(42/43) Veröffentlicht: 08.September 2019

> Darsteller, Stab, Plakate, Spoiler, Bodycount Film 1 (1971)
> Darsteller, Stab, Plakate, Spoiler, Bodycount Film 2 (1972)
 


Die Handlung beginnt im London des Jahres 1925:
Der einst weltberühmte Organist Anton Phibes, ein Doktor sowohl der Musikwissenschaften als auch der Theologie, verlor vor vier Jahren seine über alles geliebte Frau Victoria bei einer Operation, für deren schrecklichen Verlauf er die Ärzte als verantwortlich ansah. Er schwörte Rache, verünglückte jedoch kurz darauf scheinbar tödlich bei einem Autounfall. Aber Phibes überlebte und im Verborgenen (in einem geheimen grossen Keller seines Hauses) bereitete er alles für seine Rache an den Ärzten vor.
Sein Gesicht jedoch ist bis zur Unkenntlichkeit verbrannt, weshalb er zumeist eine Maske trägt. Mund und Nase sind irreparabel zerstört. Eine künstliche Öffnung im Nacken ermöglicht ihm die Nahrungsaufnahme, ein am Hals bei den Stimmbändern angebrachtes Mikrophon und ein damit verbundener Verstärker das Sprechen…


Ihr Auftritt, Dr.Phibes


Die Rolle des Dr.Phibes wurde Vincent Price geradezu (und auch tatsächlich) auf den Leib geschrieben, denn von Anfang der Filmplanungen an war er für die Rolle vorgesehen gewesen. Eine kluge Entscheidung der Verantwortlichen, denn hier läuft Price zu seiner absoluten Höchstform auf, und es ist nicht übertrieben, die beiden Filme unter die besten Darstellungen seiner Karriere einzuordnen (vor allem neben Roger Corman's Poe-Adaptionen aus den Neunzehnhundertsechzigern, oder auch „Theater des Grauens“ aus dem Jahr nach den Phibes-Werken, auch ein Rächerfilm übrigens).

Als Phibes darf er sich regelrecht austoben, hier ist er der charismatische Chef im Ring, und trotz toller Ensembles um ihn herum, ist es doch er, der den Filmen einen unvergesslich-unvergleichlichen Stempel aufdrückt. Mit nur wenig Mimik (sein Gesicht ist aufgrund der Maske des Charakters starr, oder man sieht es darunter eben verbrannt) zeigt er all die Liebe und all den Hass, die seine Figur ausmachen. Und obwohl er seiner direkten Stimme beraubt ist (Price bewegte beim Dreh nur die Halsmuskulatur, seine Stimme wurde von ihm, im Original etwas verzerrt, nachsynchronisiert) meistert er auch diese Einschränkung grandios.
Er gibt das arrogante und daher stolzierende Genie so glaubhaft wie den vom Hass besessenen offenbar Wahnsinnigen, und ist trotz all seiner Boshaftigkeit (die sich ja „nur“ gegen die richtet, die ihm nach seiner Überzeugung das Liebste genommen haben beziehungsweise ihn daran hindern wollen, Victoria wieder ins Leben zurückzuholen) uns doch sympathisch, wir leiden mit, wenn er trauert, er hat unser Mitgefühl (was ohne Frage auch der ausgeklügelten Geschichte an sich zu verdanken ist). Er ist vor allem eine tragische Gestalt, eine traurige, dem das ihm wichtigste im Leben genommen wurde, und der verzweifelt versucht, das wieder rückgängig zu machen.
Allein Vincent Price lohnt das Anschauen, doch auch das gesamte Drumherum ist ein grosses Vergnügen- Horror at its best, plus eine kräftige Schippe schwarzen Humors, und viele ziemlich bizarre Ideen (auch, was die Morde angeht).

