(100) Veröffentlichung: 5.Juni 2021

Drehzeit: An insgesamt 26 Tagen im Zeitraum vom 21.Oktober 1979 bis 18.Januar 1980 in New York City/USA
Produktionskosten: Etwa 330.000 US-Dollar
Einspielergebnis der Kino-EA: Weltweit etwa 10 Millionen US-Dollar, davon in den USA etwa 6 Millionen
(Summen sind alle nicht Inflationsbereinigt)

Weltpremiere: 10.Mai 1980 auf dem Filmfestival in Cannes/Frankreich
Kinopremieren: D- 14.November 1980; USA- (erst am) 30 Januar 1981

Darsteller:
Joe Spinell als Frank Zito – Deutsch: Herbert Weicker
Caroline Munro als Anna D'Antoni – Deutsch: Rose-Marie Kirstein
Gail Lawrence (=Abigail Clayton) als Rita, Fotomodell – Deutsch: Eva Kinsky
Kelly Piper als Krankenschwester Eins (Frank's Opfer) – Deutsch: Dagmar Heller
Rita Montone als Prostituierte Eins (Frank's Opfer),
Tom Savini
(der Make Up-Künstler des Films) als Mann im Auto, Hyla Marrow als Frau im Auto,
James L.Brewster als Mann am Strand, Linda Lee Walter als Frau am Strand,
Tracie Evans als Prostituierte Zwei, Sharon Mitchell als Krankenschwester Zwei,
William Lustig
(der Regisseur des Films) als Hotelmanager Al – Deutsch: Norbert Gastell
u.A.
Weitere deutsche Sprecher: N.A.

Frank Zito ist ein in New York City lebender, schizophrener Serienmörder. Zito tötet zwar auch Paare (was ihm offensichtlich ebenfalls Spass bereitet), doch vor allem junge Frauen werden seine Opfer. Er skalpiert und entkleidet sie, und stattet mit seinen „Tatsouvenirs“ dann Schaufensterpuppen aus, die er in seiner Wohnung drapiert hat. Die Puppen dienen ihm als „Gesprächspartner“, so wie seine längst verstorbene Mutter, mit der er Zwiegespräche führt (Eine offensichtliche Reminiszenz an Norman Bates aus Hitchcock's „Psycho“) und der er eine Art Altar errichtet hat.
Als er eines Tages die hübsche Fotografin Anna kennenlernt, scheint er sich zu verändern und sich in sie zu verlieben- vorgebend, ein Maler zu sein
(was Darsteller Spinell, der es gar zu Ausstellungen im „Museum Of Modern Art“ in New York brachte, im wahren Leben ebenfalls war), umgarnt er sie als zuvorkommender Gentleman und Anna geht, noch etwas zurückhaltend, auf seine Avancen ein.
Doch von seinen Morden kann Frank nicht lassen- bei einem Fotoshooting Anna's stiehlt er Schmuck des Modells Rita. Unter dem Vorwand, ihr den Schmuck, den er gefunden haben will, wiederzubringen, verschafft er sich Einlass in ihre Wohnung. Er fesselt sie, unterhält sich mit ihr, als sei sie seine Mutter- und bringt sie schliesslich um.
Anna gegenüber lässt er sich (zunächst) nichts anmerken...

Das wichtigste mal direkt als erstes und vorneweg, ohne wenn und aber, und damit hier erst gar keine Zweifel aufkommen (und ich höre schon das Geschreie der Moralisten)- dieser Film ist schlicht und gelinde formuliert eines: ein schockierendes und spannendes cineastisches Meisterwerk, über das Genre Horror hinaus. Ein Film, der bis heute zeitlos und im grossen und ganzen einzigartig geblieben ist. Sichtlich inspiriert durch die italienischen Wegbereiter des Genres (vor allem die Mordszenen sind stark angelehnt an solche, wie ein Mario Bava und ein Dario Argento sie zu inszenieren pflegten- laut Regisseur Lustig war Argento anfangs gar als potentieller Co-Produzent mit an Bord, musste jedoch absagen, so wie auch Bava's damalige Frau Daria Nicolodi letztlich nicht die weibliche Hauptrolle spielen konnte), setzt er den Europäern quasi ein Denkmal und bringt ihr Schaffen zudem auf eine neue, der Zeit angepasste und bemerkenswert individuell-amerikanische (auffällig farblos-dunklere) Ebene. „Maniac“ verbindet Splatter mit Filmkunst, wie es selten gelang, inklusive Arthouse-Elementen, die hier nicht fehl am Platz wirken.

