(37) Veröffentlicht: 20.August 2019

DIE NACHT DER SCHREIE
USA, Produktion: 1985/86, Erscheinungsjahr: 1987
Originaltitel
*: The Offspring/From A Whisper To A Scream
Originallänge: 99 min. – D: 92 min./FSK 18
**
Drehzeit: Ende 1985; die Szenen mit Vincent Price wurden allerdings erst im April 1986 gedreht
Kinopremiere USA: 25.September 1987; in D direkt auf Video am 12.Januar 1988
* Wurde ursprünglich als "From A Whisper To A Scream" gedreht, lief dann aber als „The Offspring“ in den amerikanischen Kinos. Für die Videoverwertung wurde er dann aber wieder als "From A Whisper To A Scream" vermarktet.

** In Deutschland nur als 92-Minüter offiziell erhältlich. Die ungeschnittene Version (die allerdings komplett deutsch synchronisiert wurde) ist indiziert.


Die Journalistin Beth Chandler reist nach Oldfield in Texas, der Heimatstadt der (auch innerfamiliären) Massenmörderin Katherine White, um von deren Hinrichtung (direkt nach dem Vorspann in eindringlicher Weise von Martine Beswick gespielt) zu berichten. Sie erfährt anschliessend vom Stadthistoriker, der mit der Mörderin blutsverwandt ist (Vincent Price in seiner letzten Horrorfilmrolle), daß die Stadt immer schon „vom Bösen besetzt“ war und auf „Blut gebaut“ wurde. Er beweist es ihr anhand vierer Geschichten aus der Historie der Stadt. Interessant dabei ist, daß er die Geschichten in umgekehrter chronologischer Reihenfolge erzählt, also mit einer aus der Gegenwart beginnt und dann immer weiter in die Vergangenheit zurückgeht, bis zur Entstehung der Stadt im amerikanischen Bürgerkrieg.
Diese ganz auf Vincent Price zugeschnittene, zwischen den Episoden fortgesetzte Rahmenhandlung
(Susan Tyrrell als Beth ist hier lange lediglich nahezu unauffällige Stichwortgeberin, und kann erst im Epilog etwas an Profil gewinnen) ist durch ihren fast Kammerspielartigen Aufbau (auch das Set erinnert an eine Theaterbühne) der gelungene Kontrast zu den zumeist knackig-flott erzählten, gern durch und durch makabren Episoden. Als Erzähler und Warner vor dem Unheimlichen brilliert Price, obwohl er seinen Part in nur zwei Tagen (und als letztes, unabhängig von den übrigen Dreharbeiten) ablieferte.
 
Episode Eins muss als schwächste (aber nicht völlig enttäuschende, vor allem dank des Endes) Geschichte den Anfang machen, was vielleicht dramaturgisch etwas ungeschickt ist. Es wird vom schüchternen Stanley, der schon lange Tags und Nachts in seinen Träumen Mordphantasien hegt, erzählt. Die einstige (mehr als nur angedeutete, auch inzestuöse) Liebe zwischen ihm und seiner Schwester Eileen ist in gegenseitige Verachtung umgeschlagen. Doch erst, als seine heimliche Liebe, seine Chefin Grace, mit ihm ausgeht, bricht die Gewalt aus ihm heraus- mit schrecklichen Folgen auch für ihn selbst...
Der einstige Fernsehwesternheld Clu Gulager (einer der „Leute von der Shiloh Ranch“) überzeugt auf ganzer Linie als doch ziemlich abartig veranlagter Stanley und ist in seiner Biedermannmaske kaum wiederzuerkennen; Miriam Byrd-Nethery allerdings übertreibt es ein bisschen mit ihrer Weinerlichkeit in der Rolle. Trotz des Handlungsverlaufes sind die heftigsten Szenen nur angedeutet, und die Episode damit um einiges „harmloser“ als es der Plot vermuten lässt.
Stanley tötet sowohl Grace als auch seine Schwester. Er vergeht sich an Grace's Leiche (mit romantischem Kerzenlicht drumherum und einem Sektchen zum "Anstossen"), was dazu führt, daß die Tote im Grab(!) ein Kind „zur Welt“ bringt (ein hervorragend getrickstes, kleines und abgrundtief hässliches Monsterbaby), das aus der Erde herauskriecht und sofort weiss, wo es auf Rachefeldzug gehen muss. Stanley wird von seinem „Kind“ schliesslich ermordet und, wie Schmatzgeräusche dem Zuschauer deutlich machen, von ihm genüsslich verspeist. Welch „leckeres“ Ende!
Bodycount:
Grace wird von St
anley erwürgt;
Eileen wird von Stanley in der Badewanne ertränkt;
das „Baby“ fris
st Stanley bei lebendigem Leib auf.