Film Eins schildert den Rachefeldzug des (laut Originaltitel „abscheulichen“) Dr.Phibes gegen die neun Personen, die bei der Operation seiner Frau, geleitet von Dr.Vesalius, dabei waren. Seine Mordmethoden basieren hier auf den zehn biblischen Plagen, die Moses einst dem Pharao von Ägypten bescherte. Dank seiner ihm treu ergebenen, stets schweigenden Gehilfin Vulnavia (von der man nicht erfährt, woher sie kommt und wie man sich kennengelernt hat) zieht Phibes (gerne mit der „Hilfe“ von lebenden Tieren) eine schreckliche Blutspur durch London (Einzelheiten siehe im Spoiler, der Horrorfreund mag ja die Vorfreude), und es dauert eine ganze Zeit, bis die (mit Ausnahme Inspector Trout's nicht immer ganz helle) Polizei die Zusammenhänge erkennt und ihm auf die Spur kommt- was aber noch lange nicht heisst, daß man ihn aufhalten, oder gar die Gefährdeten schützen kann. Phibes ist immer allen voraus...

Joseph Cotten versus Vincent Price

Die ersten abgefahren-exzentrischen zehn Minuten wird uns Phibes vorgestellt, ohne daß er sein Gesicht zeigt, kommt er fast affektiert eine Art von Showtreppe herunter, zelebriert seinen Auftritt nur für sich, spielt die Orgel und dirigiert sein mechanisches Orchester, tanzt mit Vulnavia. Erst dann zeigt er uns sein Gesicht. Eine halbe Stunde Handlung gar dauert es, bis er die ersten Worte spricht, und im Folgenden dann zumeist nur mit dem Foto seiner toten Frau. Ein normaler Titelheld ist das nicht, das ist von Beginn an klar.
Die Geheimräume des Dr.Phibes sind eine fantastische (und riesige) Kulisse- quietschbunt bis fast an die Reizüberflutung heran, fragt man sich zwar, wie er das alles so hinbekommen hat, aber seis drum. Man geniesse, daß keinerlei Studioatmosphäre aufkommt, die in manch anderen Szenarien des Films allerdings nicht zu kaschieren war.


Joseph Cotten spielt lange etwas zu bedacht, erst spät dreht er auf, nämlich, als sein Erstgeborener zum Opfer werden soll, doch Phibes ihm eine (so wie er es ausdrückt) „faire Chance“ gibt, das zu verhindern; Virginia North als Vulnavia überzeugt, auch wenn ihre Motivation im Dunkeln bleibt; das „Team von Scotland Yard“, insbesondere Peter Jeffrey als emsiger Trout und John Cater als muffeliger Chef, könnte unterschiedlicher nicht charakterisiert sein, aber unterhält, inklusive seines Dilettantismus, famos; dazu viele (kurze) Sidekickauftritte von Kalibern wie Terry-Thomas (stirbt leider viel zu schnell, von seinem obskure Super 8-Filme schauenden Arzt würde man gerne noch mehr sehen), Hugh Griffith als Rabbi, der der Polizei weiterhilft; oder Peter Gilmore als Opfer, der es mit hässlichen Nagern im Cockpit zu tun bekommt. Kurzum: Bis in die Minirollen perfekt besetzt, dazu unaufgeregt bebildert, ruhig geschnitten, und mit mehr schmissigen Melodien aus den Zwanziger Jahren unterlegt, als mit einem „normalen“ Filmscore.

Der Film verzichtet tatsächlich auf übermässige Darstellungen der Brutalitäten, doch aufgrund der Intensität der Szenen wundert man sich doch, warum der Film inzwischen eine FSK 12 hat. Dem kann ich nicht zustimmen, zumal der Nachfolger, meiner Meinung nach nicht exzessiver, noch immer als 16er vertrieben wird. Oder anders: Eher nicht mit Zwölfjährigen anschauen!

Film Zwei spielt drei Jahre nach den Ereignissen des ersten. Wie von ihm vorausgeplant, erwacht Dr.Phibes aufgrund einer bestimmten Planetenkonstellation aus dem Tiefschlaf, und macht sich sofort daran, seinen nächsten Plan umzusetzen. Er will Victoria von den Toten erwecken, indem er in Ägypten den sagenumwobenen, unterirdischen „Fluss des ewigen Lebens“ aufspürt. Mit seiner (diesmal wie aus dem Nichts auftauchenden) Gehilfin Vulnavia und dem Körper seiner toten Frau geht er auf die Reise. Der Archäologe Biederbeck allerdings hat ein ähnliches Vorhaben, auch er will den Fluss finden, jedoch aus Eigeninteresse. Und auch Phibes' alter Widersacher Trout bekommt Wind von der Sache, und reist mit seinem Vorgesetzten Waverley ebenfalls nach Arabien, wo man sich in die Quere und es im Verlauf zu diversen Todesfällen unter Biederbeck's Mitarbeitern kommt...

