(35) Veröffentlicht: 17.August 2019

D, 1971 – 89 min.
FSK 12 (bis 1991: FSK 16 ohne Kürzungsauflagen)

Drehzeit: 11.Januar-14.Februar 1971
Kinopremiere D: 30.März 1971
 

Zunächst ist es nur die spurlos verschwundene Leiche der Tänzerin Myrna Ferguson, die scheinbar in einem Hotel erschossen worden war, die Inspektor Craig beschäftigt. Myrna war zugleich Mitglied eines internationalen Rauschgiftrings als auch Spitzelin für Scotland Yard, so daß der Fall oberste Priorität bekommt.
Doch dann muß Craig sich auch noch mit der aus Australien angereisten Schwester der Toten, die auf deren vorherigen Wunsch angereist war und nun auf eigene Faust ermitteln will, herumschlagen, während gleichzeitig sowohl Zeugen als auch Verdächtige in dem Fall in grosser Anzahl erschossen werden. Obwohl auch mutmassliche hohe Mitglieder der Rauschgiftbande unter den Erschossenen sind, geht das schmutzige Geschäft munter weiter. Als sich schliesslich die totgeglaubte Myrna (deren Leiche zwischenzeitlich aus der Themse geborgen zu sein schien) telefonisch bei ihrer Schwester meldet, und sie zu einem Treffen bestellt, läuft die Geschichte auf ihr schreckliches Finale zu…
 
...oder: heute Wallace, morgen "Tatort"!
...oder: Zum Schreien schlecht!


Anfang der Neunzehnhundertsiebziger Jahre: Die wohl insgesamt langlebigste und auch dadurch insgesamt erfolgreichste deutsche Filmreihe (nicht nur ihrer Zeit) war an ihrem Tiefpunkt angelangt- die Zuschauerzahlen waren immer weiter und teils geradezu dramatisch zurückgegangen und der Zeitgeist schien sich nun gegen weitere Wallace-Filme entschieden zu haben. Erfolgsproduzent Horst Wendlandt blieb jedoch (noch) seinem wohl Zweitlieblingskind (neben seinen bereits 1968 eingestellten Karl May-Verfilmungen) treu, entschied sich aber endgültig (obwohl der Vorgängerfilm „Das Gesicht im Dunkeln“, trotz erster Modernisierungen und den italienischen Co-Produzenten geschuldeter Giallo-Anklängen, eine finanzielle Enttäuschung geworden war) für die Fortsetzung des stilistischen Umbruchs hin zum modernen Thriller und beteiligte sich offiziell zugleich massgeblich an der Entwicklung und schliesslich am Drehbuch der Geschichte. Verlässliche Quellen berichten jedoch, er habe letztlich nur grosse Teile eines von Herbert Reinecker um 1968 für die Serie verfassten und nicht berücksichtigten Drehbuches umgeschrieben.
Zwar verzichtete Wendlandt diesmal (letztmals in der Reihe) auf ausländische Mit-Geldgeber, daß er hier dennoch sehr auf den internationalen Markt geschielt hat, ist nicht zu übersehen (so wurde für die Verhältnisse der Reihe relativ viel neues Material tatsächlich vor Ort in London gedreht und der Film sehr auf „modern“ hergestellt). Nur mehr wenig hat der Film mit den manchmal etwas biederen Verfilmungen aus dem Jahrzehnt zuvor zu tun, deren Erfolgsrezept wohl auch war, daß sie oft genug so wirkten, als spielten sie in einem früheren Jahrhundert. Natürlich sind es dennoch und eben auch deshalb zumeist gelungene Krimis, die man sich auch heute noch anschauen und sie geniessen kann, aber nun war halt deren Zeit vorbei und die Reihe musste und sollte aus vielen alten Schemata ausbrechen und das damalige Jetzt erreichen, um weiter an den Kinokassen Geld einzuspielen.


