(66) Veröffentlichung: 08.Mai 2020

Auch: *
Italien, 1980 – Originallänge: 93 min./Kino D: 89 min.* – FSK: * 
Originaltitel: Paura nella cittá dei morti viventi (Angst in der Stadt der lebenden Toten)

Drehzeit: 8.Juli - 1.August 1980; in den USA und in Rom (Studio)
Kinopremieren: Italien- 11.August 1980; D- 11.September 1980

Es mag unglaublich klingen, aber tatsächlich hat der Film einiges von seinem Ruhm in Deutschland dem öffentlich-rechtlichen Zweiten Deutschen Fernsehen zu „verdanken“. Zwar sorgte er bereits bei seinem Erscheinen aufgrund seiner zahlreichen und detaillierten Gewaltdarstellungen für Furore, doch nahmen ihn zunächst nur die eingefleischten Splatterfreunde wahr. Allgemein waren die gehäuft auftretenden heftigen Horrorfilme der damaligen Zeit anfangs kein Thema in der Öffentlichkeit, wer es eben nicht mochte, schaute es sich nicht an, und Jugendliche wurden ja (dank der FSK) daran gehindert, die Filme zu sehen (was allerdings schon damals nicht immer gelang, beziehungsweise manchem Kinobesitzer egal war, hauptsache der Eintritt wurde bezahlt). Doch dann kam der Videothekenboom, und da dieser zunächst an der FSK vorbeiging (die die Videos anfangs nicht prüfte, und sie damit von praktisch jeder Altersgruppe ausgeliehen werden konnten), gelangten die Filme auch in die Kinderzimmer der Nation. Das ZDF machte mit der sehr einseitigen (und unfreiwillig peinlich-komischen) Reportage „Mama,Papa,Zombie-Horror für den Hausgebrauch“ (mit dem lächerlichen Konsens: Horrorfilme sind widerlich und pervers, und wer sie anschaut, ist psychisch krank), bei dem besonders dieser Film als Beispiel herhalten „durfte“, das schliesslich publik. Der brave Bürger schrie auf, und es folgte eine Verbots-, Indizierungs- und Beschlagnahmungswelle gegen Horrorfilme ohne Gleichen. Artikel 5, Absatz 3 des Grundgesetzes über die Freiheit der Kunst galt fortan in der BRD (endgültig) einfach nicht mehr, und Erwachsenen wurde vorgeschrieben, was sie sehen durften und was nicht- bis heute, wenn auch inzwischen etwas geradegerückter (und nur gegen viel Geld, das ein Verleih bei der Wiedervorlage eines Films zur Neubewertung zahlen muss).
Natürlich ist der Film nichts für zarte Gemüter oder für allzu empfindliche Mägen, geht hier und da sogar auch nah bis an die selbst für den Kenner erträgliche Ekelschmerzgrenze (viele Maden, viele gequetschte Gehirne und ähnliches, viel verweste Leichen inklusive eines Babys), und ist schon gar nicht geeignet für Kinder und Jugendliche- aber es ist ein Film, damit Kunst, und als Splatterfilm ist und bleibt er einer der gelungensten und letztendlich besten seiner Zunft (und erhielt beim 10. Pariser Festival des Fantasy- und Science Fiction-Films gar den begehrten Publikumspreis). Regisseur Fulci hatte schon vorher gerne und oft explizite Szenen gedreht, kompromissloser aber war er noch nicht zu Werke gegangen, wohl wissend, daß der Skandal programmiert war, zumal hier der ganze Schlamassel mit einem katholischen Priester beginnt, der sich auf „geweihter Friedhofserde“ erhängt und damit eine uralte Prophezeiung auslöst (was für einige Kirchenoberen schlimmer wog und wiegt, als die Splatteranteile des Films).

