(103) Veröffentlichung: 13.Juni 2021
(Heute
gebräuchlicher Titel deutscher VÖ)
Italien,
1975
Originaltitel:
Profondo Rosso (Tiefrot) - Originallänge
(Ungekürzt):
126 min.
Deutsche
Erstfassung (Video-VÖ) als „Rosso-Die Farbe des Todes“:
105 min./FSK 18
Längste
deutsch synchronisierte Fassung: 120
min./FSK 18*
Alternativtitel
(Auch in D):
Deep Red; Englischsprachige Kinofassung: 101 min. („Deep Red“;
später
auch
„The Hatchet Murders“)
Drehzeit:
9.September-19.Dezember 1974 in Turin, Perugia und
Rom/Italien; Kinopremiere
Italien:
7.März 1975
In D keine Kinoauswertung; Premiere auf Video am
24.April 1991
*
Hier
besprochene Fassung (Im
Vergleich zur ungeschnittenen Originalfassung fehlen lediglich
„humorvolle“ Dialogszenen)
Die
zur Erst-VÖ auf Video 1991 nicht synchronisierten Szenen wurden für
*diese Fassung mit meist anderen Sprechern nachsynchronisert- und zwar
nur diese
Szenen.
Somit haben manche Schauspieler hier (meist leider hörbar) in einigen Szenen zwei
deutsche Synchronsprecher .
Der
erste Sprechername ist der der Erst-VÖ von 1991; der gegebenenfalls
zweite der der nachsynchronisierten Szenen.
Darsteller:
David
Hemmings als Marcus Daly – Deutsch: Klaus Nietz/Gerhart Hinze
Daria
Nicolodi als Gianna Brezzi – Deutsch: Angela Stresemann/Monika
Barth
Gabriele Lavia als Carlo Manganiello, Kumpel von Marcus –
Deutsch: Nicolas König/Nils Rieke
Macha Méril als Helga Ulmann –
Deutsch: Reinhilt Schneider/-
Glauco Mauri als Professor Giordani
– Deutsch: Gerhard Lippert/Michael Bideller
Eros Pagni als
Polizeicommissario Calcabrini – Deutsch: Kai Henrik Möller/Kai
Henrik Möller
Giuliana Calandra als Amanda Righetti, Autorin –
Deutsch: Carla Becker/-
Piero Mazzinghi als Professor Bardi –
Deutsch: Helgo Liebig/-
Clara Calamai als Maria, Carlo's Mutter –
Deutsch: Ursula Vogel/-
Geraldine Hooper als Massimo Ricci,
Carlo's Freund (Transvestit) – Deutsch: Tomas Kröger/Jannik
Endemann
Liana Del Balzo als Elvira, Amanda's Hausdame –
Deutsch: Sabine Hahn/-
Iacopo Mariani als Junger Carlo (In
Rückblende), Aldo Bonamano als Carlo's Vater (In
Rückblende)
u.A.
Rom.
Bei einer „Parapsychologischen Konferenz“ der Professoren
Giordani und Bardi bekommt das litauische „Medium“ Helga Ulmann
plötzlich einen hysterischen Anfall- sie spricht vom „Tod im Raum“
und von einem Menschen, der „bereits gemordet hat und wieder morden
wird“. Eine Person verlässt daraufhin den Saal, lauscht aber mit,
als Helga den Professoren später erzählt, sie wisse, wer „diese
Person ist“.
Am Abend wird Helga in ihrer Wohnung brutal
ermordet. Ihr Nachbar, der Jazzmusiker Marcus Daly, beobachtet die
Tat von draussen, und rennt in ihre Wohnung, die voller Bilder ist.
Bei einer späteren Begehung mit der Polizei hat Marcus das Gefühl,
ein Bild, an das er sich nur noch verschwommen erinnern kann, sei aus
der Wohnung entfernt worden.
Zusammen mit der Journalistin Gianna
Brezzi, die ihm am Tatort begegnet, nimmt Marcus eigene Ermittlungen
auf. Dabei wird er selbst fast das Opfer des Mörders, der ihm durch
eine geschlossene Tür droht. Ein Kinderlied, das der Mörder dabei
abspielt, und eine Kurzgeschichte, die das Lied thematisiert, bringen
die Autorin Righetti in den Fokus, doch auch sie wird ermordet. Der
von Marcus und Gianna involvierte Professor Giordani entdeckt zwar
einen Hinweis, den Righetti vor ihrem Tod hinterliess, doch bevor er
diesem nachgehen kann, schlägt auch sein letztes Stündlein. Der
Mörder leistet ganze Arbeit...
