(60) Veröffentlichung: 14.Januar 2020

USA, 1979 – Originallänge: 112 min. - Kino D: 108 min. – FSK 16
Originaltitel: Time After Time
Drehzeit: September bis November 1978
Weltpremiere am 7.September 1979 (Toronto Film Festival, Kanada)
Kinopremieren: USA- 28.September 1979; D- 9.November 1979


1893.
Der Schriftsteller und Erfinder H.G.Wells (der bekanntermassen tatsächlich lebte, und der mit Werken wie „Krieg der Welten“ und „Die Zeitmaschine“ als einer der Pioniere der Science-Fiction-Literatur bezeichnet werden kann) hat eine Zeitmaschine erfunden, die er stolz seinen Freunden, darunter John Leslie Stevenson, präsentiert (Foto links). Als die Polizei auf der Suche nach Jack The Ripper (der kurz zuvor in unmittelbarer Nähe gemordet hat) eintrifft und das Haus durchsuchen will, verschwindet Stevenson, in dessen Mantel man recht eindeutige Beweise findet, die ihn als Ripper ausweisen, spurlos. Später muss Wells feststellen, daß Stevenson mit der Zeitmaschine (die inzwischen wieder an ihrem Platz steht*) ins Jahr 1979 gereist ist. Da Wells vermuten muss, daß Stevenson nun in der Zukunft weiter morden wird, folgt er ihm, um ihn aufzuhalten- und gerät in eine für ihn zuvor utopische Welt, der er zumindest zunächst nicht gewachsen ist. Die Bankangestellte Amy Robbins (was der Name von Wells' tatsächlicher zweiter Ehefrau war) wird ihm (trotz der Gefahr, der sie sich auch wissentlich aussetzt) zu einer grossen Hilfe, und schliesslich verlieben sich die beiden ineinander- nicht ahnend, daß Stevenson sich ausgerechnet Amy als eines seiner nächsten Opfer auserkoren hat…

Malcolm McDowell
David Warner

Als Regisseur und Autor Nicholas Meyer (unter anderem auch Mit-Autor eines der wohl allgemein gelungensten und besten Zeitreisefilme, „Star Trek 4-Zurück in die Gegenwart“, original: „The Voyage Home“) einen Teil des zu diesem Zeitpunkt noch unveröffentlichten Manuskriptes von Karl Alexander’s Romanvorlage zu „Flucht in die Zukunft“ zu lesen bekam (Alexander hatte ihn um seine Meinung dazu gebeten), sicherte er sich direkt die Filmrechte, und begann sofort, (s)ein Drehbuch zu dem Stoff zu schreiben (Quelle: Meyer’s eigener Audiokommentar auf Veröffentlichungen des Films). Er nahm den Plot und bearbeitete die im grossen und ganzen eher ruhige und etwas behäbige (dennoch lesenswerte) Vorlage zu einem auch optischen, anspruchsvollen Leckerbissen und schuf einen Zeitreisethriller um den im wahrsten Sinne des Wortes zeit-losen und „ewigen“ Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen. Ihm gelang damit das seltene Kunststück (neben seinem eigenen Star Trek-Knaller fast nur noch in Robert Zemeckis’ „Zurück in die Zukunft“-Trilogie gelungen), ein nachvollziehbares und stets in den Pfaden der (in sich unlogischen, da Zeitreisen in der Realität viel zu viele und unlösbare Probleme aufwerfen würden, Stichwort „Zeitparadoxon“) Logik verbleibendes Uptempoabenteuer mit eindrucksvollen Charakteren auf die Leinwand zu bringen.
Aufgrund Meyer’s so schneller Arbeitsweise erschien der Film bereits wenige Wochen nach Veröffentlichung des Buches, und lief diesem letztlich den Rang ab, auch bei den Kritikern.

Daß Wells bei seiner Ankunft in der Zukunft in einer Ausstellung anlässlich seiner eigenen Werke landet ist nur einer von vielen Sidekickgags, mit denen die Geschichte nur so gespickt ist. Dialoge zu der vermeintlich „guten alten“ als auch der „fortschrittlichen neuen“ Zeit (inklusive Gesellschaftskritik, wenn zum Beispiel Stevenson nur Fernsehen schauen muss, um festzustellen, daß diese Welt
noch brutaler zu sein scheint, als er es überhaupt sein kann) gehören ebenso dazu, wie die vielen Probleme, vor denen ein Zeitreisender in der Zukunft nun mal steht- inklusive des Versuches, sein Geld in das der Jetztzeit tauschen zu wollen, oder wenn Wells sowohl Amy als auch die Polizei davon überzeugen muss, daß er der Gute und wer er denn nun wirklich ist (vor allem, weil er anfangs ausgerechnet den Tarnnamen „Sherlock Holmes“ benutzt, was wohl auch auf Meyer’s ebenfalls grossartigen Film „Kein Koks für Sherlock Holmes“ von 1976 anspielen soll).