Catriona MacColl und Christopher George

Fabrizio Jovine
Alles, was danach im Genre des heftigen Horrors kam, muss sich bis heute mit diesem offensichtlich von H.P.Lovecraft (1890-1937) inspirierten Film (so heisst das Städtchen hier Dunwich, ein Name, den Lovecraft, neben Edgar Allan Poe einer der einflussreichsten Autoren im phantastischen Bereich, des öfteren in seinen Werken verwendet hat) vergleichen lassen. Die alptraumhafte Atmosphäre, die sich immer mehr verdichtet, wurde selten in einem „Trashfilm“ erneut so kompakt und durchgängig erreicht. Und das, obwohl Regisseur/Autor Fulci rein handlungstechnisch mehrere mindestens ebenbürtige Filme abgeliefert hat, schon auch die folgenden zwei (die mit dem „Glockenseil“ seine so genannte „Todes“-/„Gates Of Hell“-Trilogie bilden, siehe unten), als zum Beispiel auch den „New York Ripper“.
Der Film kann durch seinen starken übersinnlichen Handlungsbezug nur bedingt als typischer Zombiefilm bezeichnet werden (was der Originaltitel ja auch nicht wirklich behauptet), denn auch der „Grund“ für das Wiedererwachen der Toten ist hier ein eher Genreuntypischer- kein Virus und kein fehlgeschlagenes Militärexperiment, sondern „einfach“ eine Kombination von Tat (die des Gottesmannes), Ort (das verfluchte Städtchen auf den Überresten der Hexenstadt Salem und der Ort, wo man das „Tor zur Hölle“ findet) und Zeit (ein bestimmter Tag).
Das Medium Mary wird in New York, fern des Geschehens, bei einer spirituellen Sitzung der Meisterbeschwörerin Theresa, „Zeugin“ des priesterlichen Selbstmordes in Dunwich. Sie stirbt scheinbar noch an Ort und Stelle. Der Reporter Peter entschliesst sich, der Geschichte nachzugehen, und es ist ihm zu verdanken, daß Mary, die nur scheintot war, rechtzeitig aus ihrem Sarg gerettet werden kann. Beide fahren nach Dunwich, und erfahren, daß hier immer mehr Menschen unter seltsamen Umständen sterben müssen, einige buchstäblich, wie es der Gerichtsmediziner (Lucio Fulci hier auch, wie des öfteren in seinen Filmen, als Darsteller) erklärt, „vor Angst“. Einem uralten Fluch geschuldet, erwachen die Toten schnell wieder und holen sich ihrerseits weitere Opfer, die sie sowohl nur durch Blicke als auch durch ihr schauerliches und brutales Tun töten können.
Nur Mary und Peter, zusammen mit dem Einheimischen Jerry (der seine Freundin Emily dabei an die Untoten verliert, die danach ihre Eltern massakriert und nur ihren kleinen Bruder Johnny entkommen lassen muss), können das Grauen noch stoppen- vielleicht…


