(20) Veröffentlichung: 13.Mai 2019

ASYLUM, hierzulande auch: IRRGARTEN DES SCHRECKENS
GB, 1972 – Originallänge: 88 min./Kino und TV D (bis heute)*: 74 min. – beide Fassungen FSK 16
Originaltitel: Asylum; Titel
in den USA auch: House Of Crazies
Deutscher TV-Titel: Irrgarten des Schreckens

Drehzeit: 24 Tage im April 1972
Kinopremiere: GB- 6.Juli 1972; D- auf der Berlinale im Juni 1973/
Allgemeine Kinoauswertung in D jedoch erst ab dem 12.September 1980


* Bei neueren Veröffentlichungen wurden die entfernten Szenen mit deutschen Untertiteln wieder eingefügt, eine Nachsynchronisation wurde nicht erstellt.





Inhalt der Rahmenhandlung:
Dr. Martin, ein junger, aber schon anerkannter Arzt, muss eine ungewöhnliche und schwierige Aufgabe erfüllen, um die Position des Leiters einer psychiatrischen Klinik übernehmen zu dürfen: ihm werden nacheinander vier Patienten vorgestellt, und er soll unter den "unheilbar" Eingewiesenen, allesamt sehr schwere Fälle, den früheren Anstaltsleiter Dr.Starr, der oder die selber während seiner oder ihrer Dienstzeit verrückt wurde und nun in einer eigenen neuen Realität (der erzählten Geschichte) lebt, erkennen. Dann, und nur dann, hat er den bizarren Eignungstest bestanden. Doch von Anfang an beschleichen ihn Zweifel, ob die Geschichten überhaupt wahr sein können und ob hier im Institut alles mit rechten Dingen zugeht. Auch stellt sich ihm die Frage, wer denn hier zu den wirklich Verrückten gehört, und wer nicht, und wer Opfer ist, und wer Täter...

Was in den späteren Neunzehnhundertsiebziger Jahren ihre Phantasyfilme werden sollten (z.B. "Der sechste Kontinent
"), waren für die britische Produktionsfirma "Amicus" (lange vor allem auf der britischen Insel der „Hammer“-Konkurrent Nummer Eins) vorher seit Mitte der Sechziger ihre insgesamt acht Gruselepisodenfilme gewesen- zwar nicht immer von gleichbleibend hoher Qualität, aber immer mit grossem Schreckens- und Unterhaltungswert.
„Asylum“, der vierte Film der Reihe (erst 1980 in die deutschen Kinos gelangt, obwohl schon 1973 mit durchweg positivem Echo bei der Berlinale vorgestellt), gehört dabei, trotz seiner bis heute oft verwendeten reisserischen und viel Gewalt versprechenden Aufmachung, zu den eher stilleren Werken, und kann alles in allem mehr durch den im wahrsten Sinne des Wortes psychologischen Grusel als durch (gezeigte) Brutalität glänzen. Der Film überzeugt mit vier besonders stimmigen und durch die Rahmenhandlung grossartig verbundenen Geschichten, wobei ein Epilog schliesslich dem ganzen Werk noch eine Krone in Form eines vielleicht zwar nicht völlig unerwarteten, aber doch knalligen Finales aufsetzt- denn gerade in solchen Filmen (und zumeist in denen der
Amicus) ist ja oft vieles oder gar alles nicht so, wie es lange erscheint. Von der allerersten Szene an (der Anfahrt und Ankunft des Dr.Martin) zieht der Film den Zuschauer in (s)einen Bann, der ihn bis zum Finale nicht wieder loslässt. Wenn Dr.Martin das Gemäuer betritt, wissen wir, daß ihm Unangenehmes bevorsteht.

