(1) Veröffentlichung: 02.Januar 2019

Filmdaten:
D/Italien, 1972
Ursprüngliche Originallänge: Mindestens(!) 98 min./Mehrere Quellen sprechen von (bis zu) 104 min.
Kinofassung Italien: 98 min.; Kinofassung D: 94 min./Damals FSK 18
Inzwischen ist auch in D die Fassung von 98 min.veröffentlicht/Neubewertung: FSK 16
Italienischer Titel: Violenza contro la Violenza (=dt.: Gewalt gegen [die] Gewalt)

Drehzeit: 8.Februar - Zweite Hälfte März 1972 (in München und Umgebung)
Kinopremieren: D- 28.April 1972; Italien- 6.Februar 1973


Inhalt:
"Die hier gezeigten Ereignisse beruhen auf ähnlichen Begebenheiten der jüngsten Zeit. Aus naheliegenden Gründen wurden Fakten und Namen geändert. Mit der Wesentlichkeit gewisser Realitäten hat dies nichts zu tun." (Vorspanntext)

Nach seiner gewaltsamen und sehr brutal-blutigen Befreiung aus dem Gefängnis plant der skrupellose Schwerverbrecher Heinz Klett (Maxime: „Hemmungen und Rücksicht Null!“) sofort die nächste Tat, die sein abschliessendes Meisterstück werden soll- zusammen mit seinem italienischen Kumpel Luigi (den italienischen Co-Produzenten war wohl ein italienischer Charakter geschuldet, der dann auf den dortigen Plakaten sogar an die erste Stelle rückte), dessen Freundin Heidi, und deren Bruder Christian (der, untergetauchter Bundeswehrdeserteur, als letzter zu dem Quartett hinzukommt und Klett als einziger wirklich gewachsen zu sein scheint) will er eine Bank ausrauben. Sie alle haben die Schnauze voll vom Leben in Deutschland und wollen sich vom Acker machen.
Doch der Coup verläuft nicht ganz so wie geplant, und die Gangster müssen in der Bank Geiseln nehmen. Sie erpressen Geld („dank“ der Anwesenheit der Millionärstochter Marion Lotzmann sind es schliesslich vier Millionen DM) und einen Fluchtwagen, und gehen mit dreien ihrer Geiseln (Marion, Dagmar Neuss und dem sich ihnen aufgrund seiner verzweifelten privaten Situation mehr und mehr anbiedernden Ernst Pylobar) auf die Flucht. Doch auch auf dieser geht einiges schief...

(Fortsetzung und Bodycount ganz unten) 

Hintergründe/Bewertung:
Man muss und man darf es auch so hart ausdrücken: so richtiges Actionkino konnte Deutschland nie. Und wenn entsprechende Szenen in Filmen eingebaut wurden, wirkten sie doch zumeist allzu brav, bieder dargebracht und oftmals aufgesetzt. In den fünfziger Jahren war neben dem Heile-Welt-Kintopp sowieso kein Platz, im Jahrzehnt danach wirkten die Kampfszenen selbst in Wallace- und Karl May-Filmen mehr durchchoreographiert als echt (wobei auch manche Ausnahme diese Regel bestätigt), und in den Siebzigern war dann zumeist nur Platz für Altherrenklamauk und zotige Erotikfilmchen.
Wenn es mal rappelte (beziehungsweise rappeln sollte), dann war das nie wirklich überzeugend. Und die Versuche, mit dem Aufblähen von Schimanski-Fernsehtatorten auf die grosse Kinoleinwand in den Achtzigern, die blieben doch mehr als zaghaft und letztlich zu sehr an ihrer auch-Fernsehtauglichkeit orientiert, um wirklich die Kinoleinwände zu rocken.
Mal ein Knaller im U-Boot, mal im Aufzug (auf engem Raum gings dann doch mal zur Sache), ansonsten aber nur gerne überschätztes maximales Mittelmass und in letzter Zeit immer wieder dieser nervige und unbegabte Schweiger-Mist.
So richtig passte das
nie zusammen, Deutschland und Actionkino, und gar eine Tradition des deutschen Actionfilms, die wurde wohl nie zustandegebracht.
Ein paar wenige (manchesmal allerdings fast rührige bis peinliche) Versuche gab es Anfang bis Mitte der Siebziger Jahre, wohl auch als Reaktion auf den damals so schnell boomenden Krimimarkt im Fernsehen, doch zeigte sich, daß das deutsche Publikum diese Art von einheimischen Filmen nicht in allzu grosser Anzahl annahm. Die Zuschauerresonanz war mehr als unbefriedigend, die Kosten für die Herstellung der Filme kamen zumeist nicht wieder in die Kassen der Produzenten zurück (beziehungsweise motivierten Minigewinne nicht zum Weitermachen). Der internationale Markt blieb, abgesehen von einzelnen Co-Produktionen zumeist mit italienischen Firmen (Paradebeispiele sind hier die in Deutschland als Wallace-Filme vermarkteten Werke, die doch fast durchgehend typisch italienische Giallos sind) fast gänzlich unerreichbar. Der deutsche Zuschauer bevorzugte weiterhin Action á la Hollywood oder die Krimis im rede- statt aktionslastigen Fernsehprogramm (zugegeben, letztere Art beherrschte man bei uns besonders gut).

