(54) Veröffentlicht: 25.Oktober 2019

Nichts da draussen ist so gefährlich wie das, was in uns ist!“
(Peter Cushing als Dr.John Rollason)


GB, 1957 – In Schwarz/Weiss – 91 min. – FSK 12
Originaltitel: The Abominable Snowman
Drehzeit: 14.Januar-5.März 1957 (in England und Aussenaufnahmen in den französischen Pyrenäen)
Kinopremieren: GB- 26.August 1957; D- 7.März 1958

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In einem buddhistischen Kloster untergekommen, erforschen der Botaniker Dr.Rollason, seine Frau Helen und sein Assistent Fox die seltenen Pflanzen in der so lebensfeindlichen Umgebung. Zu ihnen stösst eine Expedition unter Leitung des barschen Dr.Friend, die im Gebirge nach Spuren des sagenumwobenen Yeti's suchen will. Gegen den Willen seiner Frau und trotz der Warnungen des Lama, des Klosteroberen, schliesst Rollason sich der Gruppe an, da er grosses wissenschaftliches Interesse an dem Wesen hat. Schliesslich brechen Friend, Rollason, McNee, Shelley und der einheimische Kusang als kleine Gruppe auf- Friend befürchtet, eine grössere Anzahl von Menschen könnte den Yeti erschrecken und vertreiben.
Schon bald muss Rollason feststellen, daß Friend und seine Leute kein wissenschaftliches Interesse an dem Wesen haben, sondern es fangen und als Ausstellungsstück an den Meistbietenden verkaufen wollen. Es kommt zu Spannungen. Als Shelley einen der tatsächlich existierenden Yeti erschiesst, erweisen sich diese als als mehr als ebenbürtige Gegner, und die Gruppe muss auf Leben und Tod zusammenhalten...


Das Kloster ganz oben im Himalaya und die Spuren des Yeti
Fünf Männer im ewigen Schnee

Bereits in den dreissiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts gegründet und spätestens seit nach dem zweiten Weltkrieg mit regelmässigen (oft auch schon überdurchschnittlich erfolgreichen) zumeist Krimi- und Abenteuerfilmen am Markt, begann die englische Firma Hammer Film Productions erst mit „Frankensteins Fluch“ im Jahr 1957 ihren ganz grossen Siegeszug. Horrorfilme, und vor allem Verfilmungen klassischer Stoffe des Genres, sollten fortan zum Markenzeichen des Studios werden. Da noch vor dem „…Fluch“ gedreht* (jedoch erst ein paar Monate nach diesem uraufgeführt), kann der „Yeti“ einerseits als letzter reiner Abenteuerfilm des Studios gelten, andererseits enthält aber auch dieser Film bereits, und das mehr als nur ansatzweise, Elemente des Horrors (vor allem in seiner zweiten Hälfte, die gezeichnet ist vom Kampf Mensch gegen Kreatur), den Hammer schon bald danach perfektionieren sollte. Die mehr als gelungene Adaption einer zwei Jahre zuvor entstandenen Fernsehproduktion der BBC (diese war recht zurückhaltend und eher kammerspielartig inszeniert worden) wurde zwar durchaus ein Achtungserfolg beim Publikum, fiel aber später angesichts der Riesenerfolge des Studios auch mit „Dracula“ etwas unter den Tisch und dem Vergessen anheim. Wohl auch, weil der Film noch in Schwarzweiss gedreht wurde und Hammer ansonsten bereits in Farbe (im wahrsten Sinne des Wortes) brillierte.
* Es ist damit Peter Cushing’s tatsächlich erste Arbeit für das Studio, insgesamt sollten es über zwanzig gemeinsame Filme werden.
Der Film ist in jeder Hinsicht weit über dem Niveau sonstiger Verfilmungen des Mythos um das riesige, angeblich tatsächlich existierende Geschöpf im Himalaya (oder solcher um den ihm ähnlichen, in den amerikanischen Wäldern "lebenden" Bigfoot), ist von vornherein anders angelegt und auch weitaus weniger actionlastig oder -betont als andere Produktionen. Er ist fixiert auf die Menschen, die das Wesen zu finden versuchen, weniger auf den Yeti selbst (der zudem so gut wie gar nicht und nur einmal komplett im Halbdunkel zu sehen ist, und somit Platz für des Zuschauers Phantasie lässt, die besonders von seinen unheimlichen Schreien angekurbelt wird). Der Yeti ist hier auch kein (wie im unsäglich-grotesken, gleichnamigen billigen King Kong-Verschnitt aus Italien von 1977) Monster, das den Menschen direkt gefährlich wird, er will hier erkennbar einfach seine Ruhe haben und wehrt sich nur gegen den Versuch, ihn einzufangen, und gegen das Eindringen in seinen Lebensraum. Die Aggression geht hier in erster Linie von einigen Teilnehmern der Expedition aus, die aus reiner Habgier des Geschöpfes habhaft werden wollen- koste es, was es wolle. Hier ist der Film gar ein wenig seiner Zeit voraus und gesellschaftskritisch. Er erzählt in zumeist ruhigem Tempo von rücksichtslosen Menschen, denen das Wesen (und die Natur sowieso) egal ist und die nur an die Vermarktung der Sensation, an ihren Profit, denken. Doch als Gegenpol gibt es auch diejenigen (die in der Minderheit sind), die rein aus wissenschaftlicher Neugier dabei sind. In diesem Film stehen die Charaktere und damit ihre Darsteller im Mittelpunkt, der Yeti an sich hat tatsächlich etwas symbolhaftes und verkörpert die Ausbeutung der Natur, weshalb es auch keiner grossen Effekthascherei bedarf, ihn zu zeigen.