Ohne Vorwarnung und kompromisslos beginnt der Film als ein reiner, geradezu perfekter Splatterfilm, und lässt uns umgehend „teilhaben“ an dem bizarren, einsamen Leben des Frank Zito und dem Grausamen, das er tut. Regisseur Lustig war sich der Wirkung der Gewaltszenen fraglos bewusst, und doch wirken sie nicht als reines Mittel zum Zweck- sechs seiner (explizit) gezeigten sieben Morde präsentiert der Film bereits in seiner ersten Hälfte, in teils fast unerträglich langen und intensiven Szenen. Vor allem das „Vorspiel“ zum Mord an der Krankenschwester in den Katakomben einer U-Bahn-Station scheint kein Ende nehmen zu wollen, und denken wir gerade, sie ist ihm entkommen, kommt der sprichwörtliche Schlag in die Magengrube des Zuschauers.

Die düstere, oft mehr als nur traurige Atmosphäre; die schonungslose Studie sowohl der (unglamourösen) Hauptfigur á la Durchschnittstyp (der genau deshalb und vor allem im Verlauf des Films uns „erschreckenderweise“ Sympathien abverlangt), seiner seelischen Abgründe und „unmenschlichen“ Handlungen, und seiner Umgebung (trostloser, dreckiger und verkommener wurde New York wohl nie gezeigt, und selten einsamer- so einsam wie Zito eben auch ist); als auch die harten, zeigefreudigen Effekte des zu den Besten seines Fachs zählenden Tom Savini (der hier, wie in so gut wie allen seiner Filme, auch als Darsteller in Erscheinung tritt)- alles das ist nervenzerreissend und fesselnd. Wegschauen ist unmöglich. Savini sagte dereinst, er sei wohl „bei diesem Film effektetechnisch
den einen Schritt zu weit gegangen“- doch das mag nur als provokante Werbung gedacht gewesen sein.
Natürlich war und ist so ein Film (aus den Gründen wie zum Beispiel auch „
Der New York Ripper“, und es können dortige Worte dazu hier übernommen werden) gelinde geschrieben „umstritten“, verdammt und verteufelt und von seinen Gegnern reduziert auf das Zeigen des „Bösen“, stilisiert zum „Bösen“ daselbst. Aber das sind ohnehin alles nur Komplimente, schaut man sich die an, die meinen, bestimmen zu müssen (dürfen) was in der Kultur „darf“ und „was nicht darf", die „Jugendschutz“ schreien und dabei Zensur der Kunst meinen.

Aber es wäre nicht genug, nur diese Facetten des Films herauszustellen. denn da ist auch diese andere Seite des Films und des so gnadenlsoen Mörders, der zumindest eine Zeit lang sensibel geworden zu sein scheint, der Anna ganz bewusst „verschont“, während er doch andererseits nicht auf sein Tun verzichten kann. Eine aussergewöhnliche Konstellation sozusagen als Zwischentwist, so überraschend wie überzeugend als Teil und als ein Höhepunkt der Handlung.


