(36) Veröffentlicht: 18.August 2019

VAMPIRE GEGEN HERAKLES
S
päter auch: Herkules gegen die Vampire
Italien, 1961 – Originallänge: 91 min. – Länge Kino D: 84 min. – FSK 12
Originaltitel:
Ercole al centro della terra (=dt.: Herkules am Mittelpunkt der Erde)
Englischsprachige Titel: Hercules In The Haunted World/Hercules In The Centre Of The World
Drehzeit: Mai/Juni 1961
Kinopremiere: Italien- 16.November 1961; D- 27.April 1962
...oder: Nach seiner Pfeife tanzt die Unterwelt.
Aus Mario Bava’s erster (noch schwarz-weisser) Regiearbeit aus dem Jahr zuvor, deren Originaltitel übersetzt „Die Maske des Dämonen“ hiess, wurde in Deutschland (auch mit Hilfe einiger falsch übersetzter und synchronisierter Dialogzeilen) der Film „Die Stunde, wenn Dracula kommt“, ohne daß ein „Dracula“ überhaupt im Film vorkam (aber immerhin wenigstens so etwas wie Vampire)…
Zwar wurde der deutsche Verleih nun nicht so „kreativ“, hier bei Bava’s zweiten Film „Dracula gegen Herakles“ antreten zu lassen, doch Vampire kommen diesmal auch nicht so wirklich vor. Zwar hat der Anführer der „Bösen“ gewisse vampirähnliche Kräfte und mag es lieber im Dunkeln zu sein (er ist ja schliesslich auch der Chef der Totenwelt), und dadurch, daß Christopher Lee ihn spielt, können natürlich „bestimmte“ Assoziationen geweckt werden
*, aber die so genannten „Vampire“ sind dann doch eher zum Originaltitel passende Wesen aus der Unterwelt (geisterhafte lebende Tote- die sich auch entsprechend benehmen, lange bevor Zombies zu Filmstars wurden- und die doch sehr nach Leprakranken aussehen). Der Verleih gab sich alle Mühen (auch hier wieder mit einer nicht ganz Originaldialogkorrekten deutschen Synchronisation und massiven Kürzungen), mit einem letztendlich (auch laut Originaltitel) „normalen“ Herkules-Film auf den ausserordentlich erfolgreichen Vampirfilm-Zug aufzuspringen. Warum man aber den Namen „Herkules“ trotz seiner Bekanntheit und seines ebenfalls sehr grossen Erfolges an den Kinokassen hier im Titel nicht benutzte, sondern seinen lateinischen Namen „Herakles“, das wird wohl ein Geheimnis bleiben.

Deutscher Titel hin, deutscher Titel her, wir haben es hier mit nicht mehr und nicht weniger als einem deutlich über dem vor allem bildnerischen Level seines Genres liegenden Sandalenfilm mit (gut eingesetzten und ausgeleuchteten) Gruseleinlagen zu tun, der auch trotz einiger Handlungsungereimtheiten, Continuityfehlern, eher schlechten Effekten und zumeist bescheidenen Darstellerleistungen einen grossen Spaß macht- Trash as Trash can eben. Und es sind nicht in erster Linie die Story und das Drehbuch, die diesen Film so anschauenswert machen (beides ist allerdings auch noch über dem Durchschnitt ähnlich gelagerter Filme).
Herkules muss mit seinen Freunden Theseus und (dem in Deutschland recht verulkten) Telemachus in die Unterwelt, dem Reich der Toten, hinabsteigen, um dort den „heiligen Apfel“ (der ein Eigenleben führt und offenbar nur zu gerne von Theseus verspeist werden möchte) zu finden und in die Welt der Lebenden zu bringen, da nur mit diesem Artefakt seine Verlobte Deianira von einem schrecklichen Fluch und aus der Gefangenschaft des Lykus befreit werden kann.
Der muskelbepackte Held muss nun viele Kämpfe (unter anderem gegen ein riesiges Steinmonster) austragen, manch verführerische Schönheit befreien und sonstige Prüfungen bestehen, und das alles wird auch nicht einfacher dadurch, daß sich Theseus (nachdem er kurz „tot“ war) durch einen Bann quasi unfreiwillig in die erstbeste Frau, die er sieht, verliebt und nicht mehr so ganz bei der Sache ist. Als es schliesslich zum grossen Entscheidungskampf gegen die Horden der Unterwelt kommt, hat Lykus noch einen draufzusetzen…