Regisseur Philipp (vorher nicht als besonders origineller Filmemacher aufgefallen) inszenierte hier einen klaren, flotten Thriller ohne Längen (lässt man die etwas trockenen ersten zwanzig Minuten, in denen sich das meiste um die abhanden gekommene Leiche oder eben nicht-Leiche dreht, mal gnädig durchgehen) und verzichtete auf Nebenstränge oder allzu grosse Verwirrspiele, oder klärt diese so schnell auf, daß man als Zuschauer nicht allzulange darüber nachdenken muss. So ist schon nach insgesamt knapp vierzig Minuten klar, wer die Köpfe der Rauschgiftbande sind, und wir können zuschauen, wie diese über ihr weiteres Vorgehen beraten beziehungsweise bald nach und nach ausgeschaltet werden.
Erstmals (der Zeit geschuldet, für viele Wallace-Fans aber bis heute ein Frevel) gibt es (völlig grundlos) nackte Frauenbrüste zu sehen- Schwamm drüber, die Siebziger halt, kurze Zeit später sollten Werke wie der „Schulmädchenreport“ die Leinwände erobern, dagegen ist das hier doch mehr als harmlos.




Der Abschluss des Films ist, gerade für das, was das Wallace-Publikum bis dato gewohnt war, überraschend grausam- nicht unbedingt im Sinne einer übermässig brutalen Szene, aber doch weil quasi in letzter Sekunde ein Teil des Happy Ends platzt. Zwar unnötig, aber als „Clou“ des Films dem Zuschauer ins Gedächtnis gebrannt, ist das nur eine der auffallenden Änderungen zu den meisten bisherigen Filmen der Reihe. Zwar erkennt der erfahrene Wallace-Freund das grundsätzliche Muster der Filme wieder, die Rezeptur aber war nun sozusagen realistischer und vor allem zeitgemässer geworden (vom von Wallace einst geschriebenem damit aber nun endgültig Lichtjahre entfernt).
Unverändert im Konzept liess man nur wenig, wie den integren Inspektor und die hübsche Frau, die bedroht ist und seiner Hilfe bedarf, und natürlich viele fiese Verdächtige (die nach und nach aus dem Leben scheiden müssen). Der Oberbösewicht ist diesmal aber kein maskierter oder Rache nehmender, sondern einfach ein ganz mieser, geldgeiler Typ ohne Skrupel (der auf ausgefallene Mordmethoden verzichtet, seine Opfer einfach abknallt, dessen Entlarvung dann jedoch, wie aus dem Genre bekannt, spät kommt und auch sehr überrascht). Standesdünkelbehaftete Adelige oder arrogante Neureiche fallen weg, und auch der zuvor so oft genutzte typisch-englische Grusel ist hier nirgends mehr zu finden.




Die Rolle des (auch für weitere Einsätze, zu denen es aber nicht mehr kam, vorgesehenen) Ermittlers und Helden übernahm diesmal Publikumsliebling (und wenige Jahre später einer der besten „Tatort“-Kommissare überhaupt) Hansjörg Felmy, der zuvor in drei Bryan Edgar Wallace-Krimis von Wendlandt's Konkurrent Artur Brauner diesen Part übernommen hatte. Er hats zumeist drauf, spielt charmant und entschlossen-selbstbewusst tough, ohne Kumpel-Attitüde, manchmal vielleicht etwas allzu großkotzig auftretend und zu routiniert-gelangweilt redend. Alles in allem ist er ein mehr als nur akzeptabler Ersatz für Joachim Fuchsberger, den Wendlandt danach zwar noch einmal für einen (mehr oder weniger) Wallace verpflichten konnte („Das Geheimnis der grünen Stecknadel“), der aber wohl schon, gelinde gesagt, die Schnauze voll vom doch seit Beginn der Reihe an allzu oft allzu gleichen Charaktertypus hatte.
Uschi Glas ist allerdings kein bisschen überzeugend, ihre stets gleiche, ausdruckslose Gesichtsmimik (egal, was gerade um sie herum passiert, und das ist angesichts des Gefühlswechselbades ihrer Rolle sehr viel) nervt, ihr eher bescheidenes Schauspieltalent machts nicht besser. Selbst, wenn sie nur wimmern und sich anlehnen soll, ist sie völlig überfordert. Es bleibt mir ein Rätsel, warum sie damals so von den Zuschauern geliebt wurde, hier versagt sie und ist völlig fehlbesetzt, gar die bei weitem schlechteste ihrer Art in einem Wallace überhaupt.
Ansonsten aber (immer die grosse Stärke der Wallace-Filme) ist die Besetzung von den Namen wie vom Können her hervorragend (auch, weil zumeist schon Wallace-erfahren): Werner Peters (der ausgerechnet am Tag der Uraufführung starb, und den ich gern als einen der vielseitigsten und besten seiner Generation bezeichne), wenn auch in und mit seiner eher unglaubwürdig-farblosen Rolle tatsächlich sichtlich oft unterfordert; die viel zu oft unter ihren Fähigkeiten eingesetzten Harry Riebauer (heute fast vergessen, hier anfangs als Glas-verehrender Sidekick, später als Retter in der Not, der persönlich durch den Tod seiner Schwester Interesse hat, die Rauschgiftschurken auszuschalten) und Günther Stoll (später als vierter „Derrick“-Assistent nur noch im Krimihintergrund tätig); Vadim Glowna als schmieriger Pressefuzzi (der anhand seiner eigenen Fotos früh erkennt, daß Myrna gar nicht tot sein konnte), Ivan Desny als skrupellosester der drei Schurken und Friedrich Schoenfelder als zwielichtiger Herr im feinen Zwirn.
Siegfried Schürenberg (in seinem 16.Wallace-Film, davon zwölfmal als Scotland Yard-Chef) darf wieder viel schusselig und lustig wirken (macht aber auch das ernste toll)- einen Spassmacher (und schon gar keinen durchgängigen á la Eddi Arent) gibt es in diesem Film nicht (mehr). Peter Neusser, später einer der langlebigen Chefs im „Großstadtrevier“ der ARD, spielt einen Polizeiassistenten, der auch in seinen wenigen Szenen auffällt.
Ingrid Steeger soll noch erwähnt werden, sie hat zwar nur einen kurzen Auftritt, kann aber tatsächlich zeigen, daß sie durchaus Talent hatte. Auch hier allerdings ist sie es, die ihre Brüste in die Kamera halten muss, letztlich bleibt sie (leider) nur dadurch und als spätere Klamaukkomikerin in Erinnerung.


