(45) Veröffentlicht: 17.September 2019

DIE RACHE DER PHARAONEN
GB, 1959 – 88 min. – FSK 16
Originaltitel: The Mummy
Spätere englischsprachige Vermarktungen auch als: „Terror Of The Mummy“

Drehzeit: 23.Februar-16.April 1959
Kinopremieren: GB- 25.September 1959; D- 31.Dezember 1959


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Nachdem die englische Hammer-Films mit der wenige Monate zuvor erschienenen Sherlock-Holmes-Verfilmung „Der Hund von Baskerville“ einen zumindest kleineren kommerziellen Dämpfer in ihrer beispiellos gestarteten Erfolgssgeschichte der endfünfziger Jahre hatte hinnehmen müssen, kehrte man schnell wieder zurück zu einem der klassischen Horrorstoffe, der bereits in den dreissiger und vierziger Jahren von Universal-Pictures in den USA (mit grossem Erfolg) auf die Kinoleinwände gebracht worden war. Was mit „Frankenstein“ und „Dracula“ zuvor bereits herausragend funktioniert hatte, konnte ja nicht wirklich schief gehen, und tatsächlich… inspiriert von, aber nur angelehnt an die amerikanischen Versionen (und auch kein wirkliches Remake eines dieser Filme, obwohl man die dort mehrfach genutzten Charakterenamen der Mumie Kharis und der Prinzessin Ananka nutzte), gab man auch diesmal dem Stoff die ganz besondere, quasi persönliche Note, die Hammer auszeichnete, und schuf einen weiteren Klassiker des modernen (und farbigen) Gruselkinos.
Übernahm man für den englischen Originaltitel schlicht den des ersten amerikanischen Films (also auf deutsch: „Die Mumie“), wurde in Deutschland unverständlicherweise und den Inhalt nicht korrekt wiedergebend umgetitelt- weder ist Kharis ein Pharao (sondern „nur“ ein Hohepriester), noch taucht überhaupt ein Pharao im Bild auf, geschweige denn mehrere- wie so oft packt man sich an den Kopf und fragt sich irritiert-
warum?
1895. Die Wissenschaftler Peter Banning, sein Vater Stephen und sein Onkel Joseph Whemple entdecken nach jahrelanger Suche in Ägypten das sagenumwobene Grabmal der Prinzessin Ananka. Man schert sich nicht um die Warnungen des geheimnisvollen Ägypters Mehemet Bey vor der Rache der Frevelung und so betreten die Männer das unberührte Grab. Als Stephen sich später allein dort weiter umsieht, entdeckt er die Schriftrolle des Thot, mit der man laut Überlieferung Tote wieder zum Leben erwecken kann. Er liest laut aus der Schriftrolle vor und erweckt damit (wie wir Zuschauer allerdings erst später verlässlich erfahren, und uns hier erstmal nur denken können) quasi unbeabsichtigt die Mumie des Hohepriesters Kharis. Die Legende besagt, daß ihn und Ananka eine „verbotene“ Liebe verband, und er nach ihrem Tod bei lebendigem Leibe mumifiziert wurde, verdammt dazu, auf ewig ihr Grab bewachen zu müssen. Dann hört man Stephens Schrei, die Handlung überspringt offenbar ein paar Monate, und der Eingang des Grabmals wird gesprengt. Die Forscher kehren nach England zurück...