Es folgt die sich wunderbar steigernde, schwarzhumorige Geschichte des Jesse Hardwick, der, von seinen Gläubigern angeschossen, in die Sümpfe flieht und dort von dem zurückgezogen lebenden Felder Evans vor dem Tode gerettet wird. Jesse erweist sich dann jedoch als sehr undankbar und wird dafür von Felder mit dem ewigen Leben, jawohl: bestraft…
Harry Caesar spielt den seltsamen Sumpfbewohner ruhig-routiniert, was genau zur Figur passt; und Terry Kiser zeigt sich als Jesse wandelbar, vom miesen Typen wird er zum dankbaren Geretteten und dann zum Gegner seines Retters- und letztlich zum wirklich bemitleidenswerten Opfer seiner eigenen Gier. Auch hier wird am schockierenden Ende wenig „schlimmes“ gezeigt, der Blick in Jesses verzweifelte Augen spricht für sich.
Jesse findet heraus, daß Felder das Geheimnis des ewigen Lebens (eine Flüssigkeit, die er während einer geheimen Zeremonie herstellt) entdeckt hat. Mit Gewalt will auch Jesse davon profitieren und erschlägt scheinbar Felder dabei. Doch dieser überlebt, klärt Jesse darüber auf, daß er ihm längst (um ihn anfangs zu retten) von der Flüssigkeit gegeben hatte, nur, um Jesse dann zu verhackstückeln. Jesses „Teile“ landen in einem Krankenhaus, wo die Ärzte vor einem Rätsel stehen, da Jesse längst tot sein müsste- doch darauf wird Jesse nun noch lange warten müssen.
Bodycount:
-

In Episode Drei erfahren wir von der Liebe zwischen der jungen Amarrillis und dem Glasesser Steven, die der Schlangenfrau, der Chefin des Kuriositätenkabinetts, in dem Steven arbeitet, ganz und gar nicht gefällt. Besonders Steven muss erkennen, daß Scherben wirklich nicht immer Glück bringen, sondern manchmal auch den (in diesem Fall sehr schmerzvollen) Tod…Die bis in die kleinsten Zirkusfreaksrollen formidabel gespielte Geschichte hat als „Höhepunkt“ die wirklich splatterigste Szene des Films, die noch dazu er-schreckend realistisch getrickst ist.


Als das Liebesaar gemeinsam durchbrennt, rächt sich die Schlangenfrau für den in ihren Augen unverzeihlichen Verrat. Sie spürt die beiden auf, und Steven fällt ihrem Fluch zum Opfer- die Scherben, die er als Artist verspeist hatte, bohren sich nun in Mengen von innen aus seinem Körper heraus und er verblutet unter Qualen. Amarrillis muss dem verzweifelt zusehen, ohne etwas ausrichten zu können.
Bodycount: siehe Inhalt.

Abschliessend folgt eine Begegnung zu Zeiten des amerikanischen Bürgerkrieges. Der Südstaatensergeant Gallen und seine Leute finden Unterschlupf in einem abgelegenen Farmhaus. Dort leben auch einige Kinder und Jugendliche, deren Eltern alle im Krieg getötet wurden, in einer sektenähnlichen Gemeinschaft. Die Soldaten müssen schnell und ungewollt lernen, daß diese Gemeinschaft ganz besondere Regeln hat und daß diese Kinder kein wenig lieb zu Erwachsenen sind… Als einzige Story nicht nur dem Genrekenner vorhersehbar (hat sie doch von Beginn an ziemlich viel Ähnlichkeiten mit Stephen King's schon über zehn Jahre vor diesem Film erschienener Kurzgeschichte „Kinder des Mais“, auch bekannt als „Kinder des Zorns“) ist sie doch düster genug gemacht und besonders von den Jungschauspielern Nowell und Bare überzeugend gespielt, um zu gefallen. Auch die (damals inzwischen) B-Filmikone Mitchell (einst in Bava's Ur-Giallo „Blutige Seide“) begeistert in seiner Rolle des vom Krieg abgestumpften Zynikers. 
Keiner der Erwachsenen kommt mit dem Leben davon, denn weder wollen noch brauchen die Kinder sie...

