D,
1960 – 99 min.
In
Schwarz/Weiss
Seit
der Video-VÖ ungeschnitten FSK 12/davor ungeschnitten FSK
16
Drehzeit:
31.Mai-20.Juni
1960; in Berlin und München (Studio)
Aussenaufnahmen aus London sind Archivaufnahmen und wurden nicht für den Film gedreht
Kinopremiere
D: 5.August
1960
Besonderheit:
„Streng
genommen“, da weder
von der Rialto Film produziert noch von der Constantin Film verliehen
(was, bis auf „Der Fluch der gelben Schlange“ von 1963*,
für alle Filme der Edgar Wakllace-Reihe galt), gehört der Film
nicht zur „eigentlichen“ Reihe. Er konnte jedoch (und kann bis
heute) ausdrücklich als Edgar Wallace-Verfilmung beworben werden, da
zum Zeitpunkt seiner Entstehung die Rialto Film noch nicht die
Exklusivrechte zur Nutzung des Namens erworben hatte- das änderte
sich (wohl auch wegen dieses Films) unmittelbar danach, und alle
weiteren Edgar Wallace-Verfilmungen der Reihe (bis
auf*)
waren Rialto/Constantin-Gemeinschaftswerke. Mit 2,5 Millionen
Besuchern landete „Der Rächer“ erfolgstechnisch dennoch im
oberen Drittel der gesamten Reihe- der kurz nach ihm gestartete
Rialto-Wallace „Die Bande des Schreckens“ stoppte aber dann quasi diesen
Höhenflug.
*
Die
Rechte an „Der Fluch der gelben Schlange“ hatte Produzent Artur Brauner
(CCC Film) zwar bereits noch vor „Der Rächer“ erstanden, davon jedoch erst
1963 Gebrauch gemacht- dieser Film wurde dann aber immerhin von der
Contantin verliehen, so daß er bei seiner Kinoaufführung nicht
direkt mit einem Wallace-Film der Rialto konkurrieren musste.
Darsteller:
Heinz
Drache als Michael Brixan, Agent des Geheimdienstes
Benno
Sterzenbach als Sir Gregory Penn
Ina Duscha als Ruth Sanders,
Filmkomparsin
Ingrid van Bergen als Stella Mendoza,
Schauspielerin
Ludwig Linkmann als Henry Longvale
Siegfried
Schürenberg als Major Staines, Chef des Geheimdienstes
Klaus
Kinski als Lorenz Voss, Dramaturg
Friedrich Schoenfelder als Jack
Jackson, Filmregisseur
Al Hoosman als Bhag, Penn's Diener
Maria
Litto als Malaiische Tänzerin, Rainer Brandt als Schauspieler Reggie
Conolly,
Franz-Otto Krüger als Regieassistent Frankie, Rainer
Penkert als Kameramann,
Albert Bessler als Zeitungsmann (Stimme/Nachsynchronisation:
Knut Hartwig), Asikin Nazir als Bruder der malaiischen Tänzerin
u.A.
Der
„Rächer“ enthauptet seine Opfer (Zumeist Verbrecher, die durch
die Lücken des Gesetzes schlüpften, aber auch, weshalb er sich
selbst zynischerweise „Wohltäter“ nennt, andere, mit denen er
zuvor über chiffrierte Zeitungsanzeigen kommunizierte- wie sich
später herausstellt, handelt es sich dabei um Menschen, die sterben
wollten, aber zu „feige“ für einen Suizid waren) und verteilt
die Köpfe (und nur diese) in London. Nachdem Francis Elmer, ein
Mitarbeiter des Geheimdienstes (der zuvor Dienstgeheimnisse verraten
hatte), sein bereits 12.Opfer wurde, wird Agent Brixan von seinem
Chef beauftragt, den Unhold endlich dingfest zu machen (Was
ja auch langsam wirklich mal Zeit wird).