Der gut verpackte, tote Yeti- doch war er nicht allein! (Li.; Robert Brown; re.: Forrest Tucker)
Peter Cushing ist hier (wie auch schon in der Fernsehproduktion von 1955) der (wie nur wenige seiner Zunft von der Existenz der Kreatur überzeugte) hochintelligente Wissenschaftler mit dem unbändigen Drang, erforschen und wissen zu wollen. Nun, da er die Chance bekommt, mit (wie er zunächst glaubt) Gleichgesinnten auf die Suche zu gehen, nimmt er sie wahr. Er hört nicht auf die, die anderer Meinung sind, nicht auf seine Frau, die nicht an die Existenz des Yeti glaubt, und auch nicht auf den Lama, der ihn (in, wie er das auch sonst in dem Film macht, sehr vielen und fast allzu weisen Worten) davon abrät. Damit erscheint er uns als Zuschauer zunächst als zu allem entschlossen, und nur seiner Wissenschaft verschrieben, was ihn mit der Figur des Victor Frankenstein, die Cushing insgesamt sechsmal für die Hammer verkörperte, verbindet. Doch das wird sich im Film bald ändern, denn sein Charakter hier ist hehren Forscherdrangs, von Minute zu Minute wird er nachdenklicher über das, was er da tut. Er stellt sich gegen die anderen, die rein aus kommerziellen Gründen die Kreatur finden wollen, er zeigt seinen Respekt vor seiner Umgebung und dem Unbekannten. Cushing spielt seine Figur mit vollem, begeisternden Einsatz und meistert die Rolle mit Bravour. Sein Charakter setzt sein Engagement glaubhaft letztlich eben doch nicht über alles und bleibt auf dem rechten Weg, obwohl er dadurch diesmal als Wissenschaftler scheitern wird. Er erkennt, daß gewisse Dinge (und Wesen) nicht erforscht werden sollten, nicht um jeden Preis, und denkt sich in die Lage der Yeti. Und deshalb ist es nur folgerichtig, wie sein Charakter die Geschichte beendet (siehe Spoiler).
Maureen Connell als Helen gibt eine vor allem fürs damalige Frauenbild ungewohnt selbstbewusste und starke Figur, sie ist kein Anhängsel, sondern wertvolle Kollegin, furchtlos und aktiv. Sie weiss sich durchzusetzen, und spielt mit sichtlicher Freude an ihrem Charakter. Den beiden stehen die anderen Expeditionsteilnehmer gegenüber, mit denen es zwangsläufig zu schweren Konflikten kommen muss- vor allem mit dem Leiter Dr.Friend, der skrupellos sein Ziel verfolgt, den Yeti lebend zu fangen und damit berühmt zu werden. Ein überzeugender Forrest Tucker (ansonsten eher in amerikanischen Western tätig gewesen) gibt ihn arrogant und unsympathisch, bis hin zur übertriebenen Besessenheit, die ihn schliesslich in den Wahnsinn treibt. Nebenfiguren wie ein Einheimischer, der das Drama vorherzusagen scheint, sorgen für zusätzliche Spannung.

