(92) Veröffentlichung: 8.April 2021

In Schwarz/Weiss
D, 1958 – Kinofassung: 96 min. – FSK 16
Kinopremiere: 20.März 1958

Darsteller:
Hans Albers als Oberkommissar Otto Friedrich Dennert
Hansjörg Felmy als Kriminalassistent Harry Dennert, sein Sohn
Susanne Cramer als Ursula Brandt
Horst Frank als Josef Schmitz
Werner Peters als Wirt Mücke, ehemaliger Kleinganove
Mady Rahl als Toni, seine Frau
Siegfried Lowitz als Kriminalkommissar Dr.Schreiber
Maria Sebaldt als Kriminalassistentin Schramm
Ernst Stankovski (
hier als: Stankowski) als Willy Goede, Chef der Posträuber
Agnes Windeck als Mutter von Josef Schmitz
Herbert Hübner als Polizeipräsident, Fritz Wagner als Emil (Posträuber), Reinhard Kolldehoff als Willy (Posträuber),
Karl Hellmer als Karl Mertens (Erster Verdächtiger bei Dennert), Lia Eibenschütz als seine Frau,
Bärbel Wycisk als Evchen (Tochter von Mücke's), Panos Papadopulos als Heini (Ganove in Mücke's Kneipe),
Joachim Röcker als Tankwart, Else Reval als „leichtes Mädchen“ in Mücke's Kneipe
u.A.

Oberkommissar Otto Dennert, Leiter der Mordkommisiion in Essen (jawohl, der Film spielt nicht in Hamburg) und aufgrund seiner „Fangquote“ von Freund und Feind ehrfürchtig „Der Greifer“ genannt, ist ein unkonventionell ermittelnder, aber immer gerechter Bulle vom alten Schlag. Mit manch „schweren Jungs und leichten Mädchen“ ist er auf Du und Du, und feiert gerne mit ihnen zusammen. Hat er gerade noch einen Raub mit Geldbotenmord geklärt (der lange Zeit die Filmhandlung beherrscht), wird er, noch während ein Frauenmörder sein schreckliches Unheil über die Stadt bringt, in Rente geschickt.
Dabei hatte er gerade erst intuitiv einen Hauptverdächtigen, den Vertreter Josef Schmitz, ausgemacht, der eigentlich nur als Zeuge geladen war
(Als Zuschauer kann man Dennert's Eindruck anfangs nicht ganz nachvollziehen, man muss eben akzeptieren, daß der Mann einfach mehr weiss als andere- und dabei auch noch meist Recht behält, wie schnell klar wird). So ermittelt Dennert auf eigene Faust und mit der Hilfe des ehemaligen Ganoven und jetzigen Freundes Mücke weiter, und das nicht nur mit legalen Mitteln.
Deshalb, aber auch, weil dieser mit Ursula, der (noch) Verlobten des Posträuberbosses anbandelt, kommt es zum Streit mit Sohn Harry, der nebensächlich wird, als Ursula fast Opfer des Frauenmörders wird. Sie ist nun die erste, die den Mörder identifizieren könnte...

Was Hans Albers betrifft, so gehts mir mit ihm ein bisschen so wie mit Elizabeth Taylor (Siehe hier)- er ist mir in seinen Filmen immer zu sehr der Hoppla-hier-bin-ich und steh alleine im Mittelpunkt-Selbstdarsteller gewesen (und das, obwohl er nunmal nicht einer der begabtesten Schauspieler war und noch dazu ein oft anstrengender Nuschler). Dazu seine meist, auch nach dem Krieg, altbackenen Filme und sein Gesinge. War halt nie meins, der Herr, gab auch nie einen Grund, diese Meinung zu ändern.
Aber manchmal kommts dann doch anders als man dachte, und ich sah mich aufgrund der hochkarätigen Gesamtbesetzung und des aufregend klingenden Inhalts quasi genötigt, mir den „Greifer“ zu gönnen. Kurz
vor dem Beginn der  Edgar Wallace-Reihe gedreht, und von Kurt Ulrich (der mit dem famosen „Der Rächer“ 1960 den einzigen Edgar Wallace gedreht hatte, der nicht von der Rialto Film verantwortet wurde, weil die zu dem Zeitpunkt noch nicht die Exklusivrechte hielt) produziert, schien vieles für einen mindestens unterhaltsamen deutschen Krimi zu sprechen- Albers hin oder her. Und ich wurde tatsächlich insgesamt nicht enttäuscht, im Gegenteil.