Christopher Lee in der Vorgeschichte

Der obige, sozusagen erste Akt des Schauerstücks und vor allem die ergänzende (und angenehm ausführliche, von Peter Cushing auch im Original erzählte) Rückblende im weiteren Filmverlauf (darunter die wirklich beeindruckende und doch nicht übertrieben brutale Szene, wenn Kharis seine Zunge herausgerissen wird, auf daß er für ewig schweige*) sind zwar sichtlich kostensparend, aber dennoch wie gewohnt quietschbunt und enorm fantasievoll ausgestattet, vor allem die Kostüme sind umwerfend (auch, wenn man es mit manch anderem und teurerem Film vergleicht, der das alte Ägypten zum Thema hat, wie zum Beispiel „Die Zehn Gebote“). Die meisten Szenen erwecken durch ihre örtliche Begrenztheit (natürlich vor allem die im Grabmal) ein wenig den (vielleicht sogar von Terence Fisher gewollten) Eindruck, auf einer gut ausstaffierten Theaterbühne stattzufinden und der Protz des alten Ägypten ist nur zu erahnen. Natürlich dem Geldbeutel der Hammer geschuldet, verzeiht man dies jedoch und sieht es als künstlerischen Kniff, der zum Rest des Films, der insgesamt als eher ruhige (von Hammer-Stammautor Jimmy Sangster verlässlich gruselig und nachvollziehbar geschriebene) Gruselmär (mit wenigen, aber umso erschreckenderen Schocksequenzen wie der Mumienmorde, und hier und da mit leichtem Krimitouch) daherkommt, nur allzu gut passt.
Fortgesetzt wird die Geschichte im uns von den Hammer-Filmen bereits vertrauten viktorianischen England. Bis auf das Finale bleibt der Film seiner (hier überhaupt nicht unangenehmen) Studioatmosphäre treu, und muss, um weiter zu gefallen, auch nur wenig an Tempo zulegen. 
Drei Jahre sind vergangen, als die Mumie Kharis plötzlich in London auftaucht und zuerst den seit seiner Begegnung mit der damals plötzlich verschwundenen Mumie psychisch schwer gestörten Stephen Banning, und dann auch Josef Whemple brutal tötet. Auch Peter greift sie an, doch als dessen Frau Isobel (die Prinzessin Ananka zum Verwechseln ähnlich sieht) auftaucht, lässt Kharis von seinem mörderischen Tun ab und verschwindet fürs erste. Peter findet heraus, daß niemand anderes als Mehemet Bey, der mit Hilfe der Schriftrolle die Mumie fremdsteuern kann, verantwortlich ist- der Ägypter will die „Ungläubigen“ bestrafen, die das Grab einst gemeinsam entweihten. Doch Bey hat nicht mit der Liebe Kharis’ zu Ananka (für die er Peters Frau nun hält) gerechnet, und so wendet sich die Mumie schliesslich gegen ihn. Kharis entführt Peters Frau/Ananka, und in einem Sumpf kommt es zum aufsehenerregenden Finale…