Das dramatische der Geschichte geht dabei jedoch nicht verloren, immerhin geht es ja vor allem um eine
Freunde werden zu unerbittlichen Gegnern-Storyline, die auch nie aus den Augen gelassen wird, und um einen brutalen Serienkiller, der unter ungewöhnlichen Umständen gestoppt werden muss. Die deutsche FSK 16 übrigens ist (mal wieder) völlig überzogen, Schocksequenzen oder brutale Horrorszenen gibt es hier nicht und würden auch gar nicht ins Konzept des Filmes passen. Die Morde des Rippers sind sehr zurückhaltend inszeniert (beziehungsweise wird nur über sie gesprochen), da hätte es eine FSK 12 durchaus getan.


Mary Steenburgen
Von Links: Andonia Katsaros, Patty D'Arbanville, und erstmals Corey Feldman

Die stets kurzweilige Handlung lässt in ihrem Verlauf nicht an Spannung nach, legt in der zweiten Hälfte gar noch eine gute Schippe davon drauf, und läuft auf ein wirklich grandioses Finale hinaus. Der Film findet schliesslich seinen dramatischen Höhepunkt, von dem der Zuschauer zunächst denken muss, daß das nicht gut ausgehen kann für die Guten. Offensichtlich hat der Ripper sich besser an die neuen Gegebenheiten angepasst, und Skrupel hat er ja ohnehin keine. Wird er es schaffen, erneut in die (weitere) Zukunft zu entkommen, und wird er gar Amy mit dorthin nehmen? Oder schafft es der jetzt vielleicht am Ende seiner (zuvor ungeahnten) Kräfte angelangte Wells doch noch, das zu verhindern und mit Amy ein Happy End zu erleben?
In jedem Fall liefert der Film eine Erklärung dafür, warum man in seiner Zeit den Ripper nie zweifelsfrei identifiziert, geschweige denn gefasst hat.
Flucht in die Zukunft“ ist eine der ganz wenigen Arbeiten von Malcolm McDowell als Sympathieträger eines Films. Zumeist auf die mindestens undurchsichtigen, wenn nicht bitterbösen, Charaktere festgelegt, kann er hier beweisen, daß er auch anders kann. Hatte er im selben Jahr in „Caligula“ einen sadistischen römischen Imperator und in „Der Pass des Todes“ einen menschenjagenden Nazioffizier gespielt, war das sicher auch eine willkommene Abwechslung. Glaubhaft wandelt er sich hier vom verschrobenen, dann ob der Umstände völlig verwirrten Genie zum tapferen Helden, und begeistert in den ruhigen wie auch den aufregenden Momenten des Films. Grosses Schauspiel, grosser Darsteller;
die wunderbare Mary Steenburgen (in „Zurück in die Zukunft 3“ in ähnlicher Rolle zu sehen, dort kommt ihr Liebster allerdings aus der Zukunft, im Film unsere Gegenwart, zu ihr und nicht aus der Vergangenheit) brilliert als starke Amy, die Wells erstmal zeigen muss, wos langgeht, und die es selbst mit dem Ripper aufnehmen kann;
und David Warner ist, so wie man das tatsächlich von ihm gewohnt ist, auch als (oft sogar charmanter) Killer ein Gewinn für den Film. Kann halt alles spielen, der Mann, und alles gut.
Fazit:
Ein Zeitreisethriller par excellence, flott und ohne Logikpatzer (
*scheinbare werden jeweils im späteren Verlauf des Films geklärt, auch, daß zwei Zeitmaschinen existieren, eine, mit der die Probanden reisen, und eine, die sich im Jahr 1979 im Museum befindet)- ein zeitlos grossartiger Film.
Man kann natürlich anmerken, Wells hätte schon früher noch einmal kurze Zeit „zurückreisen“ können, um Stevenson's Morde zu verhindern, doch wollen wir bei einem solchen Film bitte nicht päpstlicher sein als der selbige- und verzeihen auch Wells' Aussage im Film, es sei „
zu spät den Mord noch zu verhindern“, denn wer eine Zeitmaschine hat, für den ist es nie zu spät.

