(6) Veröffentlichung: 09.Januar 2019

Joachim Fuchsberger und Christopher Lee rocken gemeinsam den Wallace
Filmdaten:
D/GB, 1961-in Schwarz/Weiss* 

Originallänge 94 min. – FSK 12 (seit 1991, vorher FSK 16 ohne Schnittauflagen)
Englischer Originaltitel: The Devil's Daffodil
**

Drehzeit: April/Mai 1961, komplett in England gedreht, auch die Studioaufnahmen
Kinopremieren: D- 20.Juli 1961; GB- 20.Mai 1962

* Der Film wurde bei seinen deutschen Fernsehausstrahlungen lange ohne den (in der Reihe damals schon üblichen) Farbvorspann gezeigt, dieser gehört aber zur Originalfassung. Die Vorspanneinblendungen und das Wort „Ende“ sind hier in rosarot auf s/w-Hintergrund.
 ** Die englische Version wurde nie in Deutsch synchronisiert und auch nie hier vermarktet. Sie ist letztlich aufgrund ihrer fast identischen Schnittreihenfolge nur etwas für den eingefleischten Fan, der alles gesehen haben will.

Inhalt:
Binnen kurzer Zeit werden mehrere junge Frauen in London ermordet, und der Täter hinterlässt bei jedem seiner Opfer einen Strauß gelber Narzissen- die zur selben Zeit auch als Tarnung für Heroinlieferungen aus Hongkong herhalten müssen.
Der ermittelnde Oberinspektor Whiteside glaubt dennoch nicht an einen Zusammenhang und im Fall der Frauenmorde stur an einen psychopathischen  Einzeltäter. Die ihm bei seiner Arbeit ständig in die Quere kommenden Jack Tarling (Sicherheitschef einer Flugesellschaft, die für den Heroinschmuggel benutzt wird-
also hier in seiner Rolle eher eine Art Privatermittler) und der nicht immer ganz korrekt vorgehende Ling Chu, ein angereister Polizist aus Hongkong, vermuten aber, daß es einen Zusammenhang mit dem organisierten Heroinhandel geben muss.
Aller Spuren führen schliesslich in einen verruchten Club, wo nicht nur gefeiert wird, sondern auch Fäden zusammenlaufen und manch verdächtiger Geselle verkehrt- doch gelöst ist der Fall damit noch lange nicht…

(Fortsetzung siehe ganz unten)

Joachim Fuchsberger, Sabrina Sesselmann- man ahnt es früh, sie sind sich grün (nicht gelb)
Hintergründe/Bewertung: 
Mit dieser, der siebten deutschsprachigen Edgar Wallace-Verfilmung der Nachkriegszeit (und der bereits dritten des Jahres) ging man produktionstechnisch neue Wege, und suchte sich einen internationalen Coproduzenten- was lag näher, als diesen in England zu finden. Somit kam es zur ersten deutsch-britischen Co-Produktion der Nachkriegszeit, und damit auch in der Serie nicht der letzten. Allerdings bestanden die britischen Geldgeber darauf, zwei Sprachversionen des Films gleichzeitig zu drehen, und zwar eine für den deutschen und eine für den britischen Markt. Letztere entstand zum Teil mit anderen Schauspielern- solchen, die auf der Insel besser bekannt waren als zum Beispiel Fuchsberger und Kinski.

Ist überwiegend auch wieder einmal ausser Grundmotiven nicht allzuviel von der Handlung der Vorlage von Edgar Wallace übriggeblieben (so geht es dort um nur einen Mord, nicht um eine Serie, und ein Rauschgiftring wird im Roman gar nicht thematisiert), so ist es den Drehbuchautoren doch gelungen, den Geist seines Schaffens zu erhalten, und einen durch und durch puren und nachvollziehbar kombinierten Krimi abzuliefern, der zum zweitmeistbesuchten der gesamten Serie werden sollte (etwa 3,5 Millionen Besucher, damit knapp hinter „Das Gasthaus an der Themse“ von 1962).


Der Film ist besonders in einer Hinsicht bemerkenswert, und das sogar auf die gesamte Reihe bezogen- er verzichtet auffällig auf den oft genutzten erhobenen Zeigefinger. Die angesprochene Drogenthematik dient nur als oberflächliche Handlungsbeigabe, sie wird nicht wie in anderen Filmen kritisch hinterfragt, und eine Folterungsszene durch Ling Chu (die Christopher Lee auch noch so darstellt, als habe er Spass daran) wird nicht nur sowohl während sie geschieht als auch danach verharmlost, der Vorgang erscheint gar gerechtfertigt, um an wichtige Informationen (für den Fortgang der Handlung) zu kommen. Damit erscheint der Film tatsächlich etwas weniger „brav“ als viele andere der Reihe, und auch etwas ernster. Ironie und Leichtigkeit finden hier diesmal fast keinen Platz, und es verwundert daher auch nicht, daß dies der einzige schwarz/weisse Film der (originalen Rialto Film-)Reihe ist, der ohne „Herrn Auflockerer vom Dienst“ Eddi Arent auskommt.