Obwohl der Film in der endlosen weissen Weite des schneebedeckten Himalayas spielt, erzeugt er doch eine klaustrophobische Grundatmosphäre. Das liegt zum einen an der Enge, in der die Mitwirkenden aufeinander hocken (und in der sie aufgrund der menschenfeindlichen Umgebung aufeinander angewiesen sind), aber auch an den aufwendig gestalteten und absolut stimmigen Sets auf kleinem Raum, die mit zum Besten gehören, was damals möglich war. Nichts wirkt unecht oder wie aus Pappe, nichts wie im Studio, selbst die Geräusche des Schnees wirken echt. Hinzu kommen dann noch die geschickt eingefügten, famos gefilmten Naturaufnahmen (gedreht in den französischen Pyrenäen), die den Film gerade auch bei seinen längeren Schneeszenen endgültig auch optisch zu einem Meisterwerk machen.

Fazit:
Eher ein (auch aufgrund seiner Dialoge, die teils belehrend, nie aber langweilig sind) oft zum Nachdenken anregender und dabei stets packender Thriller und intelligentes Abenteuerdrama, als ein typischer Monsterfilm, mit dramatischem, aber doch versöhnlichem Ende. Ein unübliches Meisterwerk aus dem Hause
Hammer, aber ebenso sorgfältig inszeniert und herausragend gespielt wie die meisten derer Produktionen.
Hier ist mancher Mensch das eigentliche Monster, und die gejagte Kreatur gewinnt unsere Sympathien.
Die Originalversion ist der deutsch synchronisierten unbedingt vorzuziehen.


Darsteller:
Peter Cushing (Dr.John Rollason) – Deutsch: Manfred Reddemann
Forrest Tucker (Dr.Friend) – Deutsch: Holger Mahlich
Maureen Connell (Helen Rollason) – Deutsch: ?
Richard Wattis (Peter Fox, Rollasons Assistent) – Deutsch: Achim Schülke
Michael Brill (Andrew McNee) – Deutsch: Erich Ebert
Robert Brown (Ed Shelley) – Deutsch: Ben Hecker
Wolfe Morris (Kusang) – Deutsch: ?
Arnold Marlé (Lama) – Deutsch: Gottfried Kramer
John Rae (Gesichtspartie des Yeti) – Keine Sprechrolle
u.A.
Regie: Val Guest
Drehbuch und Story: Nigel Kneale,
nach seinem Drehbuch zu der englischen TV-Produktion „The Creature“ (1955)
Kamera: Arthur Grant
Musik: Humphrey Searle
Schnitt: Bill Lenny
Produktionsdesign: Bernard Robinson
Art Direction: Ted (
=Edward) Marshall
Make Up: Phil Leakey
Kostüme: Beatrice Dawson
Regieassistenz: Robert Lynn
Production Manager: Don Weeks
Associate Producer: Anthony Nelson-Keys
Executive Producer: Michael Carreras
Produktion: Aubrey Baring


Im Jahr 2013 wurde ein Remake des Films angekündigt, das durch die „neue“ Hammer-Films hergestellt werden sollte. Ein Drehbuch auf Basis des Originals war nach offiziellen Angaben bereits fertig, dennoch kam es bis heute nicht zu der Neuverfilmung.

Spoiler:
Die Yeti, von Rollason längst als intelligent, eigentlich friedfertig und als evolutionäre Paralellentwicklung zum Menschen erkannt, sind offensichtlich in der Lage, die Menschen durch ihr Schreien in den Wahnsinn (und in den Tod
) zu treiben. Nur Rollason überlebt die Expedition und begegnet in einer Höhle zweien der Wesen (siehe Foto links). Seine Frau und Fox, die aus Sorge der Gruppe hinterhergekommen sind, finden den von den Yeti verschonten, aber halb erfrorenen Rollason schliesslich und retten ihn.
Bei einem Gespräch mit dem Lama sagt Rollason in der letzten Szene, daß der Yeti nicht existiere.
Ende.
Bodycount:
- Ein Yeti (von dem der Zuschauer nur eine Hand zu sehen bekommt) wird von Shelley erschossen
- McNee (wohl durch das Heulen der Yetis nicht mehr Herr seiner Sinne) rennt trotz verletztem Fuss in die Berge und stürzt tödlich ab
- Shelley stirbt bei einer Begegnung mit Yetis (wir sehen nur deren Schatten) an einem Herzschlag. Um einen Yeti lebend zu fangen, hatte Friend vorher Shelleys Munition gegen Platzpatronen ausgetauscht, so daß dessen Schüsse wirkungslos blieben
- Friend (offenbar auch wahnsinnig geworden, da er Shelleys Schreie hört, obwohl dieser längst tot ist) löst durch Schüsse eine Lawine aus und wird von ihr begraben (siehe Foto unten)