„Natürlich“ (wohl unvermeidbarerweise, seinen ja doch zahlreichen, meist weiblichen Fans geschuldet) hat Albers auch in diesem Film so manche Alleingangsszene und folgert als „Superbulle“ manches
mal eben so aus dem Bauch heraus, entgegen mancher Logik, das auch noch flott und korrekt (und trällert dann doch auch hier sogar ein, zugegeben flottes, aber doch irgendwie reingezwungenes Schlagerchen). Doch Albers strengt sich tatsächlich an, spielt für seine Verhältnisse erstaunlich differenziert und Ensembletauglich, und vermeidet gar zumeist, allzu viel Epos in die Rolle zu legen. Er ist als alternder Held glaubhaft, und übertreibt es weder mit Coolness und „Ich zeigs den Jungen!“-Gehabe, noch aber mit irgendwelchen Alterssentimentalitäten. Eine späte Glanzleistung, und vielleicht hätten da ja noch mehr gute Altersrollen kommen können, wenn er nicht bereits zwei Jahre nach dem „Greifer“ verstorben wäre.

Der Film an sich überzeugt trotz kleiner „Verlangsamungen“ (und allgemein wenig Action, die, wenn es sie, wie bei einem kurzen Bahncrash, gibt, auch eher zurückhaltend inszeniert ist) ebenfalls in guter Gänze- kleine Hänger verzeiht man, und das Aufdrehen der Geschehnisse in der zweiten Hälfte des Films entschädigt sowieso dafür. Hervorstechend ist der wunderbare Ruhrgebietslokalkolorit des Films, wer Essen kennt (damals kannte), sieht viel davon, Aussenszenen sind gern genutzt worden, und selbst bei Nachtaufnahmen wurde darauf geachtet, daß nichts im „Dunkeln blieb“.
Die „versprochene“ Frauenmödergeschichte (unterstrichen durch den zumindest angegruselten Vorspann) wird jedoch immer mal wieder (und durch die Postraubsache in der ersten Hälfte fast andauernd) ausgebremst und nicht mit letzer Konsequenz durchgezogen, womöglich erschien der Ansatz den Produzenten insgesamt dann doch zu heikel. Da war noch so manche Luft nach oben, fehlte es an Mut zum wirklich Neuen.
Daß übrigens eher verschämt über die Taten gesprochen wird (man weiss als Zuschauer gar nicht, was genau der Böse mit den armen Mädchen anstellt, ausser, daß er sie abmurkst), das mag ja mit der damaligen Zeit zu tun haben (bloss keine sexualisierten Details erwähnen), dann aber gleichzeitig ziemlich
viel nackte Frauenhaut in Barszenen zu präsentieren, das verstehe wer will.

Gar nichts auszusetzen gibt es an der bis in die kleinsten Rollen erstklassigen Besetzung, ausser, daß manche/r gerne hätte mit mehr Szeneneinsatz dabeisein dürfen.
Hansjörg Felmy in seiner ersten Krimirolle (für ihn sollte gerade Essen später in seiner Karriere sehr wichtig werden, würde er doch genau da in den 1970ern als einer der bis heute besten „Tatort“-Kommissare ermitteln) darf weit mehr zeigen als den von ihm damals gewöhnten Sunnyboy. Da hat er oft schon was vom späteren „Tatort“-Haferkamp und sich sicher auch für seine bald folgenden Einsätze in den Bryan Edgar Wallace-Filmen empfohlen. Ein Grossstadtbulle mit Herz, der seinen Vater so sehr liebt wie er gleichzeitig versuchen muss, aus dessen übermächtigen Schatten zu treten und seinen eigenen Weg zu finden.
Horst Frank (im selben Jahr auch im Heimatmelodram „Das Mädchen vom Moorhof“ als psychisch angeschlagener Mörder auf der Leinwand, und schon vorher als „ewiger“, aber immer facettenreicher Filmbösewicht festgelegt), ist (wenn man das so sagen darf) ein grossartiger (ein bisschen zu früh im Film geouteter) Triebtäter (Früh ahnt man, was Dennert schon weiss; spätestens beim Überfall auf Ursula ist er dann im Halbdunkel gut zu erkennen). Man nimmt ihm das brave Muttersöhnchen ab, und den verabscheuungswürdigen Killer, und wenn er im Finale seine Mordmotivation erzählt (siehe Spoiler, Mama ist übrigens nicht schuld), dann tut er einem fast sogar ein bisschen leid und er vollendet perfekt ein wirklich gut geschriebenes Psychogramm. Welch ein Schauspieler.
Susanne Cramer's Rolle ist so klein, wie sie sie gekonnt darbringt und ist nicht nur weder hilfloses Opfer noch hübsches Beiwerk, sondern toll getimtes Schauspiel.
Dazu Siegfried Lowitz als intrigant-arroganter Polizist (scharf auf Dennert's Job treibt er dessen Pensionierung voran), ganz anders als später in seinen
Wallace-Einsätzen; Werner Peters, der auch in wenigen Szenen als hilfreicher Ex-Knacki eine sichere Bank ist; Mady Rahl als seine toughe Liebste; Agnes Windeck als Mördermama; und Stankovski als charmanter Posträuberboss.