...oder (Von Rechts nach Links): Der Harte, der Zarte und die angesichts der Umstände viel zu ulkige Ulknudel.
...oder: Die Schöne, die nur ein Apfel retten kann.
Mario Bava (1914-1980) zeigt auch mit diesem Film und schon mit einem relativ langen Vorspann seine beeindruckende Fähigkeit, mittels seiner visuellen Umsetzung auch aus einer einfach gestrickten Geschichte großes Kino zu zaubern. Wohl kaum in der Geschichte des Films war es so wichtig, daß ein Regisseur auch als sein eigener Kameramann tätig war, und so direkt seine Ideen auf Zelluloid bannen konnte. Man kann sich kaum sattsehen (siehe >Zusatzseite) an den Bildkompositionen, man schwelgt in einer Art Rausch von Farben und im wahrsten Sinne des Wortes traumhaften Umgebungen (das können selbst einige wenige doch recht simple Miniaturbauten dem Zuschauer nicht madig machen). Das ist Expressionismus in seiner besten und pursten Form, einzigartig für seine Zeit und zudem überraschend angesichts der geringen Mittel (und der kurzen Zeit), die ihm für diesen Film (wie auch meistens sonst) zur Verfügung standen. Bava war wohl auch mit diesem Film seiner Zeit voraus, und es sollte noch lange dauern, bis ihm (auch für diesen Film) die Anerkennung zuteil wurde, die er verdient hat.
Die „schauspielerische“ Leistung von Muskelmann Reg Park ist allerdings tatsächlich unterirdisch und bleibt so platt wie sein Charakter ist, er muß lediglich auf Situationen reagieren, kämpfen, Muskeln spielen lassen (obwohl gut erkennbar ist, daß alles, was er so bewegen muss, aus Pappe ist) und „aussehen“, das reicht völlig. Mehr erwartet man allerdings auch gar nicht, damit ist er ja voll in der Tradition der meisten anderen „Herkules“-Darsteller.
Sehr schade ist, daß Christopher Lee (mit hotter Pilzkopfähnlicher Frisur) erst spät auftaucht und hinter seinen Möglichkeiten gelassen wurde- dem Charakter fehlen Nuancen (er ist halt einfach nur fies, guckt so, handelt so, und will alle um jeden Preis fertigmachen), um voll zu überzeugen. Das „Böse“ ist hier zu einsilbig und auch vorhersehbar. Später sollte Lee in seiner Biographie „gestehen“, daß dies einer der Filme war, den er nur „des Geldes wegen und aus Angst vor Armut“ gemacht hatte. Allerdings glänzt er dafür mit einem offensiv zur Schau getragenen Schuss Selbstironie (wo andere Schauspieler vielleicht ihre Langeweile raushängen lassen, strengt sich ein Lee eben trotzdem an, und nimmt sich selbst auf den Arm), der vieles ausgleichen kann.
 
* Auch sprach er an, daß er nicht erfreut war, als man in Deutschland so „frei“ mit der Titelgebung war, und so offensichtlich auf seinen „Dracula“-Ruhm anspielte.
Fazit:
Optisch in jeder Hinsicht ein Meisterwerk (was er selbst als Stummfilm noch wäre), mit einem wirklich grossartigen Musikscore, über vieles andere kann man diskutieren, muss man aber nicht. Einfach geniessen, als das was er ist- ein flotter Unterhaltungsfilm. Hierfür wurde Farbe erfunden, und selten so fantastisch eingesetzt.
Der Fan von Zombie-Filmen (und -Fernsehserien) beachte übrigens das Finale und vergleiche mit dem, was dort erst viele Jahre nach diesem Film passieren sollte (Stichwort: Auftritt der Untoten, siehe kleines Foto).
Darsteller:
Reg Park als Herakles (
= Herkules) – Deutsch: Horst Niendorf
Christopher Lee als Lykus – Deutsch: Friedrich Joloff
Giorgio Ardisson als Theseus – Deutsch: Michael Chevalier
Leonora Ruffo als Deianira – Deutsch: Uta Hallant
Marisa Belli als Aretusa – Deutsch: Bettina Schön
Franco Giacobini als Telemachus – Deutsch: Harry Wüstenhagen
Mino Dero als Keros – Deutsch: Siegfried Schürenberg
Ida Galli als Persephone – Deutsch: Marianne Lutz
u.A.
Regie und Kamera: Mario Bava
Drehbuch und Story: Alessandro Continenza, Mario Bava, Duccio Tessari, Franco Prosperi
Kamerassistenz (ungenannt): Joe D’Amato
Musik: Armando Trovajoli
Schnitt: Mario Serandrei
Produktionsdesign und Bauten: Franco Lolli
Kostüme: Mario Giorsi
Make Up: Franco Palombi, Renzo Francioni
Spezialeffekte: Tonino Cacciottolo
Regieassistenz: Franco Prosperi
Aufnahmeleitung: Giorgio Baldi
Produktionsleitung: Danilo Marciani
Produktion: Achille Piazzi
Hinweis für die Freunde von nicht deutschsprachigen Versionen:
In der italienischen Originalversion spricht Christopher Lee sich selbst in italienischer Sprache;
in der englischsprachigen Version hingegen wurde er von einem anderen Schauspieler synchronisiert.


Spoiler:
Lykus will Deianira töten (siehe oben) und (laut deutscher Synchronisation) mit ihrem Blut “zu seiner” machen (man frage besser nicht nach dem genauen Sinn dieser Szenen, wahrscheinlich ist da auch was mit der Synchronisation und den Schnitten verloren gegangen). Herkules gelingt es, Lykus' Horden zu besiegen, und seinen Gegner aus der Unterwelt an das Tageslicht zu treiben- wo Lykus sterben muss. Herkules und Deianira sind glücklich wieder vereint, und Theseus erwacht aus seinem Bann, ohne sich daran erinnern zu können, und findet ebenfalls die grosse, wahre Liebe. Ende.