(99) Veröffentlichung: 3.Juni 2021

D, 1967 – 80 min. – FSK 12

Drehzeit: 16.Mai-7.Juli 1967 in NRW und Bayern
Kinopremiere D: 5.Oktober 1967


Darsteller:

Lex Barker als Roger Mont Elise=Roger von Marienberg (Gegenwart*)/Richter Reinhard von Marienberg (Vergangenheit*)
– Deutsch: Horst Naumann
Karin Dor als Baroness Lilian von Brabant (Gegenwart*)//Ihre Mutter (Vergangenheit*)
Christopher Lee als Graf von Andomai (Gegenwart*)/Frederic Graf Regula (Vergangenheit*)
– Deutsch: Herbert Weicker
Carl (hier: Karl) Lange als Anatol, sein Diener

Vladimir Medar als Pater Fabian – Deutsch: Klaus W.Krause
Dieter Eppler als Kutscher
Christiane Rücker als Babette, Lilian's Zofe
u.A.
Stimme des Moritatensängers (Darsteller N.A.): Bruno W.Pantel
* der Filmhandlung


Frederic Graf Regula wird wegen seiner Verbrechen, die „so ungeheuerlich“ sind, daß „der Tod durch Enthauptung als Buße nicht ausreicht“, von Richter Reinhard von Marienberg zum Tode durch Vierteilung verurteilt. Regula hatte zwölf Jungfrauen gefoltert und getötet, um aus ihrem Blut ein Elixier zu gewinnen, das ihm das ewige Leben schenken sollte- die benötigte 13., die Baronin von Brabant, konnte ihm jedoch entkommen und hatte sein schändliches Treiben an die Justiz verraten. Kurz vor der Vollstreckung (Kleines Foto) verflucht Regula den Richter und alle dessen Nachkommen- dann tritt er gelassen vor die Schaulustigen und ohne einen Schmerzensschrei ab.
35 Jahre später.
Unter
(für uns Zuschauer leicht erkennbaren) Vorwänden werden der seine Vergangenheit nicht kennende (einst als Baby ausgesetzte) Roger und die Baroness von Brabant in die Burg des Grafen von Andomai (natürlich niemand anderes als Regula) gelockt. Nach langer (nie langweiliger, sondern mit vielen bekannten, aber fein aufgearbeiteten Gruselzutaten gewürzter) Anreise erkennen sie und ihre Begleiter, die Zofe Babette und der Geistliche Fabian, die schreckliche Wahrheit.
Dank seines (auch über seinen eigenen Tod hinaus) treuen Dieners Anatol kann der Graf erweckt werden, doch nur für kurze Zeit- in dieser muss er nun sein Werk vollenden, um seinen grössten Traum zu erfüllen- sein ewiges Leben...

Die FSK-Einstufung des Films überrascht (tatsächlich selbst heute sogar noch ein wenig, von damals ganz zu schweigen). Auch, wenn wirklich explizite Szenen vermieden wurden, erscheint der Film angesichts seiner ständigen Düsternis und beeindruckend-unheimlichen Atmosphäre (vor allem im Vergleich zu anderen, ähnlichen Filmen der Zeit, die dagegen von der FSK strenger beurteilt worden sind) teils nicht unbedingt für das angegebene Alter empfehlenswert. Es soll (laut verschiedener Quellen) die fertig geschnittene Originalfassung sogar ursprünglich noch etwa drei Minuten länger gewesen sein (die angeblich fehlenden Minuten wurden nie veröffentlicht, ihr Inhalt und ob es schlimme" Szenen waren, bleibt somit unbekannt).
Das unter den Titeln „The Blood Demon“ und „The Torture Chamber Of Dr.Sadism“ auch ziemlich erfolgreich als englischsprachige Version vermarktete Werk ist nicht nur die wohl einzige deutsche Verfilmung einer der Geschichten Edgar Allan Poe’s, zugleich ist er auch einer der erfolgreichsten Filme hierzulande seines Kinojahrgangs gewesen (man muss sagen: natürlich nach den jeweils aktuellen Wallace- und Karl May-Verfilmungen)- wohl auch genau
wegen seiner niedrigen Jugendfreigabe.
Ausserdem löste der Film eine Art Boom deutscher Horrorfilme aus, der sich bis in die Neunzehnhundertsiebziger Jahre hineinzog, wenn auch aufgrund der in der Regel (oft zu Recht) strengeren FSK-Einordnung keiner den grossen Erfolg der
Schlangengrube" wiederholen sollte. Und auch qualitätstechnisch sollte wenig auch nur annähernd so gutes nachkommen.