Carlo De Mejo, Janet Agren
Anfangs noch angesichts der zunächst für den Zuschauer unverständlichen Vorgeschichte, verschiedener Handlungsstränge und der in kurzer Zeit zahlreichen auftretenden Personen (davon einige, wie ein arroganter Polizeiermittler in New York, auch überflüssigerweise) verwirrend, findet sich der Film nach einigen Minuten und die Geschichte läuft zueinander und schliesslich kompakt und nachvollziehbar weiter. Zeit zum Durchatmen bleibt nun nicht mehr, und der vorher gemachten Andeutungen ists genug.
Es geht hier oft
zur Sache, die Make Up's und Effekte sind nicht nur für die Zeit grandios und (und das soll man auch als Warnung für den geneigten Zuschauer verstehen) realistisch. Natürlich kann man das heutzutage „dank“ Computergemache noch toppen, aber erschreckender geht kaum. Die bis heute berühmt-berüchtigte „Bohrmaschinenszene“ (bei der interessanterweise kein Zombie der Täter ist) geht auch beim wiederholten Ansehen durch Mark und Bein, und Fulci kann es sich locker leisten, lange und auch im Hellen auf die Visagen der Untoten draufzuhalten. Die dazu gewählten Geräuschkulissen tun ihr übriges.
Unterstützt durch manch ungewöhnliche Kameraperspektive, ungewohnte Schnittfolgen, tolle Kulissen und eine modern-einfache Musikuntermalung, ist das Horrorunterhaltung par excellence, ungestreckt, ohne Schnickschnack, auf die entscheidenden Punkte.
Giovanni Lombardo Radice, Antonella Interlenghi
Da kann Christopher George recht unglaubwürdig, fast gelangweilt, agieren, was für eine Hauptrolle eigentlich verheerend ist, und auch der desöfteren aus dem Nichts auftauchende „tote Priester“ Fabrizio Jovine auf Dauer eher nerven als erschrecken- die anderen Darsteller reissen das raus. Die Engländerin MacColl (die die weiblichen Hauptrollen in allen drei Fulci-“Todestrilogie“-Filmen spielt) ist famos; De Mejo stets gelassen-beeindruckend; Interlenghi sowohl als ängstliche Lebende und Agren in einer tatsächlich ähnlich angelegten Rolle, wie beide auch als später gnadenlose Untote, überzeugend und ein Gewinn fürs Ensemble. Radice als der von den Dorfbewohnern ausgestossene Bob (der, den es mit der Bohrmaschine erwischt, weil ein Papa seine Tochter vermeintlich „schützen“ will) ist ein Sidekick der Extraklasse.
Das Finale ist fulminant inszeniert, das kleine Nachspiel dazu kommt dann aber nicht nur plötzlich, sondern auch seltsam daher und lässt (dann doch) alles offen. Fulci hat das nie erklärt, manchmal heisst es, nach einer irrtümlichen Vernichtung der letzten Aufnahmen hätte er aus dem Material machen müssen, was halt noch da war, manchmal heisst es, es sei seine Absicht gewesen. Weder spielt er in den nachfolgenden „Trilogie“-Filmen darauf an, noch setzt er daran an. So bleibt das unverständliche Ende sein Geheimnis.
Fazit:
Man muss es eben mögen, und man muss es „verdauen“ können, dann aber wird man als Genreliebhaber den Film zu schätzen wissen, auch, weil vieles an ihm so total „80er“ ist, doch die meisten Effekte ihrer Zeit voraus waren.
Ein Meisterwerk seines Genres,
auch wegen der Schockelemente, Punkt. Stop Censorshit!
Auch auf heutigen VÖ sind Bild- und Tonqualität, auch der gern herausgeschnittenen Szenen, einwandfrei. Lediglich die manchesmal allzu tumbe deutsche Synchronisation (unpassende Stimmen, fast dämliche Dialoge) kann nerven.
Darsteller:
Christopher George (als Peter Bell, Journalist) – Deutsch: Michael Brennicke
Catriona MacColl (als Mary Woodhouse) – Deutsch: ?
Carlo De Mejo (als Jerry, Psychologe in Dunwich) – Deutsch: Bernd Stephan
Antonella Interlenghi (als Emily Robbins, seine Freundin) – Deutsch: Manuela Renard
Fabrizio Jovine (als Pater William Thomas) – Keine Sprechrolle
Janet Agren (als Sandra) – Deutsch: Madeleine Stolze
Giovanni Lombardo Radice (als Bob) – Deutsch: Ivar Combrinck
Daniela Doria (als Rosie) – Deutsch: ?
Luca Venantini (als Johnny, Emilys Bruder) – Deutsch: ?
Adelaide Aste (als Theresa) – Deutsch: Haide Lorenz
Robert Sampson (als Sheriff Russell) – Deutsch: Manfred Schmidt