Zwar blieb es auch mit diesem Werk dabei, daß die Traumeinspielergebnisse früherer Wallace-Filme nun nicht mehr erreicht werden konnten, doch die Zuschauerzahlen der „Toten aus der Themse“ waren mit 1,4 Millionen Kinogängern immerhin ansehnlich (und ein wenig höher als zumeist bei den Beiträgen zur Reihe in den späteren Sechziger Jahren). Die zeitgemässe Umsetzung hatte zwar einige ältere Fans abgeschreckt, dafür aber offenbar zum Teil ein neues Publikum gewinnen können.
Alles in allem war Wendlandt dennoch unzufrieden, wandte sich wieder italienischen Mitproduzenten zu und besiegelte damit das bald folgende Ende der Reihe. Die letzten Filme waren letztlich zu sehr italienischer
Giallo als deutscher Wallace, so daß das Zielpublikum hierzulande sie nicht mehr in allzu grosser Zahl annahm.


Ingrid Steeger (mit Vadim Glowna); u.rechts: Peter Neusser in einer starken Assistentenrolle


Fazit:
Insgesamt zu Unrecht oft übersehener, letzter rein deutscher Film aus der (originalen) Wallace-Reihe. Insbesondere das merkliche Ankommen der Reihe in der tatsächlichen Gegenwart der siebziger Jahre macht den Reiz und den Flair des Films aus, dazu eine überwiegend grossartige Besetzung in einer geradlinig-flotten Handlung.
Die meisten Kameraeinstellungen sind noch eher altmodisch, da hätte in manchen Szenen ein bisschen mehr Pep und Bewegung durchaus gut getan. Die Musik ist durchgehend unpassend und langweilig-monoton, was man vom sonst so stilsicheren Peter Thomas bis dato noch nicht geboten bekommen hatte. 


Darsteller:
Hansjörg Felmy (Inspektor Craig)
Uschi Glas (Danny Ferguson)
Werner Peters (William Baxter)
Harry Riebauer (Milton Farnborough)
Günther Stoll (Dr.Ellis, Gerichtsmediziner)
Peter Neusser (Sergeant Simpson, Craigs Assistent)
Ivan Desny (Louis Stout)
Vadim Glowna (David Armstrong)
Siegfried Schürenberg (Sir John, Chef von Scotland Yard)
Friedrich Schoenfelder (Anthony Wyman)
Ingrid Steeger (Kitty)
Petra Schürmann (Susan, Sir John’s Sekretärin)
Lyvia Bauer (Myrna Ferguson/ Stimme: Almut Eggert)
Brigitte Skay (Maggy McConnor, Stouts Freundin)

Friedrich Georg Beckhaus (Benson, Hotelportier)
Gerhard (=Gerd) Frickhöffer (Pennymaker, Hotelportier)
u.A.
 