Immerhin aber wurde dann doch wenigstens mit „Blutiger Freitag“ im Jahr 1972 ein inländisches Meisterwerk des Actionkinos geschaffen. Regisseur Rolf Olsen (1919-1998), vor allem bekannt durch seichte Schlager- und sonstige Komödien, aber mit „Der letzte Ritt nach Santa Cruz“ schon 1963 tatsächlich ein (leider von vielen Kinogängern übersehener) Vorreiter des (heftigen) Italowesterns, gelang ein wirklich knallharter und dreckiger Krimi- in seiner drastischen Zeigefreudigkeit sogar bis heute selten, in seiner Klasse und seinem konsequenten Realismus ebenfalls. Ein Grossteil des Publikums war jedoch schockiert, der kommerzielle Erfolg blieb dem Film versagt, selbst die englischsprachige Version erhielt mehr Aufmerksamkeit, und der Film wurde „nur“ zu einem Klassiker der damals noch populären, berühmt-berüchtigten Bahnhofskinos.
Für eine Fernsehausstrahlung kam er für die dafür Verantwortlichen nie in Frage, so daß der Film mit den Jahren leider nahezu völlig in Vergessenheit geriet. Fans sorgten schliesslich (und das erst 2015) mittels Crowdfunding dafür, daß der Film überhaupt erhalten und auf neuen Medien veröffentlicht werden konnte. Ein grosser Dank dafür!




Hier geht es von der ersten Minute an direkt zur Sache. Zurückhaltung ist nicht die Prämisse des Films. Brachial und gnadenlos mit jedem, der sich ihnen, absichtlich oder unabsichtlich, in den Weg stellt, gehen die Gangster vor. Ihre Gewalt ist kaltblütig, realistisch und authentisch, der Schmerz der von ihnen aus dem Weg geräumten wird gezeigt und ist förmlich spürbar. Doch ist der Film nie brutal um der (für die Zeit sehr guten, vor allem Make Up-) Effekte willen und letztlich ist die Gewalt auch nie wirklich übertrieben- der Film ist einfach authentisch, so eben, so genau, ist das Leben dieser Verbrecher. Rücksichtslos, gefühllos, schadenfroh lachend und menschenverachtend kommentierend, in einer Atmosphäre ständiger Gewalt, schiessen und schlagen und vergewaltigen sie- vor allem Raimund Harmstorf als Klett.
Wer Regisseur Olsen hier vorwirft, er verherrliche die Verbrecher, der hat den Film nicht verstanden, der hat Actionkino nicht kapiert. Olsen allerdings legte wohl auch damals nicht unbedingt Wert darauf, verstanden zu werden, zu bodenständig und illusionsfrei ist sein Reisser, und immens blutig.

Die Kamera ist stets nah dabei, Grossaufnahmen immer wieder gern genutzt (das Licht allerdings manchmal etwas zu grell, was an der späten Verarbeitung des Kinomaterials auf andere Medien liegen mag), und der Schnitt ist schnell und genau auf den Punkt- handwerklich geht auch da nichts besser.
Und dazu der als Fernseh-„Seewolf“ erst ein Jahr vor diesem Film weit bekannt gewordene Raimund Harmstorf in seiner wohl besten und ihm geradezu auf den Leib geschneiderten Rolle. Man glaubt ihm den Gefährlichen, den Macho, das Drecksschwein, den Menschenhasser, unfassbar überzeugend mit jeder Nuance seines Spiels. Und doch war er wohl privat ein ganz anderer Mensch (warum auch nicht), und nach vielen privaten und beruflichen Problemen (den „Seewolf“ wurde er nie ganz los, und verdingen musste er sich dann schliesslich in Schmonzetten wie der „Schwarzwaldklinik“ als Lover von Evelyn Hamann), beging er 1998 im Alter von erst 58 Jahren Selbstmord- in der Nacht, nachdem eine grosse deutsche Boulevardzeitung über seine immer zunehmenderen psychischen Probleme berichtet hatte.