Venantino Venantini (als Mr.Ross) – Deutsch: Michael Rüth
Lucio Fulci (als Dr.Thompson, Gerichtsmediziner) – Deutsch: ?
u.A.
Stab;
Regie: Lucio Fulci
Drehbuch und Story: Lucio Fulci, Dardano Sacchetti
Kamera: Sergio Salvati
Musik: Fabio Frizzi
Schnitt: Vincenzo Tomassi
Ton: Ugo Colani
Produktionsdesign und Kostüme: Massimo Antonello Geleng
Szenenbild: Giacomo Calò Carducci, Ovidio Tato
Make Up: Franco Rufini, Rosario Prestopino
Spezialeffekte: Gino De Rossi, Franco Rufini
Regieassistenz: Roberto Giandalia
Produktionsleitung: Giovanni Masini
Produktion: Lucio Fulci
*:Ursprünglich wurde der Kinofilm in der 89-minütigen Fassung (übrigens damals nur um reine Dialogszenen, nicht um Splatterszenen, gekürzt) in Deutschland mit einer FSK 18 freigegeben und tatsächlich auch als solcher aufgeführt. Unter dem Titel „Eine Leiche hing am Glockenseil“ kam der Film mit der Freigabe ab 18 Jahren und mit weiteren Schnitten (diesmal Splatterszenen) auf Video heraus, wurde dann aber schliesslich 1984 wegen „Gewaltverherrlichung“ indiziert, verboten und in D beschlagnahmt.
Unter dem Titel „
Ein Kadaver hing am Glockenseil“ war ab 2001 eine schlecht und holprig geschnittene 79-minütige Fassung des Filmes mit der FSK 16 in Deutschland erhältlich, diese scheint heute nicht mehr erhältlich zu sein.
Ungeschnittene Versionen, die aufgrund des Filmverbotes nur über das Ausland bezogen werden können (
siehe bei den Links), wurden auch unter den Titeln „Die Stadt der lebenden Toten“ und in neuerer Zeit „City Of The Living Dead“ veröffentlicht. Auf diesen existiert auch eine komplett deutsch synchronisierte Fassung, in denen die vier zuvor fehlenden Minuten neu (und, hörbar, mit anderen Sprechern) nachsynchronisiert wurden.
Der Originaltitel der englischsprachigen Fassung war 1983 „
Twilight Of The Dead“. Aufgrund der Ähnlichkeit des Titels mit dem „Zombie“-Film von George A.Romero aus dem Jahr 1978 („Dawn Of The Dead“) musste der Titel jedoch in „The Gates Of Hell“ geändert werden.
Lucio Fulci’s “Todestrilogie”:
1980 Ein Zombie hing am Glockenseil
1981 Über dem Jenseits (auch: The Beyond; später: Die Geisterstadt der Zombies)
1981 Das Haus an der Friedhofsmauer
Spoiler:
In einer Höhle unter dem Friedhof (die neben der Gruft des Pfarrers Thomas beginnt und in der sich auch das “Tor zur Hölle” befindet) kommt es- zu nun völlig unpassend und aufdringlicher, poppiger Musik- zur Entscheidung. Jerry, Peter und Mary stellen sich den Untoten. Die nur äusserlich noch nicht in ein grässliches Zombiegeschöpf verwandelte Sandra kann Peter töten, bevor Jerry sie (die eine Patientin von ihm war) ersticht. Jerry ist es schliesslich auch, der mit einem Grabkreuz den Pfarrer, den Anführer der sie nun bedrohenden Untotenhorde, quasi pfählt. Damit endet dessen Macht über die Untoten, die, wie der Pfarrer, alle verbrennen.
Draussen treffen Jerry und Mary auf Johnny, der ihnen freudestrahlend entgegenläuft.
Die letzte Szene zeigt das eingefrorene Bild des kleinen Johnny, dazu ertönt ein Frauenschrei, von dem andere, allerdings wenige, Rezensenten behaupte(te)n, es sei der kleine Junge, der ihn ausstösst-
mehr dazu siehe im Besprechungstext.



Warum einige Quellen den Charakter “Jerry” stattdessen “Gerry” (eine irische Schreibweise des Namens, allerdings gleich ausgesprochen) nennen, erschliesst sich mir nicht. Auch in mir vorliegendem Infomaterial zum Film heisst er “Jerry”.