(21) Veröffentlichung: 17.Mai 2019

DER LETZTE RITT NACH SANTA CRUZ
D/Österreich, 1963 – 93 min. – FSK 18
Kinopremieren: D und Österreich- 28.März 1964
Die Aussenaufnahmen des Films entstanden nicht, wie bei deutschen Western der Zeit durchweg üblich, in Kroatien, sondern bereits im später bei den Italowestern meist genutzten Spanien


New Mexico, 1902.
Unmittelbar nachdem er nach zwei Jahren aus dem Gefängnis entlassen wurde, legt Pedro Ortiz direkt wieder mit einer Schandtat los. Ohne Rücksicht auf Menschenleben ballert er seinen jungen Kumpel Carlos aus dem Knast frei (
wobei schon hier, was sich durch den gesamten Film hindurchzieht, die für den Film wohl erfundenen Supercolts zum Einsatz kommen, die man nie nachladen muss). Dann sammelt er wieder seine Gang um sich: seine Geliebte Juanita und die ebenso wie Ortiz skrupellos-menschenverachtenden José und Fernando. Eher durch Zufall stösst noch Woody, der Ortiz von nun an ihn bewundernd und fast sklavisch zur Seite steht, zu der Gruppe. Bevor man eine versteckte Beute, die am Berg Santa Cruz versteckt ist, einsammelt, will sich Ortiz noch am (inzwischen ehemaligen) Sheriff Kelly rächen, der ihn in den Knast brachte. Er entführt dessen Frau und Sohn und zwingt Kelly dazu, eine Bank auszurauben, nur, um dann doch mit Kelly's Angehörigen abzuhauen. Kelly folgt den Gangstern und in der Wüste Neu-Mexikos kommt es fortan zu diversen brutalen Auseinandersetzungen, auch der Gangster untereinander... 

(Spoiler siehe unten)



Wurde der in Österreich geborene Regisseur und Autor (und auch nicht nur in seinen eigenen Filmen als Schauspieler tätige) Rolf Olsen (1919-1998) zwar vor allem kommerziell (nicht unbedingt künstlerisch) erfolgreich und bekannt durch seine seichten Komödien und Schlagertralalafilmchen á la die „Unsere tollen Tanten“-Reihe (5 Filme von 1961-1973), „Wenn Du bei mir bist“ (1970) und harmlosen Erotikfilmchen wie „Ein Kaktus ist kein Lutschbonbon“ (1981), so gelang ihm jedoch auch das Kunststück, sowohl den vielleicht einzigen echten deutschen Actionfilm abzuliefern („Blutiger Freitag“, 1972, dem nichts vergleichbares folgen sollte), als auch diesen Western, der ohne Frage filmhistorisch gesehen zu einem erkennbar entscheidenden Vorreiter des Italowesterns wurde- wenn man das mal nicht Vielseitigkeit nennen kann.
Im Jahr eins nach dem „Schatz im Silbersee“ und damit dem ersten (megaerfolgreichen Karl May-) Western aus deutscher Produktion war es wohl nicht schwer gewesen, einen „Konkurrenzwestern“ finanziert zu bekommen. Man hätte es sich jedoch sicherlich leichter machen können, wäre man hier dem (zeitgemässen) Mainstream gefolgt. Doch das war nicht Olsen’s Ding- wenn er schon etwas anderes als sein vor allem später „übliches“ Werk erbrachte, dann auch richtig. Und ohne Kompromisse. Eben keinen abgekupferten „Rip-Off“, sondern einen nicht nur vollkommen eigenständigen, sondern vor allem ganz speziellen und sehr düsteren Western. Einen ohne glorifizierte Überhelden, und vor allem einen, in dem es zur Sache geht, hart und realistisch, ungewöhnlich heftig für die damalige Zeit, ungewöhnlich heftig für das Genre, besonders, aber nicht nur, in Deutschland. Leider mit der fast logischen Konsequenz, daß dem Film kein kommerzieller Erfolg beschieden war, und ihn dazu die Kritiker auch noch fast durchweg verrissen.
Hier sind die Bösen im Vordergrund und sie sind dreckig und gnadenlos mit jedem, der ihnen im Weg steht (und sie kommen hier nicht in feinem Zwirn und mit feinen Umgangsformen daher). Sie sind unsympathisch, und bemühen sich auch gar nicht, einen anderen Eindruck zu machen. Und trotzdem fiebert der Zuschauer mit ihnen mit und steht tatsächlich schnell mal auf ihrer Seite. Sie sind keine Randfiguren, die gegen die „Guten“ (die in diesem Film übrigens auch meistens nicht ganz koscher sind und sich auch nicht immer so verhalten) keine Chance haben, sondern (zumindest lange) das Zepter in der Hand halten (im Gegensatz zu Karl May, wo man von Anfang an weiss, daß das „Gute“ siegen wird, bleibt das hier lange offen). Auch sonst sind der Parallelen mit „Blutiger Freitag“ viele, so auch, daß die Banditen auch mit Frauen nicht zimperlich umgehen.

