(110) Veröffentlichung: 22.Juli 2021

Spätere VÖ auch als: Labyrinth des roten Todes
Italien/Spanien, 1975 – Originallänge (Kino Italien): 100 min. Kino Spanien: 97 min.
Kino D: 90 min./FSK 16
Originaltitel Italien: Gatti rossi in un labirinto di vetro (Rote Katzen in einem Labyrinth aus Glas)
Originaltitel Spanien: El
Ojo en la oscuridad (Das Auge im Dunkeln)
Englischsprachiger Titel: Eyeball


Drehzeit: Juni/Juli 1974 in Rom (Studio) und Barcelona
Kinopremieren: Italien- 24.Januar 1975; Spanien-13.August 1975
In D keine Kinoauswertung; Video-VÖ am 19.August 2002

Darsteller:
Martine Brochard als Paulette Stone (Mitglied der Reisegruppe)
John Richardson als Mark Burton, Ihr Geliebter
Ines Pellegrini als Naiba Campbell (Mitglied der Reisegruppe)
George Rigaud als Reverend Bronson (Mitglied der Reisegruppe)
Andrés Mejuto als Polizeiinspektor Tudela
José Maria Blanco als Polizeiinspektor Lara
Mirta Miller als Lisa Sanders, Naiba's Freundin (Mitglied der Reisegruppe)
Daniele Vargas als Robby Alvarado (Mitglied der Reisegruppe)
Silvia Solar als Gail Alvarado, seine Frau (Mitglied der Reisegruppe)
Raf Baldassarre als Reiseleiter Martinez
Maria May als Alma Burton, Mark's Frau
John Bartha als Mr.Hamilton (Mitglied der Reisegruppe)
Veronica Miriel als Jenny Hamilton, seine Enkelin
* (Mitglied der Reisegruppe)
Olga Pehar als Mrs.Randall (Mitglied der Reisegruppe)
Richard Kolin als Mr.Randall (Mitglied der Reisegruppe)
Olga Montes als Peggy Randall, beider Tochter (Mitglied der Reisegruppe)
Tom Felleghy als Gerichtsmediziner
u.A.
Deutsche Synchronsprecher: N.A.
* Anfangs stellt sich Mr.Hamilton als ihr Großvater vor, zumindest in der deutschen Synchronisation wird er aber später zu ihrem Vater.

Eine amerikanische Reisegruppe, die einige Tage in Barcelona und Umgebung verbringt, gerät in eine brutale Mordserie. Im direkten Umfeld der Touristen, die allesamt aus einer amerikanischen Kleinstadt kommen, in der kurz zuvor ein Mädchen auf gleiche Weise getötet und verstümmelt worden war, werden Frauen (sowohl Einheimische als auch Mitreisende) erstochen und ihnen das linke Auge entfernt. Es liegt nahe, daß der Täter unter den Amerikanern zu finden sein muss, und so stehen sie plötzlich alle unter Verdacht. Der ermittelnde Inspektor Tudela, der kurz vor seiner Pensionierung steht und dessen letzter Fall es sein wird, muss jedoch auch Mark Burton, den Geliebten der Reisenden Paulette Stone „im Auge behalten“. Dieser verhält sich äusserst seltsam, beschuldigt aber andererseits seine eigene Frau der Taten. Er hatte Alma Burton nach dem Mord in den Staaten ohnmächtig, mit der Tatwaffe in der Hand, gefunden und die Spuren verwischt. Nun ist er seiner Geliebten nachgereist, auch, weil er seine Frau ebenfalls in Barcelona vermutet.
Ist Alma Burton die Mörderin, oder Mark nur ein geschickter Lügner, um von sich abzulenken, und wie viele Frauen müssen noch sterben, bevor der Fall gelöst werden kann...

