(76) Veröffentlichung: 3.November 2020

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DAS HAUS AN DER FRIEDHOFSMAUER*
Italien, 1981 – 86 min. – FSK 18 (seit Mai 2015,
vorher indiziert)
Originaltitel:
Quella villa accanto al cimitero (Das Haus neben dem Friedhof)
Vorsicht- im aktuellen Vertrieb ist auch noch eine um fünf Minuten gekürzte deutsche Version, ebenfalls FSK 18

Drehzeit: 16.März-Mai 1981 in den USA und Rom (Studio)
Kinopremieren: Italien- 14.August 1981; D- 26.November 1982

* Korrekter Titel; Original-Kinotitel grammatikalisch falsch als „...an der Friedhofmauer“

Englischsprachiger Titel: The House By The Cemetery; in den USA auch als: Zombie Hell House
Die deutsche Kinowiederaufführung 2015 wurde auch unter dem italienischen Originaltitel beworben

Der Wissenschaftler Dr.Boyle zieht mit seiner Frau Lucy (Foto oben) und dem gemeinsamen kleinen Sohn Bob (Foto unter diesem Absatz) nahe Boston in das Haus (ohne Mauer übrigens, sondern direkt neben dem Friedhof, wie es auch der Originaltitel aussagt), in dem sein Kollege Peterson kurz vorher seine Freundin und dann sich selbst umbrachte. Sowohl soll er Petersons Arbeit fortführen, als auch herausfinden, was den einst so lebensfrohen Mann zu der Tat trieb- wobei schnell letzteres im Vordergrund steht. Offenbar verfiel Peterson dem Wahnsinn, weil er hinter das Gehemnis des Dr.Freudstein, eines angeblich vor Jahrzehnten verstorbenen Vorbesitzers des Hauses kam.
Und schon hören die neuen Bewohner seltsame Geräusche, ein lautes Wehklagen, und es geschieht manch Unheimliches im Hause. Menschen aus dem Umfeld der Boyles werden dort getötet, doch ihre Leichen verschwinden spurlos. Ursprung all dessen scheint der Keller zu sein, und es stellt sich die Frage, ob die Boyles dem allem lebend entkommen können...

Wenn es direkt in der ersten Filmminute, noch vor dem Vorspann, splattertechnisch zur Sache geht, und mit Uptempo die beiden ersten Opfer (darunter Daniela Doria, die, wie wenig später in des Regisseurs Meistergiallosplattermix „Der New York Ripper“ auch, hier, nur viel zu früh, am „schönsten“ schreit und stirbt) die Leinwand bevölkern und mit ihrem Blut rot färben, dann ist drin im Film, was draufsteht- Lucio Fulci. Doch auch, wenn das direkt fesselt und die Tricks (nicht nur die blutigen, sondern auch wieder mal einer der von Fulci immer gern genommenen, ekligen „Maden“-Auftritte) überzeugen (was sie bis auf richtig blöde „Augen im Dunkeln“ im Film- kleines Foto weiter unten- auch weiter werden)- so ganz schlau draus wird man auch im Rest des Films nicht. Denn, was man zu Beginn sieht, kann nicht die Peterson'sche Wahnsinns-Vorgeschichte sein, denn der Ablauf passt nicht. Egal, hauptsache ein guter Start und mit Schmackes, wenn es diesmal auch tatsächlich falsche Erwartungen aufs Ganze weckt.
Im weiteren Verlauf ist es dann nicht gar so schlimm, daß sich zumindest erstmal (eine gute Dreiviertelstunde lang) alles eher langsam entwickelt, und sich der Horror mehr aus den Visionen des kleinen Bob, der Geräuschkulisse und den unwissenden bis vielsagenden Blicken der Protagonisten ergibt. Denn auch
das kann Fulci eindringlich und in seiner fast typischen Handschrift inszenieren, und die Spannung aufrecht erhalten, obwohl so oder so viel vom Plot früh durchschimmert (und das auch für „ungeübte“ Genregucker).