Peter Cushing
Christopher Lee als Mumie und im Kampf mit Peter Cushing

Längst schon waren Regisseur Fisher und seine Stars Cushing und Lee zu einem Traumtrio des (nicht nur britischen) Gruselfilms geworden (die letztlich tatsächlich nur sechs gemeinsame Filme drehen sollten, Fisher mit den beiden einzeln jedoch noch einige mehr), und es war wohl nicht zuletzt auch die Kombination der drei bis heute unvergessenen, die auch diesmal wieder für einen enormen Erfolg an den Kinokassen sorgte. Der erste Dracula-Film des Trios (1956), der Auftakt zur Frankenstein-Reihe (1957) und jetzt die Mumie- innerhalb von nur drei Jahren hatte man dank der für die Produktionen verantwortlichen Hammer-Films die Welt des Horrorfilms erobert und mit den eigenständigen Neuinterpretationen der Klassiker des Genres für immer verändert. Zwar hatten damit weder die drei noch die Produzenten ihr Pulver verschossen, doch fraglos sind es vor allem diese Erstlingsfilme, die bis heute ein Mass aller Dinge bleiben. Besonders mag dies bei dieser Mumie auffallen, da man danach nie wieder versuchte, daran wirklich anzuknüpfen (was bei dem Ende ohnehin schwer gefallen wäre), und weder Fisher noch einmal einen solchen Stoff inszenieren, noch Cushing oder Lee in auch nur ähnlichen Rollen noch einmal auftauchen sollten. Es blieb in dieser Zusammenstellung bei diesem einen, dafür jedoch in jeder Hinsicht herausragenden Werk.
Wie in den ersten Filmen der Hammer, wurde auch diesmal grundsätzlich wieder auf die Rollenverteilung Cushing-Gut/Lee-Böse gesetzt, wobei es (wieder) die Nuancen sind, die vor allem Christopher Lee hier nutzt, um trotz seiner dialogarmen Rolle (sprechen kann er ja nur in der Vorgeschichte) zu glänzen. Christopher Lee haucht der verhüllten Mumiengestalt echtes Leben ein, wenn er nur mit den Augen seine durchaus vorhandenen Empfindungen zeigt (beim Anblick der Frau, in der er seine einst grosse Liebe zu erkennen glaubt), oder sich Entschlossenheit wie auch tatsächlich Furcht und schliesslich Trauer (im Finale) darin erkennen lassen. Wenn er, zunächst den Weisungen des Mehemet Bey gehorsam folgend (was übrigens der grösste Unterschied zum amerikanischen „Original“ ist, wo die Mumie von sich aus böses tut), sich dessen Macht über ihn schlussendlich jedoch widersetzt, weil seine Liebe zu Ananka grösser ist als alles andere- dann wird, wie schon bei seinem Frankenstein’s Monster und seinem Dracula, die ganze tragische Reichweite der Figur erkennbar. Hinzu kommt eine fast pantomimische Kunst seiner Bewegungen, von starr und ungelenk zu anfangs bis zum umso gefährlicheren geschmeidigen im Verlauf des Films- ein gelungener Schachzug der Inszenierung zudem, doch tatsächlich auch Verletzungen Lee's bei den Dreharbeiten geschuldet. Lee macht mehr als nur das Beste aus seinem doch etwas starren Kostüm, das ihm eigentlich gar nicht viel Spiel-Raum lässt.
Peter Cushing spielt den Wissenschaftler zunächst etwas arrogant, auch er denkt zunächst schliesslich nur an seinen Ruf, als er in das Grabmal eindringt, nachdenklich wird er erst, als die Mumie als Rächer auftaucht. Als dann seine Frau (Yvonne Furneaux ist in ihrer Doppelrolle ein wenig überfordert und als Isobel viel zu naiv dargestellt) in Gefahr gerät, kann er endlich auch seine romantische Seite zeigen und wächst über sich hinaus, um sie zu beschützen. Gleichzeitig belastet ihn seine Mitschuld am Geschehen schwer, und er zeigt so etwas wie Mitleid mit der Kreatur Mumie. Eine solide Leistung, etwas im Schatten Lee’s, aber gewohnt überzeugend.
George Pastell braucht etwas Zeit, um in seiner Rolle positiv aufzufallen, zunächst flucht und schimpft er nur so vor sich hin, als aber klar wird, daß er es ist, der die Mumie fremdsteuert, dreht er etwas auf und hat starke Momente, insbesondere bei einer längeren gemeinsamen Dialogszene mit Cushing.
* Gedreht wurde eine längere und auch explizitere Darstellung, wie auch von der finalen Szene im Sumpf. Schon vor der Premiere des Films wurden jedoch die Szenen (nach glaubhaften Überlieferungen bis zu insgesamt drei Minuten) durch die britische Zensurbehörde „entschärft“ und zurechtgeschnitten. Heute existiert keine Version des Films, die die ungeschnittenen Szenen enthält, und es kann wohl davon ausgegangen werden, daß selbige als verschollen gelten müssen.

Yvonne Furneaux mal Zwei
George Pastell

Fazit:
Cushing, Lee, Fisher, wunderbarer klassischer Grusel, da gibt es auch im Ansatz nichts daran auszusetzen- einfach nur fantastischer, rundum gelungener und immer junger Horror á la
Hammer. Ein bis heute unübertroffenes Genrehighlight, dessen vor allem heutige, „moderne“ Nachfolger mit ihren computergenerierten Supertricks und Schablonenschauspielern allenfalls langweilen können und keine Seele besitzen.
Die stets präsente, arabisch eingefärbte und dramatisch-orchestrale Musik trägt ihren grossen Teil zum Gelingen bei und hervorragend eingesetzte Sidekick-Darsteller wie Eddie Byrne als zunächst zweifelnder Polizist sorgen für kleine Aufheiterungen im insgesamt meist düster-bedrohlichen Ambiente.