Von links: Albert Lieven, die verruchte van Bergen, Klaus Kinski
Dennoch, oder gerade deshalb, fehlt nichts zu einem durchweg gelungenen Wallace, ein recht überraschendes Ende inklusive, und selbst der Freund hübscher (für die damalige Zeit erstaunlich freizügig gekleideter) Frauen, die hier dank der Clubkulisse in grosser Anzahl mitwirken, kommt diesmal auf seine Kosten. Der Film „leistet“ sich gar (ein Novum) einen drastischen, fast frauenfeindlichen Dialog, wenn Anne (Lyne's Sekretärin) zu Tarling sagt, sie sei „von Lyne entlassen worden, weil ihre Leistungen vermutlich nicht befriedigend waren“, und Tarling erwidert: „Während oder nach den Geschäftszeiten?“. 
Auch Umgebungsoptisch ist der Film ein Vergnügen, London funktioniert hier vor allem in Hell und ohne den sonst so viel verwendeten Nebel. Es wurden diesmal ausschliesslich neue Aussenaufnahmen verwendet, und keine aus dem Archiv, was der Originalität des Films noch zugute kommt. Dann noch eine allgegenwärtige, doch nie aufdringliche jazzig-moderne Musik, die ebenfalls deutlich macht- das hier ist ein klassischer Krimi, wir verzichten diesmal auf den Grusel. Die Kamera verzichtet auf allzu mysteriös-geheimnisvolle Bilderfolgen, und ist mitten drin im Geschehen und an den Personen.

Von links: Walter Gotell, die brave van Bergen, Jan Hendriks, Marius Goring
Ein grossartig aufspielender Christopher Lee (überzeugend als Chinese und auch, wenn er als kleiner Scherz am Rande eines seiner zahlreichen, oftmals sinnfreien und selbsterfundenen chinesischen Sprichwörter raushaut- neben dem „Running Gag“ einer scheinbar manchmal selbsttätig funktionierenden Rolltür die einzigen erheiternden Momente) in seiner ersten von drei deutschen Wallace-Verfilmungen (hier, siehe oben, durchaus auf der „guten“ Seite, aber eben auch zwiespältig handelnd) spricht auch in der deutschen Fassung mit eigener (wunderbarer) Stimme, Seine gemeinsamen Szenen mit einem diesmal auffallend und erstaunlich zurückhaltend spielenden Fuchsberger (weit weniger Haudrauf als sonst oft, was aber durchaus auch seinen schauspielerischen Reiz hat und seine Vielseitigkeit nur unterstreicht) gehören zu den darstellerischen Höhepunkten des Films. Obwohl Duzfreunde (ihre gemeinsame Vorgeschichte wird nicht weiter thematisiert), sind ihre Charaktere oft getrennt auf Ermittlungstour, finden dann aber doch zum richtigen Zeitpunkt wieder zusammen. Die beiden Schauspieler harmonieren hervorragend zusammen und werfen sich die Bälle nur so zu, keiner missgönnt dem anderen grössere Szenenauftritte. Beide blieben sich danach weiter freundschaftlich verbunden, sollten aber ausser gemeinsamen Fernsehauftritten in Shows nur noch einmal „dienstlich“ aufeinandertreffen- als Gegner in einem der „Fu Man Chu“-Filme (wo Lee ebenfalls als Chinese auftritt).

Sabrina Sesselmann spielt nicht, wie der weibliche Hauptpart in einem Wallace viel zu oft, nur als süsse Beigabe, sie ist selbstbewusst und kein zu beschützendes Opferklischee, wobei ihr Dickkopf sie natürlich gerne mal in zusätzliche Schwierigkeiten bringt. Kinski scheint hier etwas unterfordert (oder gelangweilt?) zu sein, sein Charakter bleibt eher uninteressant, selbst seine traurige Familiengeschichte bewegt nicht. Der in mehreren „James Bond“-Filmen als KGB-Chef gesehene Walter Gotell spielt den versnobten und unnahbaren Scotland Yard-Ermittler wunderbar britisch-arrogant, und man freut sich als Zuschauer wenn er mit seiner Einschätzung des Falls (mal wieder) völlig daneben liegt.
Albert Lieven hätte man so sich in mehreren Wallace's gewünscht, denn er gibt einen, obwohl viel auf ihn hindeutet, dann doch undurchschaubaren Bösewicht par excellence; Ingrid van Bergen's Rolle und was sie daraus macht erinnert an ihre aus dem Klassiker „Rosen für den Staatsanwalt“ (1959), ohne daß sie aber die Klasse dieser ihrer wohl besten Schauspielleistung ihrer Karriere erreicht.