Die
noch einzige Spur führt zu Elmer's Nichte Ruth Sanders, einer
Schauspielerin, die ihn als letzte lebend gesehen hat- an ein
Filmset. Schon hier finden sich Verdächtige, und im Umfeld noch
mehr, wie der zwielichtige Forscher und Vielreisende Sir Gregory
Penn, der scharfe Schwerter (also ideale Köpfungswerkzeuge) sammelt
und nebenbei Ruth eifrig nachstellt (und sogar vor einem
Entführungsversuch nicht zurückschreckt).
Als Filmdramaturg
Voss, der eine wichtige Spur (den Absender eines Filmmanuskriptes,
das sehr an die Taten erinnert und zudem mit der selben
Schreibmaschine getippt wurde wie des „Rächer“'s Bekennerbriefe)
verwischt hat (um den natürlich Hauptverdächtigen zu erpressen) das
nächste Opfer des „Rächers“ wird, muss nun „nur noch“ der
Verfasser des Manuskriptes ausfindig gemacht werden...
Niemand
konnte vorher auch nur erahnen, wie
erfolgreich bereits die ersten beiden Filme der neuen Edgar
Wallace-Filmreihe der Rialto werden würden (denen mancher Kritiker
vorab, wie schnell klar wurde; zu absolutem Unrecht, einen Flop
prognostiziert hatte), und so gab es nur zwei Produzenten (siehe
auch „Besonderheiten“ oben),
die sich zu der Zeit bereits die deutschen Filmrechte an jeweils
einem Wallace-Werk gesichert hatten. Nur Kurt Ulrich hatte aber schon
jetzt den Mut, einen „eigenen“ Wallace in die Kinos zu bringen,
um noch vor dem dritten Rialto Film zu starten (was ihm, siehe
ebenfalls oben,
schliesslich nur knapp gelang). Da hatte die Rialto aber bereits
reagiert, und sich die Exklusivrechte an allen Werken und am Namen
Edgar Wallace bei den Erben gesichert, um solcherlei für die Zukunft
zu verhindern- was aber die Rialto nicht davon abhielt, sich das ein
oder andere beim „Rächer“ für ihre eigenen, folgenden Filme
„abzuschauen“ und gut zu merken.
Vor allem bei den
Schauspielern gilt das: Es war zwar tatsächlich Zufall, daß
Produzent Ulrich mit Drache, Kinski und Schürenberg gleich drei
spätere
Rialto-Wallace-Stammschauspieler engagierte (die damit hier in ihrem
ersten
Wallace-Film
zu sehen sind), doch sorgte gerade diese Besetzung vielleicht sogar
für genau das, weil hier
ihr Spiel der Rialto aufgefallen war (Als gesichert gelten kann diese
Vermutung jedoch nicht, doch fällt auf, daß auch die von ihnen
gespielten Charaktere denen ihrer späteren Einsätze nahezu
vollkommen gleichen). Daß aber der tumbe Charakter, den der
ehemalige Boxer Al Hooseman im „Rächer“ spielte, mindestens eine
Inspiration für die Rollen war, die in den Rialto-Filmen später zumeist Ady
Berber verkörpern würde, steht wohl ausser Frage.
Der Film
beginnt (zu allerdings völlig unpassender Musik, was sich dann zum Glück ändert, und dem pseudowitzigen Hinweis, daß „jede
Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen eine grosse Überraschung
für den Autor“ sein würde) direkt mit einer Szene, die damals als
blanker Magengrubenhorror gewirkt haben mag- dem Fund eines
abgetrennten Kopfes, den der Zuschauer auch in „aller Pracht“
bewundern kann (Kein Pappmaché, sondern einfach ein echter, blass
geschminkter, dadurch umso realistischer wirkender- in einem Karton,
durch den der Rest vom „Darsteller“ gut zu verdecken war). Nach
der obligatorischen Einführung in die bisherigen Erkenntnisse zum
Fall (den
der Geheimdienst aufgrund eigener „Betroffenheit“ nun wohl vom
bisher nicht so erfolgreichen Scotland Yard übernommen hat),
geht
es an ein Film-im-Film-Setting, was, wie meist in der Konstellation,
dem Film einige Gelegenheiten für mehr oder weniger gute Gags und zickige Ränkespiele
unter den Schauspielern (hier den *Innen) bietet. Dank der Drehorte
kommen aber auch düstere Gemäuer (derer gleich zwei) nicht zu kurz
in diesem Film, und auch das sollte sich bei den kommenden (Rialto-)
Wallace-Filmen weiter und oft grosser Nutzung und Beliebtheit beim Publikum erfreuen.