Trivia:
Eine Begegnungsszene zwischen Wells und einem Punk, der in der Bahn laut Musik hört, ist im fertigen Film nicht enthalten, kann jedoch auf dem Bonusmaterial heutiger Veröffentlichungen angeschaut werden. Die Szene drehte Regisseur Meyer für „Star Trek 4“ erneut (und verwendete sie auch im fertigen Film)- dort begegnen Spock und Captain Kirk in einem Bus dem Punk, den Spock unter dem Beifall der Mitpassagiere mittels seines Betäubungsgriffes „ausschaltet“.
Darsteller:
Malcolm McDowell als H.G.Wells – Deutsch: Christoph Lindert
David Warner als John Leslie Stevenson (Jack The Ripper) – Deutsch: Hartmut Becker
Mary Steenburgen als Amy Robbins – Deutsch: Sabine Plessner
Andonia Katsaros als Mrs.Turner, Wells' Haushälterin – Deutsch: ?
Charles Cioffi als Polizei-Lieutenant Michell – Deutsch: Niels Clausnitzer
Kent Williams als sein Assistent – Deutsch: ?
Patti D’Arbanville als Shirley, Opfer von Stevenson in 1979 – Deutsch: ?

u.A. 
Corey Feldman hat hier als 7-jähriger sein Filmdebut als ein kleiner Junge im Museum
Stab:
Regie und Drehbuch:Nicholas Meyer
Story: Karl Alexander, Steve Hayes
Basierend auf dem 1979 erschienenen Roman „Time After Time“
(in D: „Flucht ins Heute“) von Karl Alexander
Kamera: Paul Lohmann
Musik: Miklós Rózsa
Schnitt: Donn Cambern
Produktionsdesign: Edward C.Carfagno
Bauten: Barbara Krieger
Szenenbild: Richard M.Kristy
Make Up: Lynn Reynolds
Kostüme: Sal Anthony, Yvonne Kubis
Regieassistenz: Michael Daves
Spezialeffekte: Larry Fuentes, Jim Blount, Kevin Pike
Visuelle Effekte: Chad Taylor, Richard Taylor
Associate Producer: Steven-Charles Jaffe
Produktion: Herb Jaffe
Das Datum des Beginns der Zeitreise in diesem Film (der 5.November) wurde später (als Hommage) in der „Zurück in die Zukunft“-Trilogie als der entscheidende Handlungstag im Jahr 1955 übernommen.
McDowell und Steenburgen verliebten sich bei den Dreharbeiten auch im echten Leben ineinander, und heirateten bald danach. Die Ehe hielt (für Hollywood ein „immerhin“) bis 1990.
Spoiler:
Stevenson entführt Amy, und fordert für ihre Freiheit von Wells den Schlüssel zur Zeitmaschine, um mit dieser in die Zukunft zu fliehen. Wells lässt sich auf den Deal ein, muss jedoch feststellen, daß Stevenson nicht bereit ist, sich an die Abmachung zu halten- er will Amy mitnehmen. Während es Amy gelingt, dem Schurken schliesslich rechtzeitg zu entwischen, kann Wells, unbemerkt von Stevenson, die bereits aktivierte Zeitmaschine manipulieren. Stevenson verschwindet so in der Ewigkeit, ohne Rückkehrmöglichkeit.
Mit der in der Ausstellung befindlichen Zeitmaschine reist Wells zurück in seine Zeit- Amy begleitet ihn...
Ende.

Eine auf dem Film basierende und gleichnamige Fernsehserie in den USA wurde mangels Erfolg bei den Zuschauern 2017 bereits nach fünf von insgesamt 12 abgedrehten Folgen abgesetzt. Die von Kevin Williamson (unter anderem Drehbuchautor von „Scream“ und „Ich weiss, was Du letzten Sommer getan hast“) geschriebene Serie spielt Ende des neunzehnten Jahrhunderts und 2017, die Hauptrollen werden von Freddie Stroma als H.G.Wells und Josh Bowman als Stevenson/Der Ripper dargestellt. Die Serie beginnt ähnlich wie der Film, also mit der Flucht in die Zukunft, entwickelt sich dann aber eigenständig weiter. Ob und wann wenigstens diese erste Staffel der Serie in den USA doch noch zu Ende gesendet wird, oder gar zu uns kommt, ist bis heute unbekannt.