Regie: Harald Philipp
Drehbuch: Horst Wendlandt (unter dem Namen H.O.Gregor, weil: Horst Otto Gregor Wendlandt), Harald Philipp
Kamera: Karl Löb
Musik: Peter Thomas
Schnitt: Alfred Srp
Produktionsdesign: Johannes Ott
Regieassistenz: Evelyn Siewert
Kostüme: Ingrid Zoré
Make Up: Evelyn Meino, Willi Nixdorf
Produktionsleitung: Herbert Kerz
Ton: Gunther Kortwich
Produktion: Horst Wendlandt, Preben Philipsen (Rialto-Film)




Weder existiert unter diesem oder auch nur einem ähnlichen Titel ein Roman von Edgar Wallace, noch wurden nennenswerte Motive aus einem Roman des Engländers übernommen (allenfalls vereinzelte Fragmente bezüglich der Rauschgiftbande-aufgrund der Handlungsspielzeit des Films in der damaligen Gegenwart stark verändert- aus „Engel des Schreckens“/“The Angel Of Terror“ von 1922. Unter dem Namen „Angels Of Terror“ wurde der Film englischsprachig vermarktet). Die Geschichte wurde (wie oft in der Reihe, und besonders oft in den letzten Jahren derselben) quasi komplett neu für den Film erdacht. Produzent Wendlandt hatte sich schon von Anfang der Reihe an auch die Rechte für diese Vorgehensweise gesichert.
Siehe auch:
Die deutschen Wallace-Kriminalfilme 1959-1972
(Die in diesem Blog besprochenen Filme sind von dort aus verlinkt)


Spoiler:


Myrna wird (in einer der letzten Szenen) in Anwesenheit ihrer Schwester Danny (dann doch und tatsächlich) erschossen.
Polizeiarzt Dr. Ellis ist der Mörder, Susan (die Sekretärin von Sir John) seine Freundin und Mitwisserin. Beschlagnahmtes Heroin tauschte Ellis vor der Vernichtung durch den Yard in Zucker um und verkaufte die Drogen weiter. Seine Konkurrenten (Baxter, Stout, Wyman- die Chefs der Rauschgiftorganisation) und Zeugen (Fotograf Armstrong) schaltete er gnadenlos aus, und auch Myrna, zeitweise seine Komplizin, musste sterben, als er befürchtete, von ihr verraten zu werden.
Am Ende darf Inspektor Craig Danny, die heimkehrt, für einige Wochen nach Australien begleiten, was beide, auch die inzwischen schnell wieder fröhliche Danny, begeistert zur Kenntnis nehmen.
Ende.


Im Trailer gross dabei- die "Titelgeberin", die erst 15 Minuten vor Schluss auftaucht!


Bodycount: (Wenn nicht anders angegeben, durch Ellis erschossen)

- Fotograf Armstrong (Zeuge)
- Ein Gangster, mutmasslicher Mörder Myrna's im Hotel (Mitwisser)
- Wyman (Konkurrent)
- Stout (Konkurrent)
- Unbenannter Mitarbeiter im Schlachthof, von Craig in Zerkleinerungsmaschine geschubst
- Unbenannter Mitarbeiter im Schlachthof, von Craig in Notwehr mit Haken erstochen
- Baxter (Konkurrent)
- Unbenannte weibliche Leiche aus der Themse (Titelgeberin des Films taucht erst 15 Minuten vor dem Ende im wahrsten Sinne des Wortes
auf), eine Prostituierte, die von Ellis ermordet und dann fälschlicherweise/absichtlich als Myrna identifiziert wurde
- Myrna
 
Verräterische Aushangfotos:

Nicht selten bei Wallace-Filmen, daß Werbematerial bereits einiges vorab verriet-
oben eine finale Szene, wenn Craig Dr.Ellis mit seiner Tatwaffe konfrontiert (die man im Film bei seinen Morden gut erkennen kann);
und unten die Szene, wenn Danny am Ende ihre Schwester beweint (was so im Film vorher nicht passieren könnte).