Trotz Harmstorf's Überpräsenz in dem Film (die dem Werk nicht schadet, weil es eben vor allem auf ihn zugeschnitten ist), zeigen sich auch die anderen Hauptdarsteller hier in Bestform und bieten zudem eine bemerkenswerte Ensembleleistung- weit über dem, was man von den Darstellern ansonsten so gewohnt war, und fernab ihrer üblichen Rollenklischees. Der „ewige Draufgänger“ und viel zu oft unter seinem Können besetzte Frauenschwarm Amadeus August (1942-1992) spielt hier tiefgründiger denn je, endlich einmal wirklich gefordert als Schauspieler (und genau das nutzend); die sonst meist als „brav“ besetzte Christine Böhm (1954-1979) als toughe und intelligente Ganovin; Deutschlands Fernseh-Liebchen von Weitershausen wandlungsfähig wie sonst nie; und auch der eher als Kölner Karnevalsulklegende bekannte Ernst H.Hilbich in seiner wohl einzigen ernsten Rolle- er ist grossartig zwischen seiner Verzweiflung angesichts seines persönlichen Schicksals, dem Entschluss sich den Gangstern anzuschliessen und letztendlich als arme Wurst, wenn genau die ihn abservieren. Auch Gianni Macchia als manchmal eher unfreiwillig brutaler, oft sensibler, aber immer verlässlicher und treuer Kumpel spielt fabelhaft.

Fazit:
Schonungsloser und bis heute der „politisch unkorrekteste“ Film aus deutscher Produktion (inklusive schnell misszuverstehender und sehr heftiger Äusserungen gegen Ausländer zum Beispiel- die Szenen dienen jedoch vor allem dazu, den Zeitgeist von damals zu schildern und Luigis' Beweggründe, Deutschland- auch um den Preis seiner kriminellen Aktion- zu verlassen, nachvollziehbar zu machen).
„Blutiger Freitag“ ist in meinen Augen geradezu der einzige deutsche Actionfilm, der diese Genrebezeichnung wirklich und ohne Einschränkungen verdient. Ein Knaller, in jeder Hinsicht, bis zum und inklusive des furiosen Finales!
Lediglich die aufdringlich-unpassende (und auch viel zu fröhlich-swingende) jazzige Musikuntermalung ist, jedesmal wenn sie vorkommt, mindestens gewöhnungsbedürftig- tatsächlich soll ihr Einsatz im Film ursprünglich sogar noch länger geplant gewesen sein (worauf die Gesamtdauer des Soundtracks und verschiedene Angaben zur Originallänge des Films hindeuten- siehe Laufzeiten oben).
Die so spät restaurierte Fassung glänzt, ausser in den ersten Minuten, wo es ein bisschen „schnarrt“, mit einwandfreiem Ton und zumeist einwandfreiem (siehe oben) Bild.


Darsteller:
Raimund Harmstorf (als Heinz Klett) -Stimme: Klaus Kindler
Amadeus August (als Christian Hofbauer)
Gianni Macchia (als Luigi Belloni)
Christine Böhm (als Heidi Hofbauer)
Gila von Weitershausen (als Marion Lotzmann)
Daniela Giordano (als Dagmar Neuss) -Stimme: Helga Trümper
Ernst H.Hilbich (als Ernst Pylobar)
Walter Buschhoff (als Werner Lotzmann, Marions Vater) -Stimme: Horst Sachtleben
Renate Roland (als Helga Radtke, Bankangestellte)
Horst Naumann (als Dr.Mayer-Lippe, stellv.Polizeipräsident)
E.O.Fuhrmann (als Oberstaatsanwalt)
Ottone Mignone (als Stevo)
Willy Schultes (als Imbissbetreiber)
Rolf Olsen (als Tankstellenkunde)
u.A.
 