Die Rahmenhandlung verliert nie ihren roten Faden und hält ebenfalls immer wieder kleine Überraschungen bereit. Die Darsteller zeigen die verschiedenen Facetten ihrer Charaktere durchweg mit grosser Schauspielkunst. Patrick Magee als der undurchsichtige und arrogante, vorübergehende Leiter des Instituts weckt mehr und mehr unser wie auch Dr.Martin's Misstrauen, und sein Assistent, der von "Catweazle"-Darsteller Geoffrey Bayldon herausragend gespielte Chefpfleger, scheint ihm immer überlegen zu sein und zudem weitaus mehr zu wissen als sein Chef, und auch mehr, als er Dr.Martin anvertraut. Robert Powell steht anfangs noch etwas verwirrt und ein bisschen seltsam gelangweilt agierend  daneben, findet aber recht schnell auch noch in seine Spur und kann als an den Methoden der Klinik zweifelnder, fortschrittlicher Mediziner schliesslich im Ensemble mehr als nur mithalten.

Episode 1: Gut verpackt!


Als erstes muss Dr.Martin die verschüchterte und schweigsame Bonnie begutachten, deren angebliche Geschichte die kammerspielähnlich inszenierte Episode 1 „Frozen Fear“ (zu Deutsch etwa „Gefrorene Angst“- keiner der Episodentitel wurde in der deutschen Version übersetzt) erzählt. Die originelle und spezielle Geschichte um eine Rückkehr einer Toten fällt schauspielerisch aus dem ansonsten toll gespielten Ensemblerahmen- Richard Todd spielt hier die ein wenig überforderten Damen an die Wand, wobei man allerdings auch hinzufügen muss, daß deren Rollen fast unerheblich und klein sind. Todd spielt den so distinguierten wie skrupellosen Walter, der seine Frau Ruth geplant brutal ermordet, um für seine Geliebte Bonnie „frei“ zu sein. Doch auch, wenn er Ruth noch so geschickt zerstückelt, verpackt und in der Tiefkühltruhe entsorgt hatte, hätte er ihre Vorliebe für einen gar seltsamen „Heiler“ ernst nehmen sollen, denn dank diesem kann er sich nicht lange seiner Tat und seiner Freiheit erfreuen.
Bonnie muss miterleben, wie die einzelnen Körperteile der zerstückelten Ruth ein mörderisches Eigenleben entwickelen, und während Walter der Rache zum Opfer fällt und schliesslich in der Kühltruhe endet, die ja eigentlich für seine Frau vorgesehen war, kommt Bonnie mit einem zerstümmelten Gesicht (Foto links, anklicken für Vergrösserung) davon und landet in der Anstalt, weil niemand ihr glaubt und man sie für die Doppelmörderin hält, die sich selbst verletzt hat...
Schon hier, wie auch in den folgenden Episoden, bemerkt der Zuschauer, daß an den Tricks etwas (zu viel) gespart wurde, zu ungruselig und zu (nun ja, anders lässt es sich nicht ausdrücken) „abgehackt“ bewegen sich die Leichenteile, und man vermeint, die Strippen, von denen sie gezogen werden, zu sehen. Schade, da wäre auch damals schon mehr möglich gewesen.


Episode 1: Ein Mörder wird ermordet.