Zu einem Giallo gehören immer viele Spuren und damit viele Verdächtige, und dies miteinander zu verweben. Der Zuschauer soll auf viele falsche Fährten gelockt werden, die sich dann nach und nach zerschlagen, bis es zur (gerne) völlig anderen Lösung kommt und sowohl Täter als auch Motiv vorher noch keine Rolle spielten. Leider geht das aber eben manchmal auch auf Kosten innerer Logik, die Menge zählt und nicht immer der für den Zuschauer nachvollziehbare Sinn. Da wird hin und her getwistet, aber gerne mal gerät ein Film neben die Handlungsspur- so leider teilweise auch hier. „Zuviel des Guten“ kann man das allerdings zur Ehrenrettung des Films auch nennen, und so ist manch „Vergaloppierer“, der auch zu wohl eher ungewollter Zuschauervverwirrung beiträgt, hier angesichts des Gesamtwerkes verzeihbar (oder, um den Gag nicht liegenzulassen: Man kann hier ein Auge zudrücken).
Was allerdings zu bemängeln ist, ist vor allem die auch örtlich stete Nähe der Verdächtigen zueinander (Eine komplette amerikanische Reisegruppe, ein dazugestossener Geliebter und dessen Frau, die allerdings scheinbar immer in der Nähe, aber nie zu greifen ist) ist einfach zu gross und die Verdächtigen meist gemeinsam (und auch viel- logo, da im Urlaub, man will ja was von Land und Leuten sehen) unterwegs. Da fehlt ein bisschen Abwechslung von aussen, von anderen Protagonisten, wohingegen die Szenerien sehr ansprechend sind und angenehm wechselnde Perspektiven bieten.

Doch genug der bisher überwiegenden Meckerei- das „Labyrinth“ ist dennoch (nicht jedoch gerade deshalb) sehenswert. Einige feine Schmankerl gibt’s auch hier, unerwartetes, seltsames, verrücktes- und das nie zu lang erzählt. Regisseur Lenzi weiss, wann eine Fährte auserzählt sein muss, und die nächste beginnen sollte. Schlag auf Schlag geht’s ab, kurzweilig, und zum Mitfiebern damit auch. Lenzi vermeidet einen Zehn-kleine-Ihr-wisst-schon-Giallo, und schafft quasi kleine Kapitel, die sich zum Thrillerpuzzle zusammenfügen.
Das liegt ohne Frage auch daran, daß ihm ein Ensemblefilm gelungen ist, in dem kein Charakter zu kurz kommt (und die wunderbare Klischees bevorzugende Zeichnung vor allem der Amerikaner eine wahre Freude ist) und die Schauspieler sich in ihren Rollen angemessen entfalten und dem allen einen besonderen, gemeinsamen Stempel aufdrücken können.

Die Kamera zeigt uns zumeist zwar "viel" Geschehen oder Umgebung im Bild, verzichtet aber zumeist suf Grossaufnahmen der Protagonisten. Nur, wenn sie so etwas wie ihre kleinen "Soloauftritte" haben, oder in den Mordszenen etwa, geht es nah ran, und dann meist langsam geschnitten, damit man auch nichts entscheidendes verpasst. Die Musik von Bruno Nicolai, dem neben Morricone wohl meistbeschäftigten Komponisten des Genres, braucht etwas Zeit, ihre Wirkung zu entfalten, zunächst hat sie einen zu dominierenden Popmusikanteil und ist dadurch aufdringlich präsent.

Fazit:

Wie meist ist die Lösung das auf vielen vertrackten Wegen erreichte Ziel, wird aber wie allzu oft im Giallo schliesslich etwas zu schnell und knapp dargebracht. Dafür sind aber die meisten Fährten hier gut gelegt und die Lösung so dermassen unerwartet und abgedreht, daß es insgesamt viel Krimispaß macht. Nicht Lenzi's Bester, aber kein schlechter Giallo.
Die FSK 16 ist recht gnädig angesichts der auch in der deutschen Fassung expliziten Mordszenen- die leeren Augenhöhlen der Opfer allerdings sind leicht als schlecht aufgeschminkt zu erkennen.

(Recht dümmliche, nur teilweise) Erklärung für den originalen Filmtittel:
Ein Zeuge beschreibt den Täter, der stets einen roten Regenponcho trägt, als „einer grossen Katze“ ähnlich. Warum „Labyrinth“ und warum „aus Glas“? Interpretationssache eines Jeden- es scheint, als wollte Regisseur Lenzi vor allem einen (für Gialli nicht untypischen) eher langen Titel mit einem Tier darin (die seit Dario Argento immer wieder gern in mindestens den italienischen Originaltiteln genutzt wurden).