In Italien als (zu deutsch) "Die lange Strasse der Rache" ein Achtungserfolg, den so mancher spätere Italowesternregisseur gesehen haben mag.
Die (hochkarätige und fast allesamt grossartig aufspielende) Schauspielerschaar darf sich mal so richtig austoben.
Man sieht Mario Adorf hier förmlich an, wie er sich später bei „Winnetou 1“ zurückhalten musste, und welch fast erschreckend guter Fiesling er sein kann; und gegen den Kinski, wie er hier (in seinem ersten Western überhaupt) spielt, und später dann noch in so manchem Italowestern, ist sein üblicher Charakter bei den Wallace-Filmen ein harmloses Kindchen. Den späteren „skandalumwitterten“ „Tatort“-Kommissar Sieghardt Rupp (ohne Frage in dieser Fernsehrolle ein Vorbild für die Figur "Schimanski") sieht man hier schon mal den schnoddrigen üben; und Walter Giller darf zeigen (was er viel zu selten durfte), daß er weit mehr konnte als nur lustig sein (und er erweist sich dazu im Finale sogar als gar nicht mal
so böse). Und daß eine der bei Filmen des Genres oft üblichen „Alibifrauen“ hier auch zu den Gaunern gehört- klasse Einfall, zudem Marisa Mell bis dato auf "bravere" Rollen und solche als Nebenrollenschönheit abonniert gewesen war. Der, der hier den „Guten“ (Helden kann man ihn eher nicht nennen) verkörpern soll, Edmund Purdom (zugleich der einzige nicht-deutschsprachige Hauptakteur im Film, und Zeit seines Lebens eher im italienischen Kino zu Hause) geht dabei zwangsläufig etwas unter, auch ist die Rolle an sich oft schon recht passiv angelegt, aber das gereicht dem Film nicht zum Nachteil- als Gegner der Banditen macht er seine Sache doch recht ordentlich, wenn er auch lange mal nicht auftaucht.
Nur Thomas Fritsch ist ohne Ecken und Kanten, zu bübisch, gegen ihn ist selbst der kleine Sohn Kelly's tough; und Marianne Koch erscheint bei ihren paar Sätzen fast unverschämt gelangweilt.
Die (lediglich manchmal auch an einigen entscheidenden Stellen etwas zu abrupt ablaufende) Handlung (erdacht von Herbert Reinecker, ja, genau dem „Der Kommissar“ und „Derrick“-Fernsehvielschreiberling) orientiert sich stark an den amerikanischen Filmen des Genres, eine nur fast schon typische „Böser rächt sich am Guten“-Story, die gelungen aufgepimpt wurde. Hier rappelts und krachts, hier sind Schlägereien noch blutig, und nicht durchchoreographiert, man sieht, was eine Schießerei wirklich anrichtet, und gestorben wird langsam und unter Qualen und nicht nur ganz hinten am Leinwandrand.
Und genau das alles wurde dann zu Stilmitteln des Italowesterns, und eben nach diesem Film.
Der tatsächlich einzige grosse Kritikpunkt ist das (zudem durchwachsen-gedehnte, Happy) End(e), konsequenter wäre gewesen, das wegzulassen, aber wahrscheinlich musste dann doch dem "Massengeschmack" einmal Tribut gezollt werden. Nur schade, daß es "damals" noch nicht üblich war, dem Regisseur zuzugestehen, ein alternatives Ende zu drehen, es bleibt der Phantasie überlassen, was ein Olsen daraus hätte machen können (und wahrscheinlich wollen).