Nicht ganz so weit von der Originalgeschichte entfernt wie die amerikanische Filminterpretation von Roger Corman (1961), aber doch auch frei interpretiert und eher ein gut zusammengebautes Sammelsurium Poe'scher Motive, überrascht der Film entgegen der für ihn gemachten, teilweise sehr schreierischen Werbung durch seinen zurückhaltenden Grusel und dezenten Horror. In (s)einer wunderbar und doch nicht die Augen strapazierenden knallbunten (inklusive prächtiger Kostüme), aber stets echt wirkenden und exzellent ausgestatteten Kulissenwelt (Herausragend dabei: der Nebelwald und das Innere der Burg Regula's) bedarf es nur wenig schockierender Szenen oder (stets gut gemachter) Effekte. Harald „Winnetou-Oftverfilmer“ Reinl hat das oftmals romantisch-altmodisch (man darf es "gothisch" nennen) inszeniert, aber genau das macht diesen speziellen, auch optischen Reiz des Films aus.
Man hat sich nicht viel originelles oder neues einfallen lassen (müssen), die Geschichte hat man tatsächlich so oder zumindest so ähnlich schon des öfteren im Genre gesehen, aber eben auch oft weitaus stockender (gestreckt wird hier nur der Graf als Bestrafung, nicht die Handlung), unprofessioneller und schlechter umgesetzt. Hier geht das alles ohne Umwege, es braucht keine Nebenstränge oder äusgewalzte Dialoge- der Film ist in jeder Hinsicht eine Punktlandung, sogar des deutschen Genrefilms überhaupt.


Lex Barker, Deutschlands Liebling als „Old Shatterhand“, sieht nicht nur gut aus, er kann (auch gegen seine sichtliche Unterforderung in diesem Film) im Routinemodus gut schauspielern und gibt den Helden überzeugend, mit allen seinen Stärken und Schwächen, nicht als unbesiegbaren Übermenschen;
Karin Dor sieht zwar süss aus, hat die Rolle aber wohl (mal wieder, wohlgemerkt aber nicht wie immer in ihrer Karriere) ihrem damaligen Mann Harald Reinl zu verdanken: Schauspielerisch entweder n ihren Mitteln begrenzt oder extrem gelangweilt, ist ihr Standarderschrockenguckgesicht manchmal doch etwas übertrieben und langweilt schnell;
Christopher Lee ist (dabei ebenso unterfordert und doch routiniert wie Kollege Barker) eine verlässliche Bank als Bösewicht. Soll er doch Assoziationen an
Dracula wecken mit seinem als Untoter kreidebleichen Gesicht, dem ähnlichen Namen und seiner Angst vor christlichen Symbolen. Originell ist es nicht, aber wer mag es den Produzenten verdenken- wenigstens wurde beim Titel auf solcherlei oftmals angewandte Anspielungen verzichtet*. Auch hier zeigt er, was er kann, und dank einer gehörigen Portion schwarzen Humors ertappen wir uns nicht selten dabei, daß er trotz allem auch Sympathien gewinnen kann, zumindest bei uns als unbeteiligten Zuschauern. Schade nur, daß er neben den Auftaktsequenzen erst nach fast einer Stunde wieder dabei ist.
Grossartig besetzt auch die Nebenrollen, vor allem Carl Lange als ergebener und doch arroganter Anatol und der Jugoslawe Vladimir Medar als lustiger, fluchender und trinkfester Pfarrer, der sich zudem bald als gar nicht so gläubig erweist. Dieter Eppler als mit seiner Feigheit fast kokettierender Kutscher ist ein Schmankerl am Rande; Christiane Rücker sagt nicht viel und fällt auch nicht weiter auf, ausser schreiend in einer Poe'schen Wassergrubenhängefalle.


Fazit:

Durch und durch bildgewaltiges Gruselkino. Ein aufregendes Beispiel, daß dies einst in Deutschland möglich war und ein Film für die, die Märchen zu schätzen wissen und die Logikfehler (So müsste schon zu Beginn des Films Regula vor der Hinrichtung angesichts der Stachelmaske im Gesicht-
siehe Foto ganz Oben- stark bluten, was er aber nicht tut; und Anatol's „Erklärung“ für seine Unverwundbarkeit ist seltsam konstruiert und letztlich unnötig**) einfach ignorieren können (was beim rasanten Schmackes der Geschichte dankenswerterweise ohnehin nicht schwer fällt).