Episode 2: Vater und Sohn Smith.
In Episode 2 „The Weird Tailor“ („Der seltsame Schneider“, wobei der Titel etwas irreführend ist, da eigentlich dessen Kunde einer von der komischen Sorte ist) erfährt Dr.Martin von Brunos vermeintlichem Schicksal. Der vor allem als „Mondbasis Alpha 1“-Doktor berühmt gewordene Barry Morse (als Schneider Bruno) und Horrorlegende Peter Cushing (als an eine seiner Paraderollen als "Baron Frankenstein" erinnernder wirklich seltsamer Kunde Mr.Smith) brillieren in der Geschichte um einen Anzug aus einem ganz speziellen Stoff, den Bruno für Mr.Smith nach dessen genauen Anweisungen anfertigen soll. So hat Smith den Stoff selbst dabei, und geschneidert werden soll nur zu den Nachtstunden. Mehr erfährt Bruno nicht, aber er lässt sich darauf ein, da er das Geld, das ihm versprochen wird, gut gebrauchen kann. Sorgfältig geht er an sein Werk. Erst, als er Smith den Anzug überbringt, erfährt er die unheimliche Wahrheit- er arbeitete mit Menschenhaut und der Anzug soll den verstorbenen Sohn Smith's (der Anblick dessen Leiche ist ein Schock einjagendes Meisterwerk des Maskenbildners) wieder zum Leben erwecken, so wie es ein seltsames Buch verspricht.
Zwischen dem entsetzten Bruno (der zudem um sein Geld betrogen werden soll) und Smith kommt es zum Kampf, den Smith nicht überlebt.
Der Schneider kehrt mit dem Anzug zu seiner Frau zurück. Als diese ihn der Puppe „Otto“ anzieht, erwacht die Puppe (auch das hätte man überzeugender tricksen können, allzu sehr ist unter der Maskerade noch der menschliche Darsteller erkennbar) zum Leben. Der wahnsinnig gewordene Bruno endet in der Anstalt (das Schicksal seiner Frau und „Otto“’s bleibt unklar). Hier sitzt Bruno nun und schneidert weiter
(Foto links, anklicken für Vergrösserung)- ohne Faden, ohne Nadel...
In Episode 3, der sich langsam, aber umso intensiver entwickelnden und für so manchen tödlich endenden, ungleichen Schwesternbeziehung in „Lucy Comes To Stay“ („Lucy kommt, um zu bleiben“), zeigen die trotz aller Bos- und Gerissenheit entzückende Britt Ekland als Lucy und die charmante, aber ihrer Schwester folgsam ergebene Charlotte Rampling als Barbara (die Dr.Martin diesmal zu analysieren hat) schon in ihren frühen Jahren ihr grosses Talent. Es wird jedoch klar, daß nur (die gerade erst aus einer Therapie heimgekehrte und nun in ihrem Haus von Mann und einer Krankenschwester umsorgte) Barbara ihre Schwester Lucy sehen und hören kann, und daß diese dennoch einen egoistischen und fatalen Einfluss auf sie ausübt. Sie stachelt sie an, wiegelt sie auf, und sowohl Barbaras Mann (herrlich versnobt: James Villiers) als auch ihre Betreuerin Higgins (herrlich harmlos und überfreundlich: Megs Jenkins) werden getötet- durch Lucy, wie Barbara, ganz und gar davon überzeugt, behauptet.
Als Dr.Martin Barbara schliesslich nach ihrer Schwester fragt, und wo diese denn nun sei, antwortet Barbara, dass Lucy doch im Raum sei, doch nur sie sieht Lucy statt sich selbst im Spiegel.


Episode 3: Die Einflussnahme und die Sache mit dem Spiegelbild.



Episode 3: Erst die Schere für den Mann, dann das Messer für die Krankenschwester.





Episode 4: Dr.Byron und sein ganzer Stolz...

In Episode 4 erleben wir einen menschenfeindlichen und grausamen, aber herrlich selbstironisch aufgelegten Herbert Lom in "Mannikins Of Horror" („Männchen des Grauens“) als detailbesessenen und grössenwahnsinnigen Bastler von nett anzusehenden, aber tatsächlich höchst gefährlichen, kleinen Roboterpüppchen. Er behauptet, er könne sie allein mit seinen Gedanken zum Leben erwecken, und seine Gedanken sind wahrlich nicht die Besten (Ob es Absicht des Regisseurs war oder nicht, der Zuschauer glaubt nun, den früheren Anstaltsleiter ausgemacht zu haben, und auch Dr.Martin ist dieser Meinung). Zunächst aber muss Dr.Martin erleben, daß Byron tatsächlich in der Lage ist, nur mit seinem Willen eines der Roboterpüppchen zum Leben zu erwecken. Es tötet den von Byron gehassten Rutherford mit einem Skalpell (Foto unten, links). Martin gelingt es, die Puppe zu zertreten, bevor diese noch mehr Unheil anrichten kann, was dazu führt, daß Byrons Körper ebenfalls zerfetzt wird. Der Anblick letzteren bleibt uns erspart, seine Todesschreie aber hallen nach und der entsetzte Blick in Martins Augen beim Auffinden von Byron's Leiche sagt uns alles. 