Bodycount:
Die kleine Amanda wird von Gallen bei einem Fluchtversuch getötet (er bricht ihr das Genick); Gallens Männer werden von den Kindern getötet und zerstückelt; Gallen wird von den Kindern bei lebendigem Leib verbrannt.
Alles in allem ist dieser Film ein rundum (gruselig bis schockend) auf seine besondere Weise unterhaltend inszeniertes, etwas anderes, kleines und leider allzu oft übersehenes Horrorschmankerl eines Regisseurs, der vor allem für Horrorfilmfortsetzungen bekannt ist (zum Beispiel „Leatherface:The Texas Chainsaw Massacre, Teil 3“). Die Kameraführung ist vorbildlich für einen Horrorfilm, immer da, wo sie sein soll, und die Musik (mit auffälligem „Halloween“-Touch und ähnlich simpel instrumentalisiert) unterstreicht die Szenen gelungen.
Die „harten“ Sequenzen werden zurückhaltend, da auch nicht anders nötig, eingesetzt, kommen aber, wenn schon, dann denn schon, heftig- oft ist es der Schnitt, der viel in unserer Phantasie entstehen lässt. Besonders aber in der dritten Episode wird auch gekonnt gezeigt, was ein echter Splatter-/Maskeneffekt ist. Die Bezeichnung „Splatterfilm“ für das Werk als ganzes wäre hier allerdings übertrieben, wenn auch der deutsche Zensor das (natürlich, mal wieder) anders sah, und recht übertrieben mit der Schere ans Werk heran ging.

Fazit:
Der Film ist eine absolute Empfehlung, nicht nur für die Freunde des Genres, die alles gesehen haben (wollen), und ist seinen Preis auch dank des Price (ein immer wieder gern genutztes Wortspiel!) wert. Etwas mehr im Stile der älteren „Amicus
“-Filme als neuzeitlicher Episodengrusler, gibt es hier hintendran noch einen klasse Ratzfatzepilog mit überraschender und bitterböser Pointe.
Leider ist das BIld recht dunkel geraten, was nicht unbedingt immer danach aussieht, als sei es vom Regisseur beabsichtigt gewesen, sondern eher danach, daß die Kopie, von der heutige Veröffentlichungen gezogen wurden, nicht mehr die besterhaltendste war.

Die deutsche Synchronisation ist aufgrund ihrer heutigen Qualität (relativ viele Tonschwankungen) ziemlich durchwachsen und nur mit Einschränkungen zu geniessen, dafür allerdings gut besetzt.

Darsteller:
Vincent Price (als Julian White/Rahmenhandlung) – Deutsch: Thomas Reiner
Susan Tyrrell (als Beth Chandler/Rahmenhandlung) – Deutsch: Heidi Treutler
Martine Beswick (als Katherine White/Rahmenhandlung) – Deutsch: Manuela Renard
Clu Gulager (als Stanley Burnside/Episode 1) – Deutsch: Klaus Höhne
Miriam Byrd-Nethery (als Eileen Burnside/Episode 1) – Deutsch: ?
Megan McFarland (als Grace Scott/Episode 1) – Deutsch: Marion Hartmann
Terry Kiser (als Jesse Hardwick/Episode 2) – Deutsch: Thomas Piper
Harry Caesar (als Felder Evans/Episode 2) – Deutsch: Jochen Striebeck
Didi Lanier (als Amarrillis/Episode 3) – Deutsch: Marina Köhler
Ron Brooks (als Steven Arden, der Glasesser/Episode 3) – Deutsch: Christian Tramitz
Rosalind Cash (als Schlangenfrau/Episode 3) – Deutsch: Dagmar Heller
Cameron Mitchell (als Sergeant Gallen/Episode 4) – Deutsch: Herbert Weicker
Thomas Nowell (als Andrew, Anführer der Kinder/Episode 4) – Deutsch: Sabine Bohlmann
Ashli Bare (als Amanda/Episode 4) – Deutsch: ?
u.A.

Regie: Jeff Burr
Drehbuch: C.Courtney Joyner, Darin Scott, Jeff Burr
Drehbuchmitarbeit: Mike Malone
Kamera: Craig Greene
Musik: Jim Manzie
Schnitt: W.O.Garrett
Produktionsdesign: Cynthia K.Charrete, C.Allen Posten
Kostüme: Cindy Charrete
Make Up: Lisa Taylor
Make Up-Effekte: Rob Burman
Spezialeffekte: Kelly Ott
Regieassistenz: Mark Hannah
Produktion: William Burr, Darin Scott


Spoiler der Rahmenhandlung (Epilog):
Beth offenbart Julian, daß sie ein „Fan“ von Katherine White ist, die sie während ihrer Brieffreundschaft aufgefordert habe, ihn, als deren letzten noch lebenden Blutsverwandten, zu töten. Beth wirft ein Messer in Julians Hals, und so muss auch dieser seinen schrecklichen Tribut an Oldfield zollen. Mit letzter Kraft spricht er die Worte: „Willkommen in Oldfield!“. Ende.

Anmerkung:
Nicht nur, daß das (auch Original-)Cover der Veröffentlichungen bis heute verrät, daß Price's Charakter selbst auch getötet wird, es ist zudem sachlich falsch, denn er wird mit dem Messer getötet (siehe Spoiler), und nicht durch einen kopflosen Henker geköpft.