Gegen „Maniac“ Frank (gespielt vom oft unterschätzten und oft in zu kleinen Rollen und unter seinem Können eingesetzten Joe Spinell, unter Anderem auch zu sehen in Klassikern wie „Taxi Driver“, „Der Pate, Teil 1 und 2“ und „Rocky, Teil 1 und 2“, erscheint der Frauenmörder aus dem „Lämmerschweigen“ wie (s)ein (noch dazu unbeholfen abgekupferter) Lehrling. Der Charakterdarsteller Spinell hatte die Figur des Frank Zito selbst entwickelt, und starb 1989 mit gerade einmal 52 Jahren- er ist schlicht grandios als Selbstmonologe haltender und mordender Irrer, wie auch als verliebter, fast schüchterner Mann.
Die Engländerin Caroline Munro (durch ihren damaligen Mann, Mitgeldgeber Judd Hamilton, an die Rolle gelangt) zeigt sich in ihrem ersten rein amerikanischen Film spielstark in ihrer wohl präsentesten Rolle, nicht, wie viel zu oft, um nicht zu schreiben: meistens, auf das bildfüllende Hübschchen beschränkt.
Spinell und Munro (Spät-„Hammer“-Ära, „
Der sechste Kontinent“) spielten nur ein Jahr zuvor gemeinsam in dem wunderbaren. italienisch-amerikanischen SF-Trash „Star Crash-Sterne im Duell“, wo er als „Bösewicht“ ihr als „Heldin“ von Anfang an nach dem Leben trachtet. InManiac" ist selbst eine so unmöglich erscheinende Liebe wie die zwischen diesen beiden so absolut grundverschiedenen Menschen glaubhaft und nachvollziehbar als tatsächlich möglich dargestellt, dank der Geschichte an sich, aber auch und vor allem wegen der Schauspielerleistungen.
Schon wegen ihrer durchweg minimalen bis kleinen Rollen bleiben dabei die anderen Darsteller (ausgenommen Gail Lawrence, unter anderem Namen damals ein Pornostar, und Kelly Piper aufgrund ihrer recht langen Opferrolle) fast unbeachtet.

Fazit:
Ein beeindruckendes und
anspruchsvolles Splatter-Kunstwerk, ein Genremeilenstein- aber wegen seiner heftigen Goreeffekte nichts, aber auch gar nichts, für schwache Nerven und Minderjährige.

Stab:
Regie: William Lustig
Drehbuch: Joe Spinell, C.A.Rosenberg
Story: Joe Spinell
Kamera: Robert Lindsay (Assistenz: James Cannatta, Luke Walter)
Musik: Jay Chattaway
Schnitt: Lorenzo Marinelli,
hier als: Marinello (Assistenz: James Proser)
Maske: Candace Clements
Spezial Make Up und -Effekte: Tom Savini (Assistenz: Rob Bottin)
Regieassistenz: Stephen Andrew 
Zweite Regieassistenz: Nelia Bacmeister, William Adams III
Associate Producer: John Packard
Executive Producers: Joe Spinell, Judd Hamilton
Produktion: William Lustig, Andrew W.Garroni

Spoiler:
Frank nimmt gemeinsam mit Anna an Rita's Beerdigung teil. Danach gehen beide gemeinsam zum Grab von Frank's Mutter. Dort greift Frank (etwas unvermittelt und den Zuschauer irritierend, da es nicht so richtig zum bisherigen Handlungsverlauf passen will) Anna an. Sie verletzt ihn mit einer Schaufel schwer und kann vor ihm flüchten.
Eine akkustische Rückblende klärt uns darüber auf, daß Frank's Mutter ihren Sohn oft „bestrafte“ und einsperrte. In einem Tagtraum wird Frank von der Leiche seiner Mutter gewürgt. Dann schleppt er sich nach Hause.