Die deutsche Synchronisation mit Erich Schellow als Peter Cushing und Friedrich Joloff als Christopher Lee ist durchaus eine der besten für einen der frühen
Hammer-Filme, dennoch bleibt die Originalversion die zu empfehlende.
Darsteller:
Peter Cushing (als Peter Banning) – Deutsch: Erich Schellow
Christopher Lee (als Kharis/Die Mumie) – Deutsch: Friedrich Joloff
Yvonne Furneaux (als Isobel Banning/als Prinzessin Ananka) – Deutsch: Eva Katharina Schultz
George Pastell (als Mehemet Bey) – Deutsch: Klaus Miedel
Felix Aylmer (als Stephen Banning) – Deutsch: Robert Klupp
Raymond Huntley (als Joseph Whemple) – Deutsch: Paul Wagner
Eddie Byrne (als Inspektor Mulrooney) – Deutsch: Hans Wiegner
u.A.


Von links: Felix Aylmer, Raymond Huntley, Eddie Byrne

Regie: Terence Fisher
Drehbuch: Jimmy Sangster
Kamera: Jack Asher
Musik: Franz Reizenstein
Schnitt: Alfred Cox, James Needs
Produktionsdesign: Bernard Robinson
Make Up: Roy Ashton
Spezialeffekte: Bill Warrington
Kostüme: Molly Arbuthnot
Regieassistenz: John Peverall
Associate Producer: Anthony Nelson-Keys
Produktion: Michael Carreras

Spoiler:
Der abschliessende Höhepunkt des Films ist das Finale im Moor, in den die Mumie mit Isobell als seiner Gefangenen flüchtet- ein zwar fast klassisches Horrorfilmende (bei dem Isobell die Mumie gefühlvoll überreden kann, sie gehen zu lassen), aber doch von allen Beteiligten besonders intensiv dargestellt. Wenn dann die Mumie von zahlreichen Polizeibeamten und Dorfbewohnern niedergeschossen wird und im Morast versinkt, zum Schluss mit ihrer Hand zum letzten Gruss zu winken scheint, bleibt ein bitterer Nachgeschmack für den Zuschauer, dieses
Ende ist für die Mumie dann doch irgendwie unverdient und ungerecht.
Bodycount:
- „Mindestens einhundert“ (Zitat von Peter Benning) Personen werden beim Beerdigungsritual der Prinzessin Ananka geopfert (In Rückblenden erwähnt, dort nur teilweise gezeigt beziehungsweise angedeutet)
- Die Mumie erwürgt Stephen Banning und Josef Whemple auf Befehl von Mehemet Bey
- Mehemet Bey ersticht zwei Personen, die die Mumie aufhalten wollen
- Die Mumie bricht Bey das Genick, als dieser Isobell töten will
- Die Mumie stirbt im Moor,
siehe Spoiler


Hammer sollte danach noch drei weitere „Mumien“-Filme produzieren,
allerdings keinen mehr mit dem Traumgespann Cushing/Lee/Fisher oder einem der drei.

Die Gesamtqualität der Filme ist jeweils unterschiedlich,
an diesen ersten reicht jedoch definitiv keiner heran:

1964 Die Rache des Pharao (The Curse Of The Mummy’s Tomb)
1967 Der Fluch der Mumie (The Mummy’s Shroud)
1971 Das Grab der blutigen Mumie (Blood From The Mummy’s Tomb)

Letzterer nach dem Roman „Juwel der sieben Sterne“ (1903) von „Dracula“-Schöpfer Bram Stoker