*
Allerdings konnte es sich ein Lizenznehmer bei der Veröffentlichung einer stark gekürzten Version auf damals populärem „Super 8“ (Foto Links) dann doch nicht verkneifen und taufte den hier zweiteiligen Film dafür in „Die Burg des Grauens-Das Todespendel“ und- hoppla- „Die Schlangengrube des Grafen Dracula“ um (Die Super 8-Fassung ist als Bonus auf heutigen VÖ dabei).
Weitere Beispiele, aber auch eine Liste aller "echten" Dracula-Darstellungen durch Christopher Lee siehe hier.

** Am Galgen wurde er getötet, aber „rechtzeitg“ abgehangen. Das führte zur „Bildung körpereigener Substanzen“, die ihn (den Untoten) nun unverwundbar machen.

Stab:

Regie: Harald Reinl
Drehbuch: Manfred R.Köhler
Nach Motiven von Edgar Allan Poe
(Aus der Kurzgeschichte „The Pit And The Pendulum“/„Die Foltern, Wassergrube und Pendel“ , 1842)
Kamera: Ernst W.Kalinke, Dieter Liphardt (Assistenz: Kurt Bruckner, Joachim Gitt)
Musik: Peter Thomas
Schnitt: Hermann Haller (Assistenz: Jutta Neumann, Mia Pleines)
Ton: Hans-Joachim Richter
Filmbildner: Gabriel Pellon (Assistenz:Rolf Zehetbauer)
Szenenbild: Werner Achmann
Verwendung von Malereien von Hieronymus Bosch (1450-1516)
Kostüme: Irms Pauli
Maske: Erich L.Schmekel, Gerda Bublitz
Spezialeffekte: Erwin Lange
Trickaufnahmen: Theo Nischwitz
Regieassistenz: Charles M.Wakefield
Produktionsleitung: Wolfgang Kühnlenz
Herstellungsleitung: Erwin Gitt
Produktion: Keine Personenangabe (Nur: Contantin Film)

Spoiler:
Roger erfährt vom Grafen seine wahre Herkunft- er ist der damals von Anatol entführte und ausgesetzte Sohn derer von Marienberg's (die Anatol zudem tötete) und Regula will ihn aus Rache unter einem Pendel qualvoll töten (
Weiteres Poe-Motiv). Der Foltertod Lilian's, die die Tochter der damals entkommenen 13.Jungfrau ist, soll Regula nun das Elixier vervollkommnen lassen und ihm (endlich und jetzt wirklich) zum ewigen Leben verhelfen (Noch ein Poe-Motiv: Der fast-Sturz in eine Schlangengrube soll Lilian's Angst verstärken, da die Angst des Opfers für die Wirkung des erstellten Elixiers von Vorteil ist).

Doch Roger kann mit einem Stein das Pendel aus dem Schwung bringen und sich befreien. Mit Hilfe von Lilian's Kreuzanhänger kann er gerade noch rechtzeitig die Tötung Lilian's verhindern- die Zeit des Grafen läuft ab, ohne daß dieser das Elixier fertiggestellen kann. Regula und Anatol zerfallen (Vampiren ähnlich) zu Staub, und die Burg verwandelt sich in eine Ruine.
Fabian
(der sich zwischenzeitlich als „Räuber mit Herz“ entpuppt hat, und den Guten zur Seite stand) und Babette (die beiden sind offensichtlich, da knutschend, inzwischen ein Paar) fahren mit der Kutsche vor und laden Roger und Lilian ein, die sich drinnen ebenfalls innig küssen.
(Happy)
Ende (für die Guten) und Fahrt in den Sonnenaufgang.

Bodycount:
- Die Hinrichtung des Grafen Regula (
siehe Inhalt).
- Unzählige Erhängte in Bäumen bei der Kutschfahrt durch den Wald (
ihre „Herkunft“ wird nicht erklärt).
- Auifgrund des Anblicks der Erhängten erleidet der Kutscher einen Herzinfarkt und fällt tot vom Kutschbock.
- In der Burg sehen wir einige der Zwölf bis dahin für Regula getöteten Jungfrauen (
die alle noch erstaunlich „frisch“ aussehen, siehe Foto hierüber).
- In der Burg liegt die Leiche des Moritatensängers (
Anatol erwähnt beiläufig, daß er auch diesen in die Burg gelockt hatte- warum, erzählt er nicht).
- Regula (erneut und endgültig) und Anatol (
siehe Spoiler).