Dann
passiert jedoch, was einem Film nicht passieren sollte, und ihm den
Touch von „stets bemüht“ gibt (was ja leider nicht die beste
Note ist)- es passiert zwar viel (für sich auch sehenswert und gut
umgesetzt, von den Schauspielern über die Kulissen bis hin zu den
Bildern), doch ist es des Guten dann auch zu
viel.
Zuviel, was für die eigentliche Krimihandlung nicht nötig gewesen
wäre; zu viel Zufall (der Manuskriptfund) bei den Ermittlungen
Brixan's; und auch mit zu viel Charakteren vollgepackt (die Menge der
Filmleute, ein plötzlich auftauchender Bruder einer von Penn- für
die Handlung nebensächlich- eingesperrten Tänzerin). Etwas weniger
hier und da wäre in diesem Fall tatsächlich das gewisse „Mehr“
gewesen, hätte den „Rächer“ zum perfekten (etwa) 80-Minüter
werden lassen (können), anstatt zum überlangen Krimikammerspiel. Man muss
letzteres mögen, oder aber der Zeitzerrung verzeihen, daß sie die
Nervenzerreissung immer wieder etwas trübt.
Heinz Drache gibt
hier schon mehr als nur ansatzweise den nonchalanten
Gentlemanermittler, wie man ihn aus der Reihe kennt (Zur Erinnerung: beziehungsweise
aus damaliger Sicht noch kennenlernen würde). Nur selten scheint er
etwas übergeanstrengt zu agieren, vielleicht weil noch zu
Krimiunerfahren zu der Zeit (Auch der Fernsehstrassenfeger „Das
Halstuch“ sollte ja erst noch folgen).
Benno Sterzenbach hätte
man nach seiner bravourösen Leistung gerne in folgenden Wallace's
gesehen, eine Idealbesetzung für den bewusst Zwielichtigen, der zwar offensichtlich Dreck
am Stecken hat, aber wieviel, das bleibt lange offen, das kann er lange verbergen.
Ina Dusche
bleibt zu sehr „braves“ Mädchen, um aus dem Cast
herauszustechen, wohingegen Ingrid van Bergen in der kleineren Rolle
besonders als Zicke glänzen kann.
In Siegfried Schürenberg sieht
man schon hier den „Sir John“, nur scherzen darf er noch nicht
(Zur Erinnerung: dies war sein erster Wallace), Klaus Kinski ist in
einer solchen Rolle immer eine Bank (Zur Erinnerung: dito).
Al
Hooseman spielt einen geradezu erschreckend-stereotyp gezeichneten
„Wilden aus dem Dschungel“- das ist (wie später bei Ady Berber,
der immer als „Irrer“ auftreten musste) zwar ein Hingucker und
(in diesem Film: exotischer) Action-/Spannungsgarant, aber wäre zum
Glück wohl heute in einem Film so kaum noch denkbar, weil schon
rassistisch zu nennen. Muss man, wie oft bei Filmen aus dieser Zeit,
aber tatsächlich, dem damals
geschuldet, verzeihen und versuchen, es zu akzeptieren, was es ist-
eben auch ohne Worte gut gespielt.
Fazit:
Ohne
Frage „historisch bedeutsam“ für die Reihe und aufgrund der
frühen Entstehung kein Rip-Off, sondern ein eigenständiger und
trotz seiner Schwächen durchaus unterhaltsamer, Grusel-Krimi, der
aber leider zu langsam auf „die entscheidenden Punkte kommt“.