In seiner Wohnung werden die Puppen als Frank's Opfer lebendig und fallen über ihn her, er wird brutal abgeschlachtet und ihm wird der Kopf abgerissen (Bei dem kopflosen Torso handelt es sich um die beim ersten „Freitag der 13.“-Film im Finale für die Figur von Jason's Mutter genutzten Puppe, die sich im Besitz von Tom Savini, der auch dort für die Effekte verantwortlich zeichnete, befand).
Am nächsten Morgen betreten zwei Polizisten Frank's Wohnung (Kein Logikfehler, die wird wohl Anna informiert haben, und dann musste die Polizei erst einmal seine Adresse ausfindig machen). Der scheinbar tote, „normal“ verblutete Frank liegt, ansonsten „unversehrt“ ,auf dem Bett (womit klar ist, daß es sich bei seiner Tötung nur um einen Traum Frank's handelte). Die Polizisten verlassen die Wohnung wieder, da schlägt Frank die Augen auf.
Abruptes Ende.

Geplante Fortsetzung:
Eine Fortsetzung war lange und offiziell geplant, besonders Joe Spinell arbeitete engagiert an dem Projekt. 1986 schliesslich entstand unter der Regie des heute in Deutschland für das Fernsehen (unter anderem hat er auch mehrere„Tatort“-Episoden inszeniert) arbeitenden Buddy Giovinazzo der zu einem etwa zehnminütigen, als „Promo“ gedachten Kurzfilm geschnittene „Maniac 2-Mr.Robbie“. Zwar gelang es den beiden, Financiers für den zweiten Teil zu finden, doch kam durch den frühen Tod Spinell's (1936-1989) die Fortsetzung dann doch nie zu Stande.

Bodycount
(Alle Morde von Frank begangen):
- Frau am Strand bekommt die Kehle durchgeschnitten.
- Mann am Strand wird mit Stahlseil erwürgt:
- Prostituierte wird erwürgt und skalpiert.
- Mann im Auto wird durch Frontscheibe erschossen
(Hierfür wurde eine Puppe benutzt, die 1978 mehrfach im Film „Zombie“ von George A.Romero zum Einsatz gekommen war. Auch diese stammte aus dem Besitz von Tom Savini, der auch bei diesem Film mitgewirkt hatte).
- Frau im Auto wird erschossen.
- Krankenschwester wird in U-Bahn-Toilette erstochen und skalpiert.
- Rita wird in ihrer Wohnung erstochen und skalpiert.

* Der FSK zum Kinostart nicht zur Bewertung vorgelegt.
Nach kurzer Laufzeit in den deutschen Kinos wurde der Film indiziert und bundesweit beschlagnahmt. Die Indizierung des (ungekürzten) Films war lange gültig, zuletzt erneuert durch das Amtsgericht Karlruhe im April 2005. Erst 2019 wurde durch mehrere Urteile verschiedener Amtsgerichte die Indizierung aufgehoben, jedoch ist eine Neuvorlage des Films zur heutigen Bewertung durch die FSK (die bei einigen anderen Filmen in den letzten Jahren zu einer Freigabe geführt hat) wohl nicht vorgesehen. Der Film wird
somit heute in D als „FSK 18/Keine Jugendfreigabe“ behandelt.

Die Neuverfilmung
aus dem Jahr 2012 ist ein erneuter Beweis, daß Horrorfilmremakes oft überflüssig sind, und man kann ihn sich (auch trotz eines zwar bemühten, aber sichtlich falsch besetzten und überforderten Elijah Wood, Foto Links, als Frank), er-sparen. Auch der Kunstgriff, den Film unter Verwendung des Originaldrehbuchs komplett aus seiner Sicht zu erzählen, hilft nichts- der Film ist zu emotionslos und Neuzeit-stylish aufgemotzt. Nach einigem Hin und Her mit den Behörden und vor Gericht, ist hier die ungeschnittene Fassung (seit 2015) in Deutschland bis heute indiziert.

Trivia:
Das 1983 entstandene, bekannte Lied „Maniac“ von Michael Sembello war von diesem Film inspiriert, was an dem ursprünglichen Text auch erkennbar war. Mit neuem (umgeschriebenen und damit entschärftem) Text landete es später im Film „Flashdance“. Da das Lied nicht extra für "Flashdance" geschrieben worden war, wurde die erhaltene „Oscar"-Nominierung dann nachträglich von der US-amerikanischen Filmakademie gestrichen.