Fazit:

Nicht immer in sich ganz schlüssig, und leider nicht komplett als Thriller funktionierend, ist der fantastisch besetzte Film aber doch kurzweilig und trotz fehlender Schlussüberraschung immer mal zwischendurch auch spannend- ein nostalgisches Stück deutscher Krimigeschichte, zwischen hier und da noch der neuen Zeit hinterhinkend und hier und da schon dort angekommen. Zudem interessant als Bindeglied vom „alten“ Krimi zum
kurz danach beginnenden Wallace-Hype und dessen zahlreicher Epigonen.
Die bis heute gültige FSK 16 scheint inzwischen völlig überzogen, eine Wiedervorlage würde das wphl ändern.

Stab:
Regie: Eugen York
Drehbuch: Curt J.Braun
„Einem Tatsachenbericht frei nacherzählt“ (Angabe im Vorspann)
Kamera: Ekkehard Kyrath, Bruno Mondi
Musik: Hans-Martin Majewski
Schnitt: Ingrid Wacker
Ton: Hans Löhmer
Bauten: Gabriel Pellon, Theo Zwierski
Masken: Fredy Arnold, Anita Greil, Hans Dublies
Regieassistenz: Joachim Hess
Herstellungsleitung: Erwin Dräger
Produktionsleitung: Heinz Willeg
Gesamtleitung und Produktion: Kurt Ulrich

Trivia:
Bereits 1930 spielte Hans Albers in einem Film gleichen Titels (Regie: Richard Eichberg). Zwar spielte er auch dort einen Kriminalbeamten, doch hat dieser kaum Charakterähnlichkeiten mit Dennert, und ist zudem Engländer und in London bei Scotland Yard tätig. Auch gibt es keinerlei Überschneidungen bei den Handlungen der Filme.
Dennoch wurde der Film von 1958 als eine Art „Fortsetzung“ beworben, letztlich aber ging es den Produzenten wohl nur um den griffigen Titel.


Spoiler:
Der Zufall kommt zu Hilfe- Schmitz rettet Mücke's kleine Tochter vor einem heranrasenden Zug und wird in der Presse als Held gefeiert. Ursula sieht den Zeitungsbericht und erkennt ihn. Schmitz (der sich gegen das Fotografieren nicht gewehrt hat, obwohl er wusste, was das bedeuten wird) flüchtet sich zu Mücke's und verlangt aus Dankbarkeit für die Rettung des Kindes Unterschlupf. Die Mücke's gewähren ihm dies widerwillig, dafür dürfen sie sich seine Beichte (die er endlich loswerden will, so scheint es) anhören (Seine blonde, erste grosse Liebe, die ihn betrog, und -Zitat- „in einem Moment lachte, in dem keine Frau lachen darf“, ist an allem schuld).
Dennert (Schmitz'ens Verhalten wieder mal offenbar intuitiv wissend) besucht seine Freunde und sieht seine Vermutung bestätigt- er alarmiert sofort die Polizei.
Schmitz flüchtet und verschanzt sich in einem Kindergarten. Dennert verwickelt ihn in ein Gespräch, verspricht, sich um Schmitz' Mutter zu kümmern, während Harry in das Gebäude gelangt und Schmitz anschiesst. Schmitz kann noch eine Handgranate (die er dabei hat) auf Dennert Senior werfen, doch dieser überlebt verletzt.
Am Ende kann Harry seinem Vater mitteilen, daß dieser „zur besonderen Verwendung“ wieder in den Polizeidienst eingestellt wird und die beiden versöhnen sich. Während Harry und Ursula, die heiraten werden
(ging halt alles sehr schnell mit den beiden, und heiraten „musste“ man damals wohl auch schnell) zum Dauerkuss ansetzen, prostet Otto in die Kamera und trinkt auf den „neuen Greifer“. Ende.

„Bodycount“:
(Leichen sind in diesem Film nicht zu sehen)
- Direkt zu Beginn wird ein Geldbote beim Postraub erschossen (Räuber Emil wird später anhand von Fingerabdrücken auf der Waffe  als Täter überführt).
- Es wird erwähnt, daß es bereits 5 Frauenmorde in Essen gab, alle Frauen waren blond, alle Taten geschahen gegen 23 Uhr.
- In Minute 44 berichtet eine Radiomeldung über den sechsten Mord an einer Frau.
- Im Finale schiesst Harry auf Schmitz und trifft diesen
(siehe Spoiler), ob der Frauenmörder tot ist oder nur verwundet, wird im Film nicht geklärt.