Die Auflösung
ist dann jedoch formidabel (überraschend), tatsächlich war's der am
wenigsten (wenn
nicht gar überhaupt nicht, und noch weniger als auch sonst bei
Wallace, und auch nicht vom Zuschauer) Verdächtig(t)e.
Stab:
Regie: Karl Anton
Drehbuch: Gustav Kampendonk, Ridolf Carter (=Rudolf Katscher)
Nach dem gleichnamigen Roman (Originaltitel: „The Avenger“)
von Edgar Wallace, 1926
Kamera: Willi Sohm (Assistenz: Hannes Fuchs)
Musik: Peter Sandloff
Schnitt: Walter von Bonhorst
Ton: Erwin Jenewein
Bauten: W.A.(=Willi) Herrmann, Kurt Stallmach
Kostüme: Trude Ulrich
Maske: Fredy Arnold, Hert(h)a Schwarz, Irmgard Förster
Produktionsassistenz: Peter Hahne
Aufnahmeleitung: Heinz Jungmann, Hanns Stani
Herstellungsleitung: Heinz Willeg
Produktionsleitung: Hans Lehmann
Gesamtleitung/Produktion: Kurt Ulrich
Spoiler:
Als „Rächer“ entpuppt sich der zuvor so harmlos und verwirrt wirkende Schlossbesitzer Henry Longvale (den Ludwig Linkmann nicht nur als fast gebrechlichen Herrn, sondern dann auch als irren Killer glaubhaft und sehenswert verkörpert). Das von ihm an die Filmfirma eingereichte Manuskript (sein Mitwisser Voss hatte den Einreicher unkenntlich gemacht, was die Spezialisten des Geheimdienstes jedoch rückgängig machen können) überführt ihn. Longvale's Ahne war einst der „Scharfrichter von Frankreich“ gewesen, und Longvale trat (weder wirklich „Rächer“, noch „Wohltäter“, sondern einfach völlig Wahnsinnig) in seine Fußstapfen und tötete fortan mit einer Guillotine.
(Aus nicht nachvollziehbaren Gründen) wartet Brixan jedoch damit, die Erkenntnis (auch dem Zuschauer) bekannt zu machen, und erst einmal geraten (statt eines nun möglichen flotten Endes) er, Ruth und Penn in die Fänge des „Rächers“, der sie in den Katakomben seines Schlosses alle drei köpfen will (siehe Fotos hierunter).
Zum Retter wird schliesslich Bhag, der Longvale auf dessen eigener Guillotine köpft- die eintreffende Polizei wäre Sekunden zu spät gekommen.
Zum Schluss sieht der Zuschauer noch, wie sich Brixan und Ruth Tags darauf zum Entsetzen von Regisseur Jackson während des Drehs einer von ihm anders geplanten Filmszene küssen- Happy Ende.
Bodycount:
(Anmerkung: Es wird kein einziger Mord gezeigt, denn Bhag's Tat am Ende dürfte wohl als Notwehr durchgehen. Zudem vergehen zwischen den ersten beiden gezeigten „Kopffunden“ mehr als 60 Minuten)
- Nur erwähnt: Die 12 Opfer des „Rächers“ vor Beginn der eigentlichen Filmhandlung.
- Der Geheimdienstmitarbeiter Francis Elmer (vom „Rächer“ geköpft, wie sich herausstellt in „Absprache“ zwischen den beiden).
- Lorenz Voss (vom „Rächer“ geköpft). Er war Longvale als Erpresser (siehe Inhalt) zu gefährlich geworden.
- Nur erwähnt: Der Kopf der Frau, die im Auftrag des „Rächers“ die Zeitungsanzeigen (siehe Inhaltsbeschreibung) aufgab, wird gefunden; ihre Identität und warum der „Rächer“ auch sie tötete bleibt im Film ungeklärt.
- Bhag köpft Longvale (siehe Spoiler).
Eine durchaus berechtigte, wenn auch makabre Frage:
Was eigentlich hat Herr Longvale mit den Körpern der von ihm Geköpften getan, wo hat er sie „entsorgt“?