Fazit:
Niemals gemächlich im Spannungsaufbau, kommt schnell zur Sache und geht flott voran.
Fällt in vielem etwas aus der Reihe heraus, und zwar positiv, und ist nicht nur kommerziell einer der gelungensten Wallace’s.
Absoluter Einsteigerfilm (danach will man noch mehr Wallace), ohne wenn und aber empfehlenswert.


Christopher Lee


Darsteller (Deutsche ohne Voice Dubbing; Christopher Lee spricht sich selbst in der deutschen Fassung):
Joachim Fuchsberger (als Jack Tarling)
Sabina Sesselmann (als Anne Ryder)
Christopher Lee (als Ling Chu)
Klaus Kinski (als Peter Keene)
Albert Lieven (als Raymond Lyne)
Ingrid van Bergen (als Gloria)
Marius Goring (als Oliver Milburgh, Anne's Halbbruder) -Deutsch: ?
Jan Hendriks (als Charles, Lyne's Chauffeur)
Walter Gotell (als Oberinspektor Whiteside) -Deutsch: Rolf Mamero
u.A.

In der englischsprachigen Version sieht man William Lucas statt Fuchsberger, Penelope Horner statt Sesselmann und Colin Jeavons statt Kinski in den Hauptrollen. Alle anderen Darsteller spielten in beiden Versionen.


Regie: Ákos Ráthony (als Akos von Rathony)
Originaldrehbuch: Trygve Larsen (=Egon Eis), Basil Dawson, Donald Taylor
Deutsche Drehbuchdialoge: Horst Wendlandt, Gerhard F.Hummel
Nach dem gleichnamigen Roman (1920; Originaltitel: “The Daffodil Mystery“) von Edgar Wallace

Musik: Keith Papworth – Kamera: Desmond Dickinson – Schnitt: Peter Taylor 
Ton: Robert Jones, Bert Ross –Produktionsdesign: James Sawyer – Bauten: William Hutchinson
Kostüme: Ron Beck, Laura Nightingale – Make Up: Stuart Freeborn, Richard Mills
Regieassistenz: André Farsch, Tom Pevsner – Gesamtleitung: Horst Wendlandt
Produktion: Steven Pallos und Donald Taylor (Omnia-Film, London)
und Preben Philipsen (Rialto-Film, D)

Siehe auch:
Die deutschen Wallace-Kriminalfilme 1959-1972
(Die in diesem Blog besprochenen Filme sind von dort aus verlinkt)



Spoiler:
In einem für die Reihe relativ langen, aber furios ablaufenden Finale entpuppt sich Peter Keene als “Narzissenmörder”. Er handelte im Auftrag von Raymond Lyne, dem er quasi hörig war, und den er im Verlauf des Films selbst erstach (wie sich herausstellt, aufgrund einer Verwechselung im Dunkeln versehentlich). Ling Chu (da seine Tochter unter den ersten Opfern war, persönlich betroffen), erschiesst Keene auf einem Friedhof scheinbar in Notwehr- der Film lässt offen, ob es tatsächlich eine berechtigte Notwehrhandlung war.
Tarling und Anne verlassen die Szenerie als Paar.
 

Bodycount:
2 Frauen wurden bereits vor dem eigentlichem Handlungsbeginn des Films ermordet (in Anfangsszene auf Titelbild einer Zeitung erwähnt)- darunter, siehe Spoiler, Ling Chu's Tochter
3. Namenlose Frau wird erstochen
4. Frau (wichtige Zeugin für die Polizei) wird am Piccadilly Circus aus dem Hinterhalt erschossen
*
5. Polizeibeamter, der Charles' Verlobte Trudi beschützen soll, wird erwürgt
6. Trudi wird ermordet (wohl erstochen, bleibt aber unklar)
7. Raymond Lyne wird erstochen- siehe
Spoiler
8. Annes' und Olivers' Mutter stürzt, von Keene bedroht, eine Treppe hinunter und stirbt
9. Oliver wird erstochen
10.Keene wird von Ling Chu erschossen-
siehe Spoiler


* Für den Wallace-Film „Die Tote aus der Themse“ (1971) wird die gleiche Szene, inklusive des Falls der Frau in eine Blumentheke, mit anderen Darstellern erneut aufgenommen.


Ups- da verriet das Filmprogramm doch glatt, wer der Meuchelmörder ist...