Schon
der Beginn des Films deutet (in stilsicherer, nicht zu viel
verratender Weise) die Hintergründe der folgenden Vorgänge an-
musikalisch untermalt von einem Wechsel aus Synthieklängen (die John
Carpenter inspiriert haben mögen) und einem Kinderlied, das sich
nicht wirklich entscheiden kann, ob es fröhlich oder düster ist,
sehen wir als Schattenspiel einen Mord und die Beine eines kleinen
Kindes, das vor der Tatwaffe, einem blutigen Messer, steht.
Dann
der direkte Übergang in das eigentliche Vorspiel, die Ereignisse auf
der (in tiefrotem Ambiente gehaltenen) Konferenz. Regisseur Dario Argento nimmt sich das Übersinnliche jedoch (was schnell deutlich
wird) nur als knackigen Anheizer für eine ganz irdische (und gern
explizite, lange aber leichenarme) Mord(s)geschichte und verbindet
beides geschickt. Und, nicht neu im Giallo-Genre oder bei Argento- es ist
ein Privatmensch, der sich wirklich kümmert und das Geheimnis lösen
will,
die Polizei tappt am Rande herum und ist dementsprechend selten zu
sehen.
Es
steht dem Film sehr gut an, daß der Mörder kein amoklaufender oder
planlos tötender Killer sein kann, und daß man ein Motiv zumindest
schonmal ansatzweise erahnen kann und darf (daß eben alles auf den
einen Mord am Anfang zurückgeht, der in irgendeiner Weise wohl
vertuscht werden soll. Gleichzeitig lenkt uns das Kinderlied dazu,
den Jungen aus der Anfangsszene am meisten im Visier zu haben, womit
manch Verdächtige/r wegen Alter oder Geschlecht scheinbar
wegfällt).
Das macht den Film nachvollziehbarer und durchweg realistischer als
manch anderen aus dem (nicht immer so einzigartigen und oft in ins
Slasherige und manchmal allzu komplex verschachtelt übergehende)
Genre. Und daß letztlich Helga durch ihre Vorhersehung genau diese
auslösst, ist ein Schachzug par excellence.
Das Geheimnisvolle,
das gruselige, das Un-Vorhersehbare, das bewahrt „Profondo Rosso“
sich zum Glück. Ist der Täter noch so ein „normaler Mensch“,
so ist er doch intelligent genug, um seinen Verfolgern immer
mindestens einen Schritt voraus zu sein. Eine Person im Mantel, der
um eine dunkle Strassenecke verschwindet, mehr bekommen wir von ihm
nicht zu sehen (und das könnte Jeder
sein,
und viele der Protagonisten halt auch).
Die
Bilder sind hochwertig in der den Italienern eigenen Farbästhetik
gefilmt, dazu nicht selten ausgesprochen ungewöhnlich ausgewählt.
Die einzelnen Abschnitte des Films sind oft lang (wie Marcus'
Villendurchsuchung mit über zehn Minuten), langweilen dabei aufgrund
der gelungenen Schnitte und wechselnden Einstellungen jedoch nie,
ebensowenig wie manch ausführlicher Dialog. Argento nutzt gerne die
gesamte Breite des Bildes aus (Ein Gespräch zwischen Marcus und
Carlo vor einem imposanten Brunnen; eine Urnengrabreihe auf dem
Friedhof- siehe
Fotos)
und arbeitet viel mit Grossaufnahmen nicht nur von Menschen und
Gesichtern (Augen insbesondere, was
im Falle von Augen, die geschminkt werden, auf eine falsche Fährte
locken soll, doch verräterisch ist, da, wer aufpasst, erkennen kann,
wem die Augen tatsächlich gehören),
sondern auch von Dingen wie immer wiederkehrenden Puppen, oder auch
den (natürlich schwarzen) Handschuhen des Täters.
Der
Engländer David Hemmings (Schon 1966 in Michelangelo Antonioni's
legendärem „Blow Up“ als Künstler, dort als Fotograf, auf
Mörderjagd, und überraschenderweise nur Argento's zweite Wahl nach
dem Italiener Lino Capolicchio, der wegen eines Autounfalles absagen
musste) ist als bedächtig-sensible, aber hartnäckige Spürnase eine
in jeder Hinsicht überzeugende Idealbesetzung. Nur den Ami nimmt man
ihm nicht ab, dazu verkörpert er (Achtung, Vorurteile!?) zu viel
höflich-britisches und ist zu wenig der Hopplahopptyp. Daria
Nicolodi (von damals an Argento's Liebste) ist die erlesen
ausgesuchte, formidabel aufspielende Ergänzung- schnippisch und
manchmal affektiert zwar, aber doch tough und entschlossen.