Fazit:
Der beste Italowestern, bevor es Italowestern gab, und das deutschsprachigen Ursprungs. Der leider übersehene und inzwischen fast vergessene Film an der Grenze zwischen dem amerikanischen Vorbild und dem
danach aufkommenden europäischen Realismuswestern italienischer Prägung.
Die Kameraführung ist aufregend, der Schnitt spannend, und die Musik zwischen schwungvoll und dramatisch auf absolutem Morricone-Niveau. Continuity- und Logikfehler (Charaktere benehmen sich hin und wieder etwas zu konfus, und ändern ihr Verhalten und ihre Sicht der Dinge allzu schnell) verzeiht man, auch, wenn es mehrere davon gibt.
Leider schwankt die heutige Bildqualität an zwar nur wenigen Stellen, aber über den ganzen Film verteilt, auffällig zwischen hell und dunkel, dafür jedoch ist der Ton einwandfrei erhalten.
Darsteller:
Mario Adorf (als Pedro Ortiz/Stimme: Rainer Brandt
*)
Edmund Purdom (als Rex Kelly/Deutsch: Holger Hagen)
Marianne Koch (als Elisabeth Kelly)
Marisa Mell (als Juanita)
Klaus Kinski (als José)
Sieghardt Rupp (als Fernando)
Walter Giller (als Woody)
Thomas Fritsch (als Carlos)
Florian Kühne (als Steve Kelly) u.A.
 * Warum (als einziger Deutscher) Mario Adorf in diesem Film nachsynchronisiert wurde, ist unbekannt.


Regie: Rolf Olsen
Drehbuch: Herbert Reinecker (unter dem Namen Alex Berg)
Nach der gleichnamigen Erzählung von Charles Sealsfield
Musik: Erwin Halletz
Kamera: Karl Loeb
Schnitt: Karl Aulitzky
Ton: Rolf Schmidt-Gentner
Bauten: Otto Pischinger, Leo Metzenbauer, Herta Hareiter
Kostüme: Paul Seltenhammer
Spezialeffekte: E.Wilhelm
Regieassistenz: Laci von Ronay, Ludmilla Kirsch
Produktionsleitung: Heinz Pollak
Herstellungsleitung und Produktion: Karl Spiehs

Spoiler:


In einer Höhle auf dem Berg „Santa Cruz“ kommt es zum (leider etwas langatmigen und aufgrund eines seltsamen Hin- und Her-Benehmens der Hauptpersonen auch konfusen) finalen Kampf zwischen Ortiz und Kelly. Nicht nachvollziehbar hilft Ortiz Kelly dann sogar aus dem tiefen Gefängnis heraus, und wird schliesslich (letztes Zitat Ortiz: „Wenn ich schonmal was Gutes tue!“) vom plötzlich auftauchenden Sheriff erschossen.
In der letzten Szene sieht man die „Guten“, inklusive der wieder vereinigten Familie Kelly, davonreiten... Ende.



Bodycount: 
- 7 Tote bei der Befreiung von Carlos aus dem Gefängnis
- Fernando wird von Kelly erschossen
- 3 Menschen auf einer von den Gangstern besetzten Hazienda werden von Ortiz erschossen

- 3 ihn verfolgende Arbeiter von der Hazienda werden von José erschossen
- Ein Priester wird von José erschossen

- José wird von Kelly erschossen
- Carlos wird von Ortiz erschossen
- Juanita (verlässt Ortiz erst, und will dann doch mit einer von ihr gekaperten Kutsche zu ihm zurückkehren. Dynamit in der Kutsche entzündet sich, und Juanita fliegt in die Luft)

- Woody wird von Ortiz erschossen, als Woody das versteckte Geld am Berg der Bank gegen Belohnung zurückgeben will
- Ortiz wird vom Sheriff erschossen
(insgesamt 20)