheinung getreten, auch nicht als Pseudonym bei einem italienischen „Giallo“-Roman. Auch ist unklar, wer und warum dies in den Vorspann einfügte- laut dem italienischen Filmhistoriker Roberto Curti verweist das Originaldrehbuch von Margheriti und Simonelli auf keine Vorlage.




Spoiler:
Der Mörder ist Pfarrer Robertson, in Wahrheit jedoch ein (nicht namentlich genannter und offensichtlich allen bis dato unbekannter) Verwandter der MacGrieffs aus Kanada, der letzter Familienangehöriger und damit Erbe werden wollte (siehe auch Bodycount 1). Im vermeintlich "Geisteskranken" James glaubte er, den geeigneten gefunden zu haben, dem er die Morde in die Schuhe schieben konnte und von dem die Polizei ausgehen würde, daß dieser der Mörder ist.
Als der falsche Pfarrer auch Corringa töten will, taucht in letzter Sekunde die Polizei auf
(wobei nicht wirklich befriedigend klar wird, wie James als letztlicher Hinweisgeber auf die richtig Spur kam und warum der Inspektor ihm überhaupt glaubt- Zitat Inspektor: „Ich glaube ihm ja, aber warum rennt er immer weg?“) und der (ebenfalls namenlose) Inspektor erschiesst den Killer. 

Ende.

Bodycount:
(Alle Morde begangen vom falschen Pfarrer Robertson, siehe Spoiler)
- Mann mit durchschnittener Kehle, von dem sich erst am Ende herausstellt, daß er der echte Pfarrer Robertson ist (siehe Spoiler) und daher aus dem Weg geräumt werden musste
- Alicia MacGrieff wird mit einem Kissen erstickt (Sie erscheint ihrer Tochter Corringa später als Vampirin im Traum, Foto hierunter rechts)
- Angus wird mit einem Rasiermesser die Kehle durchgeschnitten
- Dr.Franz wird mit einem Rasiermesser die Kehle durchgeschnitten (Foto hierunter links)
- Butler Campbell wird sterbend aufgefunden (Mordmethode bleibt unerwähnt)
- Suzanne wird mit einem Rasiermesser die Kehle durchgeschnitten
- Mary MacGrieff (der Mord an ihr wird erwähnt, jedoch nicht gezeigt)



Grösster Logikfehler:
Warum bringt der falsche Robertson zum einen auch Nicht-Familienmitglieder (Angus, Dr.Franz, Suzanne) und dann „auch noch“ James' Haustier, den Affen, um? (Wird im Film zumindest nicht erklärt)