Gabriele
Lavia als stets betrunkener Carlo macht das toll, der tiefere Sinn
für die Handlung erschliesst sich dem Zuschauer aber erst spät; und
Glauco Mauri als Para-Professor Giordani wünscht man ein paar mehr
und wichtigere Szenen.
Zudem
besticht der Film durch mehrere, klug und interessant gezeichnete,
auffallend und auffallend gut gespielte Nebencharaktere- Carlo's
Freund, ein Transvestit, der nicht der tuntigen Lächerlichkeit
preisgegeben wird, sondern sympathisch besorgt um seinen
alkoholkranken Freund ist; die Mutter Carlo's, eine
aufdringlich-durchgeknallte (wohl demente), in der Vergangenheit
lebende ehemalige Filmdiva; der aufbrausende und wenig kultivierte
Commissario und sein recht gegenteiliger Assistent; und nicht zuletzt
Helga, das „Medium“, auch trotz des übertriebenen Auftritts auf
der Konferenz.
Die Ausstattung beeindruckt trotz und gerade
wegen ihrer schlichten Geradlinigkeit- in den grossen Wohnungen ist
viel Platz für (bei Helga unheimliche) Bilder und zahllose
Requisiten, doch Chi Chi ist nicht zu erkennen. Die scheinbar
endlosen Flure der Villa sind auch des Nachts toll ausgeleuchtet, und
auch insgesamt vermeidet der Film, irgendetwas im Dunkel zu
verstecken- und wenn er es doch tut, dann mit gutem Grund.
Der Score
ist fesselnd, die (poppigeren bis) rockigeren Klänge der Band
„Goblin“ muss man mögen (Ich mag es, aber manch einen könnten
sie auf die Dauer doch etwas nerven).
> Italienische Plakate und Aushangfotos
Fazit:
Knallergiallo,
der manch bekanntes Motiv pfiffig arrangiert und trotz
der im Genre und auch hier gern eingesetzten, allzu schnellen (nicht
immer vom Zuschauer nachvollziehbaren) Erkenntnisse und
Handlungszufälle spannend bis zum Schluss bleibt (auch und vor allem
in der langen Fassung).
Einzig der letzte Zufall ist arg plump-
wird dann jedoch mit dem wunderbaren, unerwarteten Epilog mehr als
ausgeglichen.
Ausser
einem Running Gag um Gianna's altersschwachen Fiat sind quasi alle
„Auflockerungen“ in der deutschen Fassung entfernt, was dem Film
jeglichen „spassigen“ oder kurzzeitig
Zwischendrin-mal-Durchatmen-Effekt
(die Argento dem Original „gönnte“) nimmt. Da wird bei Argento
wohl auch schwarzer Humor dabeigewesen sein, um den ist es jedoch
sicher schade.
Stab:
Regie:
Dario Argento
Drehbuch: Dario Argento, Bernardino Zapponi
Kamera:
Luigi Kuveiller
(Assistenz: Antonio Annunziato, Antonio Tonti)
Musik:
Giorgio Gaslini, Band „Goblin“
Schnitt: Franco Fraticelli
(Assistenz: Pietro Bozza, Ernesto Triunveri)
Ton: Mario Faradini
Toneffekte: Luciano Anzellotti
Produktionsdesign: Giuseppe Bassan
(Assistenz: Maurizio Garrone)
Szenenbild: Armando Mannini
Kostüme:
Elena Mannini
Maske: Giuliano Laurenti, Giovanni
Morosi
Spezialeffekte: Germano Natali, Carlo Rambaldi
(Assistenz:
Carlo De Marchis)
Regieassistenz: Stefano Rolla
Produktionsleitung: Angelo Iacone, Carlo Cucchi
Produktion:
Claudio Argento, Salvatore Argento
Trivia:
Wie
in seinen Filmen üblich, sind die in Filmszenen gezeigten
Mörderhände in den schwarzen Handschuhen auch hier die Hände von
Dario Argento.