Der Regisseur macht es dem Zuschauer einfach, sich auf den Film einzulassen, so intensiv wie aber auch einfach kommt die Geschichte daher, der Horror subtil, oft auch vorhersehbar. Zumal Lucio Fulci (auch, wie oft, in diesem Film in einer kleinen Rolle zu sehen) sich diesmal in auffallender Menge an klassischen Versatzstücken des Horrorgenres „bedient“, ohne daß es in der (trotz Continuityhumplern) insgesamt kompakten Geschichte peinlich wird (seien wir mal gnädig, was den Namen „Freudstein“ betrifft, denn so ziemlich jeder Zuschauer wird schon allein deshalb wissen, woran dieser Doktor da mal gearbeitet hat, zu ähnlich ist der Name dem des „Kollegen“ Frankenstein, und wer das übersieht, der wird schon früh mit der Nase draufgestossen).

Da gibt es den kleinen Jungen Bob mit dem „zweiten Gesicht“, und seine ihn warnende kleine Freundin Mae (Foto oben mit Bob), die natürlich nur er sehen kann (und die der Genrekenner nicht nur schnell als tot erkennt, sondern auch mehr als nur ahnt, daß sie eine besondere Beziehung auch zum „Bösen“ hat); das Horrorhaus mit all seinem „Eigenleben“ und der überall zu spürenden, fett prankenden Warnung „Geh' bloss nicht in den Keller runter!“ (was natürlich dennoch dauernd getan wird); dazu einen Grufteingang im Fussboden (mit der Erklärung, daß man das in der Gegend früher halt so gemacht hat); und natürlich all die feinen, kleinen (gerne auch mal einfach als übersinnlich-übernatürlich gezeigten und daher nicht weiter er- und/oder aufgeklärten) Ereignisse drumherum.
Fulci und konventionell (der Mann, der nur zu oft zeigte, was andere sich nicht trauten)? Der „König der Indizierungen“ zurückhaltend (Nun, diesmal ofter als in vielen seiner anderen Filme, aber
wenn, dann auch hier immer noch schön mit „Kamera voll draufhalten lassen“ und ganz und gar nicht Jugendfrei)? Ja, und- seis drum. Immer noch weitaus besser als vieles, was uns als Horror vorgesetzt wurde und wird, und meist kurzweilig ohnehin.
Und schliesslich gibt es ja auch genug liebgewonnenes von Fulci, weder sind Frauen oder Kinder vor dem Unheil sicher, noch haben wir den grossen Helden, der sie alle rettet und beschützt, oder irgendwann mal ernsthaft die Hoffnung, das alles könnte ein durchweg gutes
Ende nehmen.

Der titelgebende Friedhof ist hier trotz des Filmtitels streng genommen kaum von Bedeutung, zwar wird auch er desöfteren besucht, aber meist sind es die Kinder, die auf ihm
spielen (jawohl), und ihm schon dadurch jeglichen Schrecken nehmen. Nur nebenbei erfahren wir anhand eines Grabsteins, daß die Frau des Freudstein hier begraben liegt (trotz der Gruft im Fussboden), er selber jedoch nicht. Wenn Dr.Boyle dann auf einem anderen Friedhof das Grab des Freudstein besuchen will, aber feststellt, daß es (auch) dort nicht existiert, ist spätestens auch das klar: Friedhof macht sich irgendwie immer gut im Titel, auch, wenns ihn eigentlich gar nicht braucht. Das Haus der Boyles könnte somit auch, zum Beispiel neben dem Bahnhof stehen- käme handlungstechnisch aufs selbe raus, denn die konzentriert sich zumeist auf den Keller, der entsprechend früh als der Hort des Schreckens deutlich wird. Mal ganz davon abgesehn, daß er eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf die Protagonisten hat, obwohl lange nichts zu bieten ausser Geräuschen und dem Schatten (und der Hand mit Messer) des Mörders.