Da der Film nicht komplett mit Liveton hergestellt wurde, war eine nachträgliche Synchronisation auch für die deutsche Kinofassung nötig. Mehrere Darsteller standen dafür offenbar nicht zur Verfügung, so daß andere Schauspieler deren Stimmen übernehmen mussten (Raimund Harmstorf war das schon in seiner Paraderolle als „Seewolf“ so passiert). Dieses „Voice dubbing“ ist im Falle dieses Films rundum gelungen, und fällt kaum auf (die Lippensynchronizität ist vom Feinsten). Daher kann ich allerdings auch nicht dafür garantieren, daß wirklich nur die oben mit Sprecher angegebenen Darsteller nach-gesprochen wurden und alle anderen mit ihren eigenen Stimmen zu hören sind, das müsste mal jemand mit dem perfekten Gehör versuchen, nachzuvollziehen; bei Gila von Weitershausen bin ich mir zum Beispiel relativ sicher, daß es nicht ihre Stimme ist, allerdings gibt es dazu keine auffindbaren (verlässlichen) Angaben.
 


Stab;
Regie und Drehbuch: Rolf Olsen
Italienische Drehbuchdialoge:
Valeria Bonamano (ungenannt)
Musik: Francesco De Masi

Kamera: Francis (=Franz X.) Lederle (Assistenz: Ernst Stritzinger)
Schnitt deutsche Version: Eva Zeyn, Mimi Werkmann
(Italien: Amadeo Giomini)
Bauten: Heinz Eickmeyer
 

Szenenbild: Peter Eichler, Lothar Kuba
Ton: Peter Beil
Masken: Fritz Seyfried, Eva Uhl
Regieassistenz: Robert Furch
Aufnahmeleitung: Friedrich K.Grund, Otto Retzer - Produktionsleitung: Günter Eulau
Produktion: Karl Spiehs


(Kinoplakat Italien)
Spoiler:
Mit dem durch den Hund des von ihm erschossenen Polizisten (siehe Bodycount/5.) schwer verletzten Luigi und einem entführten Arzt suchen die Gangster und ihre Geiseln Unterschlupf in einem stillgelegten Lokal im Wald. Doch es kommt zu Spannungen innerhalb der Gangstergruppe (so verhilft Christian der Marion, in die er sich verliebt hat, bewusst zur Flucht). Während Klett Dagmar vergewaltigt*, kann der Arzt entkommen und die Polizei informieren. Beim anschliessenden Sturm des Lokals durch die Polizei kommen alle Gangster ums Leben... Ende.


Bodycount:
1. Bei ihrer Flucht nach einem Überfall auf einen Militärtransporter, bei dem sie für den Bankraub notwendige Waffen erbeuten, überfahren die Gangster einen unbeteiligten Passanten. Letztlich ist es Luigi, der den Mann, der sich noch am PKW festhält, in den Tod schubst.
2. Eine von den Gangstern geworfene Handgranate gerät in die Finger eines Kindes. Ein Polizist stürzt sich in letzter Sekunde auf die Handgranate und wird von dieser zerfetzt (einer der heftigsten Make Up-Effekte des Films). Das Kind überlebt.
3. Eine der Geiseln, eine Angestellte der Bank, erleidet einen Herzinfarkt und stirbt schliesslich daran.
4. Heidi erschiesst versehentlich den von ihr im Unterschlupf nicht erwarteten Stevo, den eigentlich als dritten Mann (statt Christian) für den Bankraub vorgesehenen italienischen Kumpel von Luigi und Klett. Dieser war bei der Befreiung von Klett aus dem Gefängnis von der Polizei geschnappt und nun aber überraschend freigelassen worden.
5. Ein Polizist, der zufällig am Ort des Fahrzeugwechsels der Gangster bei ihrer Flucht auftaucht, wird von Luigi erschossen.
6. Dagmar Neuss wird von Klett erwürgt.
7. Bei Heidis Versuch, ihrem Freund Luigi seine Pistole zu entreissen, löst sich ein Schuss, der Luigi tötet.
8.-10. Heidi, Christian und Klett werden im Finale von der Polizei erschossen (unklar bleibt, ob und wieviele Polizeibeamte bei der Aktion zu Tode kommen).


* Die (früher nur in der italienischen Fassung, in der deutschen Kinofassung wurde sie herausgeschnitten) durch fast pornographische Lesbenszenen unterlegte Vergewaltigungsszene ist wohl bis heute eine der umstrittensten des Films. Schon vorher deuten Schnitte auf die betonten Genitalien Harmstorf's und vor allem seine sexistischen Sprüche mehr als nur an, daß sein Filmcharakter Klett Frauen wohl nur als Sexobjekte ansieht. Die heutige FSK 16-Einstufung der restaurierten Fassung zeigt, daß sich die Einschätzung einer solchen Szene gewandelt hat- damals Skandal, heute Teil eines Gesamtkunstwerks und entscheidende Charakterzeichnung der Hauptfigur.

(Kinoplakat der englischsprachigen Fassung)