Spoiler:
Seine
und Gianna's weitere Nachforschungen führen Marcus in eine alte
Villa (Foto Oben), er entdeckt dort grausig-brutale Wandzeichnungen einer
Gewalttat (Foto Unten) und eine mumifizierte Leiche. Beides muss mit den aktuellen
Taten in Zusammenhang stehen.
Schliesslich
kommt Kommissar
Zufall
(siehe Fazit)
zu Hilfe: bei der Tochter des Hausverwalters entdeckt Marcus eine
Zeichnung der Kleinen, die fast eine Kopie der unheimlichen
Wandzeichnung in der Villa ist. Das Mädchen hatte die Zeichnung beim
Aufräumen des Archivs ihrer Schule gesehen. Marcus und Gianna
brechen in die Schule ein, um das Original zu suchen, das hoffentlich
den Urheber verraten und damit den Mörder entlarven würde. Doch sie
werden bereits erwartet- von Marcus' Kumpel Carlo, der Gianna (die
allerdings zuvor noch die Polizei informieren konnte) mit einem
Messer schwer verletzt, und Marcus mit den Worten „Ich hatte Dich
gewarnt, ich hatte gesagt, hau ab von hier!“ (Seine Warnung, als
Marcus begann, nachzuforschen) eine Pistole vor die Nase hält. Da
trifft die Polizei ein (dann doch endlich mal als Retter) und Carlo
rennt davon.
Carlo
wird bei seiner Flucht zunächst von einem Müllwagen erfasst und
mitgeschleift, dann wird sein Kopf von einem Auto überrollt. Der
Täter scheint gerichtet.
Am
Abend erinnert sich Marcus, daß
Carlo
mit
ihm
den ersten Mord (an Helga) beobachtet hatte, also nicht der Täter
sein kann.
Nun erinnert er sich auch, daß es kein Bild in Helga's Wohnung war,
an das er sich die ganze Zeit zu erinnern glaubte, sondern das
Gesicht einer Person in einem Spiegel (Foto unten Links)- das der Mörderin, die sich
noch in der Wohnung versteckt hatte, als Marcus sie betrat... das
Gesicht von Maria,
Carlo's Mutter.
Maria überrascht Marcus in seiner Wohnung und er erfährt die ganze
Geschichte- Maria hatte einst vor den Augen Carlo's (Foto unten Rechts) ihren Mann/seinen
Vater erstochen, weil dieser sie in eine psychiatrische Klinik
einweisen wollte (siehe
Anfang der Besprechung/Erste Filmszene).
Sie
hatte also (aufgeschreckt dadurch, daß Helga sie bei der Konferenz
quasi angesprochen hatte) auch die letzten Morde begangen, und Carlo
(der als Kind die Wandzeichnungen angefertigt hatte) sie nur schützen
wollen.
Beim abschliessenden Kampf zwischen Marcus und Maria
verfängt sich ihre Halskette am Aufzug. Marcus schaltet den Aufzug
an, Maria wird von der sie strangulierenden Halskette mit nach oben
gezogen und geköpft.
Ende.
Bodycount:
Minute
15: Helga
Ulmann wird von der Mörderin zunächst mit einem Küchenbeil
angegriffen, dann in eine Fensterscheibe gedrückt und
verblutet.
Minute
60:
Die Autorin Amanda Righetti wird von der Mörderin zunächst mit dem
Kopf an Badfliesen geschlagen, dann in einer Badewanne mit brühend
heissem Wasser ertränkt (Mir
hat sich, ehrlich geschrieben, nicht ganz genau offenbart, warum sie
sterben „muss“. Sie wusste und schrieb von dem Vorfall „damals“,
woher sie aber davon wusste, wird nicht wirklich erklärt).
Minute
94:
Professor Giordani wird von der Mörderin zunächst mehrfach an einer
Kommodenecke mit dem Kopf angeschlagen, dann erstochen.
Vor
der Tat lässt die Mörderin ihm die automatische, lebensgrosse
Porzellan-Kinderpuppe (die durch die Werbung für den Film besonders
bekannt wurde, im Film jedoch nur diesen einen Auftritt hat- siehe
auch Fotos hierunter und VÖ-Cover ganz unten) entgegenlaufen. Giordani zerschlägt den
Kopf der Puppe.
Minute 104: Marcus
Daly entdeckt die mumifizierte Leiche von Carlo's Vater in einem
zugemauerten Raum der Villa (siehe
Spoiler).
Minute
119:
Carlo (siehe
Spoiler).
Minute
124:
Carlo's Mutter, die Mörderin (siehe
Spoiler).