Catriona MacColl (bekannt aus allen drei Teilen von Fulcis so genannter „Todestrilogie“,
siehe unten) macht ihre Sache auch hier ordentlich, wenn sie sich auch manchmal im Sekundentakt nicht entscheiden kann, ob sie nun zu Tode erschreckt oder doch zur mutigen Kampfmaschine geworden ist. Beides jedoch kann sie spielen. Paolo Malco, auch einer von Fulci's Stammschauspielern, kommt diesmal allerdings etwas schäfrig rüber, forscht neben der Spur nach, und braucht schliesslich eine vom Vorgänger Peterson aufgenommene Kassette (MC), um seine Schlüsse zu ziehen. Herrlich Achtziger!
Der kleine Giovanni Frezza als Bob macht seine Sache so ausserordentlich gut, daß man sich nachträglich um seine Entwicklung sorgt, könnte er doch den Inhalt des Films voll verstanden haben. Er (jedoch vom „Ich heirate eine Familie“-Kinderstar Timmo Niessner viel zu brav und „süsslich“ synchronisiert) und seine Freundin Mae verzichten zudem zum Glück auf das in ähnlichen Filmen oft eingesetzte rotzlöffelig-klugscheisserisch-nervige der Kinderdarsteller.

Fazit:
Der wohl über lange Srecken „ruhigste“ Fulci, mit ausgedehnten, fast bedächtigen Kamerafahrten und (
verhältnismässig!) wenigem Splatter. Die Musik allerdings passt ob ihrer seltsamen Mischung zwischen Klassik und Synthigedudel nicht dazu, und wenn der Erklärungen für das, was passiert (insbesondere bei der Auflösung) ein bisschen Nachvollziehbarkeit und Logik fehlt oder sie direkt ganz weggelassen werden, ist auch das unangenehm, aber doch hinnehmbar.
Insgesamt empfehlenswert und alles in allem eben ein (aber
nicht der beste) Fulci.


Darsteller:
Catriona (
hier: Katherine) MacColl als Lucy Boyle – Deutsch: Almut Eggert
Paolo Malco als Dr.Norman Boyle – Deutsch: Frank Glaubrecht
Giovanni Frezza als Bob Boyle – Deutsch: Timmo Niesner
Silvia Collatina als Mae Freudstein, das Mädchen – Deutsch: ?
Ania Pieroni als Ann, Bob's Babysitterin – Deutsch: Rebecca Völz
Dagmar Lassander als Laura Gittleson, Maklerin – Deutsch: ?
Giovanni De Nava als Dr.Freudstein – Keine Sprechrolle
Carlo De Mejo als Mr.Wheatley, Bibliothekar – Deutsch: Andreas Mannkopff
Gianpaolo Saccarola als Daniel Douglas, sein Assistent – Deutsch: ?
John (=Kenneth A.) Olson als Harold, Assistent von Laura Gittleson – Deutsch: ?
Teresa Rossi Passante als Mary Freudstein, Mae's Mutter – Deutsch: ?
Lucio Fulci als Professor Muller, Norman Boyle's Chef – Deutsch: ?
Elmer Johnsson als Friedhofswärter – Deutsch: ?
Daniela Doria als Zweites Opfer – Deutsch: ?
Ranieri Ferrara als Erstes Opfer – Keine Sprechrolle
u.A.


Stab:

Regie: Lucio Fulci
Drehbuch: Dardano Sacchetti, Giorgio Mariuzzo, Lucio Fulci
Story: Alisa Livia Briganti

Kamera: Sergio Salvati
Musik: Walter Rizzati
Schnitt: Vincenzo Tomassi; Assistenz: Pietro Tomassi
Ton: Ugo Celani
Produktionsdesign und Kostüme: Massimo Lentini
Szenenbild: Mariangela Capuano

Make Up/Make Up-Effekte: Giannetto De Rossi, Maurizio Trani; Assistenz: Antonio Maltempo
Spezialeffekte: Giannetto (
hier: Gino) De Rossi
Regieassistenz: Roberto Giandalia

Produktion: Fabrizio De Angelis

L
ucio Fulci’s “Todestrilogie”:
1980
Ein Zombie hing am Glockenseil
1981 Über dem Jenseits (
auch: The Beyond; später:
Die Geisterstadt der Zombies)
1981 Das Haus an der Friedhofsmauer

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