Stab:
Regie: Umberto Lenzi
Drehbuch: Félix Tusell, Umberto Lenzi
Story: Félix Tusell
Kamera: Antonio Millán
(Assistenz: Elio Polacchi, Aldo Bergamini, Francisco Ferrer)
Musik: Bruno Nicolai
Schnitt: Amedeo Paltrinieri
(Assistenz: Maurizio Alabiso)
Ton: Umberto Picistrelli
Produktionsdesign: José Massagué
Szenenbild: Stefano Paltrinieri
Kostüme: Adriana Spadano
Make Up: Mario Di Salvio, Alfredo Tiberi
Regieassistenz: Angel G.Gauna
Executive Producer: José Maria Cunillés
Produktionsleitung: Antonio Girasante, Luis Marin
Produktion: Joseph Brenner

Spoiler:
Paulette Stone ist die brutale Mörderin. Lisa hatte sie sogar mit der Tatwaffe (ohne es zu bemerken) auf einem Foto verewigt, das jedoch erst spät auftaucht (damals mussten Fotos ja noch per Hand entwickelt werden). Zuvor schon hatte Alma Burton als Täterin ausgeschlossen werden können, da sie Linkshänderin ist, zudem war sie längst schon nicht mehr in Barcelona. Da Naiba das Foto als erste entdeckt, stellt sie Paulette mit Reverend Bronson in einem alten Schloss zur Rede, dort kommt es zu weiteren Morden (siehe Bodycount). Im letzten Moment, bevor Paulette auch Naiba ermordet, trifft schliesslich die Polizei ein, Tudela erschiesst Paulette,
Paulette war in ihrer Kindheit bei „Doktorspielen“ (sic!) von einem Freund das linke Auge zerstört worden. So tötete sie Frauen mit ihrer Augenfarbe, um sich deren Augen „einzuverleiben“ (
Ihr Glasauge war zuvor tatsächlich niemandem aufgefallen). In den USA hatte sie Alma Burton niedergeschlagen und in den Augen Mark's zur Verdächtigen gemacht, damit Mark sich für Paulette entscheidet.
Epilog: Inspektor Lara gratuliert seinem Vorgänger Tudela zur Lösung des Falles, und verabschiedet ihn in den Ruhestand; Mark Burton telefoniert mit seiner Frau Alma, die inzwischen in Kalifornien ist, und beschliesst, zu ihr zu fliegen und der Beziehung der beiden noch eine Chance zu geben. Ende.

Bodycount:
Alle Mordopfer werden von Paulette (siehe Spoiler) erstochen

- Eine junge Frau (Kein Mitglied der Reisegruppe).
- Peggy Randall in der Geisterbahn eines Vergnügungsparks (Foto oben Links).
- Eine Bauernhofmagd (Kein Mitglied der Reisegruppe).
- Lisa Sanders in ihrem Hotelzimmer (Foto oben Rechts)- ihr wird das Auge nicht entfernt, was Inspektor Tudela zu der Vermutung bringt, es könnte sich um einen anderen Täter handeln. Dies wird aber danach weder von ihm noch in der Handlung weiter thematisiert
(War wohl nur ein klassisches Ablenkungsmanöver vom Regisseur). Da Naiba kurz danach den Tatort betrat und die flüchtende Paulette sie niederschlug, ist zugunsten der inneren Logik des Films zu vermuten, daß Paulette für die Augenentfernung schlicht keine Zeit mehr blieb.
- Revernd Bronson, der Paulette mit Naiba auf die Spur gekommen war (
siehe Spoiler; die Tat wird zumindest in der deutschen Fassung nicht gezeigt, die Leiche von Naiba entdeckt).
- Eine weitere junge Frau im Finale des Films (Kein Mitglied der Reisegruppe; die Tat wird zumindest in der deutschen Fassung nicht gezeigt; man sieht Paulette auf der Leiche hocken und ihr das Auge entfernen, das sie sich selbst „einsetzt“). Darstellerin der Frau ist Laura Trotter, siehe auch dieser Lenzi-Film
.
- Inspektor Tudela erschiesst Paulette (
siehe Spoiler).