Nach einem kurz-knappen (aber ausreichenden) Rückblick auf den ersten Film fallen uns hier schon früh frappierende Unterschiede zum Vorgänger auf: Phibes redet jetzt viel mehr, was tatsächlich trotz einer noch grösseren Fixierung auf ihn als Hauptperson nicht nötig gewesen wäre; und die Handlung ist schwächer, etwas gestreckter und teils wird es sogar etwas anstrengend, ihr zu folgen (besonders in den letzten Minuten). Das ist schade, aber gleicht sich einmal etwas aus, da man wieder für aufregende Dekors gesorgt hat (wie auch immer Phibes es diesmal wieder hinbekommen hat: nun ist sein Interieur aus dem ersten Film in Ägypten in einer Höhle gelandet); und zum zweiten fällt Phibes auch in der Wüste wieder manch ausgefallene Mordmethode ein, was den Genrefreund entzückt.

Auch in Ägypten mags der Doktor exzentrisch

Robert Quarry als Phibes' (lange ebenbürtiger, weil skrupelloser) Gegenspieler agiert souverän, obwohl ihm als Bösewicht doch etwas die Facetten fehlen; Hugh Griffith als sein Kollege (wieder einer, der zu früh abnippelt) und Terry-Thomas (auch in einer anderen Rolle als in Film Eins) sind wieder die tollen Sidekicks; das Polizeigespann Jeffrey/Cater sorgt wieder für Aufheiterungen, das aber zu kurz; und Caroline Munro (in Film Eins bis auf die Schlussszene nur auf einem Foto dabei) macht selbst als Leiche eine tolle Figur. Valli Kemp als (neue) Vulnavia aber bleibt auch bei fast kopierten Szenen im Schatten ihrer Vorgängerin.

Film Zwei leidet ausserdem an der nun fast anstrengend dramatischen Musik (diesmal leider ein normaler Score) und mehreren hektischen Schnitten, die geradezu irritieren. Trotzdem- auch angucken, wäre sonst zu schade um die Schauspieler.

Fazit:
Bizarr, skuril, mit vielen gemeinen Lachern, klasse gespielt, optisch ein Hammer, und Vincent Price als eine der wohl ungewöhnlichsten Figuren des Genres- mehr geht kaum und Film Eins ist ein Meisterwerk ohne Fehl und Tadel;
Film Zwei ist zwar eine würdevolle Fortsetzung, aber kein weiteres Meisterwerk- den will man jedoch deswegen gesehen haben, weil es interessiert, wie es mit dem bösen, wunderlichen Mann weitergeht. Leider lahmt der Film an einigen Stellen und die Handlung mag enttäuschen. Auch der schwarze Humor seines Vorgängers fehlt, einzig die Rededuelle zwischen den Polizisten Trout und Waverley erreichen in dieser Sache das Niveau des ersten Films.


Er will doch nur sie!
Auf Grundlage von Interviews mit Vincent Price und Regisseur Robert Fuest ist bekannt, daß es mehrere konkrete Pläne für einen dritten Teil gegeben hat. Offenbar war aber in allen Fällen die Produktionsfirma an einer Fortsetzung nicht interessiert, warum genau, ist unbekannt, finanzielle Gründe sind wohl anzunehmen.
Es wurden Skripte erstellt, auch von den Drehbuchautoren des ersten Films, von denen zum Teil auch Inhalte bekannt wurden. So sollte Phibes in „Phibes Resurrectus“ auf Nazis treffen, die von ihm das Geheimnis des ewigen Lebens erfahren wollen, oder in „The Seven Fates Of Dr.Phibes“ mit der griechischen Mythologie und ihren Göttern in Berührung kommen.
Price sprach mehrfach von einem Drehbuch mit dem Titel „Dr.Phibes In The Holy Land“, das er zu seinem persönlichen Favoriten für einen weiteren Film erklärte.


> Darsteller, Stab, Plakate, Spoiler, Bodycount Film 1 (1971)
> Darsteller, Stab, Plakate, Spoiler, Bodycount Film 2 (1972)