Mögen die Episoden hier beendet sein, der Film ist es noch nicht (siehe ganz unten)...
Die Episoden basieren alle auf zuvor bereits veröffentlichten, und teilweise auch schon verfilmten (zum Beispiel in der legendären „Alfred Hitchcock presents“-Reihe des amerikanischen Fernsehens) Kurzgeschichten des „Psycho“-Autoren Robert Bloch, die, dank dessen, daß er selbst auch das Drehbuch verfassen konnte, im grossen und ganzen den geschriebenen Originalvorlagen entsprechen und keine remakten Versionen ihrer verfilmten Vorgänger sind.

Man merkt dem Film wirklich in keiner Szene an, daß er in nur etwas mehr als drei Wochen abgedreht wurde (Cushing und Lom hatten sogar jeweils nur zwei Drehtage), zu erfahren und professionell wurde hier gearbeitet. Sowohl die ständig vorhandene unangenehm-bedrohliche Atmosphäre (innerhalb der Episoden als auch dazwischen in der Anstalt) und auch das sichtbare Drumherum der penibel angefertigten Kulissen sind feinster, zwar altmodischer, aber immer begeisternder Grusel und die Kamera ist stets als unser Auge nah dabei. Das schon länger gut miteinander eingespielte Team war hier wohl von Vorteil, aber auch sicherlich, daß zum grössten Teil im Studio gearbeitet werden konnte und Aussenaufnahmen kaum nötig waren, zumal so gut wie gar keine mit Darstellern.
 

Fazit: 
Ein insgesamt leicht verdauliches, kurzweiliges Bonbon des gruseligen Episodenfilms mit einer exzellenten Schauspielerriege, viel schwarzem Humor, genialer Musikuntermalung und einem wunderbaren Ende. Lediglich die Effekte lassen zumeist zu wünschen übrig, aber das stört den Gesamteindruck nur minimal.

Wenn irgendwie möglich, sollte man unbedingt die ungekürzte, also die Originalfassung anschauen, auch wenn die deutsche Synchronisation sehr gelungen und hervorragend besetzt ist. Vierzehn fehlende Minuten machen sich eben dann doch bemerkbar, und der hintergründige englische Humor geht wegen der Übersetzung des öfteren verloren.

Ein tödliches Finale...

Ende der Rahmenhandlung:
Dr.Martins und unsere Vermutung, daß Byron gleich Starr war, bestätigt sich nicht. In Wahrheit ist „Pfleger“ Reynolds der verrückt gewordene Anstaltsleiter (und somit die Protagonisten der Episoden nur „normale“ Verrückte). Es kommt zu einem Kampf auf Leben und Tod, bei dem Martin von Reynolds erwürgt wird (Foto oben, rechts).

Der Epilog:
Nachdem er einen weiteren Bewerber um „seine“ Stelle ins Klinikum hereingelassen hat, wendet sich Geoffrey Bayldon/Reynolds mit einem eher schelmischem Grinsen direkt an den Zuschauer (blickt direkt in die Kamera), und lädt uns ein, zu ihm zu kommen, wenn wir psychische Probleme haben... Ende.




Bodycount (Siehe auch Inhaltsangaben):
Episode 1: Ruth, Walter
Episode 2: Smith, sein Sohn
Episode 3: George, Higgins
Episode 4: Rutherford, Dr.Byron
Rahmenhandlung/Finale: Dr.Martin