(109) Veröffentlichung: 17. Juli 2021

D, 1960 – 99 min.
In Schwarz/Weiss
Seit der Video-VÖ ungeschnitten FSK 12/davor ungeschnitten FSK 16

Drehzeit: 31.Mai-20.Juni 1960; in Berlin und München (Studio)
Aussenaufnahmen aus London sind Archivaufnahmen und wurden nicht für den Film gedreht
Kinopremiere D: 5.August 1960

Besonderheit:
„Streng genommen“, da weder von der Rialto Film produziert noch von der Constantin Film verliehen (was, bis auf „Der Fluch der gelben Schlange“ von 1963*, für alle Filme der Edgar Wakllace-Reihe galt), gehört der Film nicht zur „eigentlichen“ Reihe. Er konnte jedoch (und kann bis heute) ausdrücklich als Edgar Wallace-Verfilmung beworben werden, da zum Zeitpunkt seiner Entstehung die Rialto Film noch nicht die Exklusivrechte zur Nutzung des Namens erworben hatte- das änderte sich (wohl auch wegen dieses Films) unmittelbar danach, und alle weiteren Edgar Wallace-Verfilmungen der Reihe (bis auf*) waren Rialto/Constantin-Gemeinschaftswerke. Mit 2,5 Millionen Besuchern landete „Der Rächer“ erfolgstechnisch dennoch im oberen Drittel der gesamten Reihe- der kurz nach ihm gestartete Rialto-Wallace „Die Bande des Schreckens“ stoppte aber dann quasi diesen Höhenflug.
* Die Rechte an „Der Fluch der gelben Schlange“ hatte Produzent Artur Brauner (CCC Film) zwar bereits noch vor „Der Rächer“ erstanden, davon jedoch erst 1963 Gebrauch gemacht- dieser Film wurde dann aber immerhin von der Contantin verliehen, so daß er bei seiner Kinoaufführung nicht direkt mit einem Wallace-Film der Rialto konkurrieren musste.

Darsteller:
Heinz Drache als Michael Brixan, Agent des Geheimdienstes
Benno Sterzenbach als Sir Gregory Penn
Ina Duscha als Ruth Sanders, Filmkomparsin
Ingrid van Bergen als Stella Mendoza, Schauspielerin
Ludwig Linkmann als Henry Longvale
Siegfried Schürenberg als Major Staines, Chef des Geheimdienstes
Klaus Kinski als Lorenz Voss, Dramaturg
Friedrich Schoenfelder als Jack Jackson, Filmregisseur
Al Hoosman als Bhag, Penn's Diener
Maria Litto als Malaiische Tänzerin, Rainer Brandt als Schauspieler Reggie Conolly,
Franz-Otto Krüger als Regieassistent Frankie, Rainer Penkert als Kameramann,
Albert Bessler als Zeitungsmann (Stimme/Nachsynchronisation: Knut Hartwig), Asikin Nazir als Bruder der malaiischen Tänzerin
u.A.


Der „Rächer“ enthauptet seine Opfer (Zumeist Verbrecher, die durch die Lücken des Gesetzes schlüpften, aber auch, weshalb er sich selbst zynischerweise „Wohltäter“ nennt, andere, mit denen er zuvor über chiffrierte Zeitungsanzeigen kommunizierte- wie sich später herausstellt, handelt es sich dabei um Menschen, die sterben wollten, aber zu „feige“ für einen Suizid waren) und verteilt die Köpfe (und nur diese) in London. Nachdem Francis Elmer, ein Mitarbeiter des Geheimdienstes (der zuvor Dienstgeheimnisse verraten hatte), sein bereits 12.Opfer wurde, wird Agent Brixan von seinem Chef beauftragt, den Unhold endlich dingfest zu machen
(Was ja auch langsam wirklich mal Zeit wird).
Die noch einzige Spur führt zu Elmer's Nichte Ruth Sanders, einer Schauspielerin, die ihn als letzte lebend gesehen hat- an ein Filmset. Schon hier finden sich Verdächtige, und im Umfeld noch mehr, wie der zwielichtige Forscher und Vielreisende Sir Gregory Penn, der scharfe Schwerter (also ideale Köpfungswerkzeuge) sammelt und nebenbei Ruth eifrig nachstellt (und sogar vor einem Entführungsversuch nicht zurückschreckt).
Als Filmdramaturg Voss, der eine wichtige Spur (den Absender eines Filmmanuskriptes, das sehr an die Taten erinnert und zudem mit der selben Schreibmaschine getippt wurde wie des „Rächer“'s Bekennerbriefe) verwischt hat (um den natürlich Hauptverdächtigen zu erpressen) das nächste Opfer des „Rächers“ wird, muss nun „nur noch“ der Verfasser des Manuskriptes ausfindig gemacht werden...

Niemand konnte vorher auch nur erahnen, wie erfolgreich bereits die ersten beiden Filme der neuen Edgar Wallace-Filmreihe der Rialto werden würden (denen mancher Kritiker vorab, wie schnell klar wurde; zu absolutem Unrecht, einen Flop prognostiziert hatte), und so gab es nur zwei Produzenten (siehe auch „Besonderheiten“ oben), die sich zu der Zeit bereits die deutschen Filmrechte an jeweils einem Wallace-Werk gesichert hatten. Nur Kurt Ulrich hatte aber schon jetzt den Mut, einen „eigenen“ Wallace in die Kinos zu bringen, um noch vor dem dritten Rialto Film zu starten (was ihm, siehe ebenfalls oben, schliesslich nur knapp gelang). Da hatte die Rialto aber bereits reagiert, und sich die Exklusivrechte an allen Werken und am Namen Edgar Wallace bei den Erben gesichert, um solcherlei für die Zukunft zu verhindern- was aber die Rialto nicht davon abhielt, sich das ein oder andere beim „Rächer“ für ihre eigenen, folgenden Filme „abzuschauen“ und gut zu merken.
Vor allem bei den Schauspielern gilt das: Es war zwar tatsächlich Zufall, daß Produzent Ulrich mit Drache, Kinski und Schürenberg gleich drei
spätere Rialto-Wallace-Stammschauspieler engagierte (die damit hier in ihrem ersten Wallace-Film zu sehen sind), doch sorgte gerade diese Besetzung vielleicht sogar für genau das, weil hier ihr Spiel der Rialto aufgefallen war (Als gesichert gelten kann diese Vermutung jedoch nicht, doch fällt auf, daß auch die von ihnen gespielten Charaktere denen ihrer späteren Einsätze nahezu vollkommen gleichen). Daß aber der tumbe Charakter, den der ehemalige Boxer Al Hooseman im „Rächer“ spielte, mindestens eine Inspiration für die Rollen war, die in den Rialto-Filmen später zumeist Ady Berber verkörpern würde, steht wohl ausser Frage.

Der Film beginnt (zu allerdings völlig unpassender Musik, was sich dann zum Glück ändert, und dem pseudowitzigen Hinweis, daß „jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen eine grosse Überraschung für den Autor“ sein würde) direkt mit einer Szene, die damals als blanker Magengrubenhorror gewirkt haben mag- dem Fund eines abgetrennten Kopfes, den der Zuschauer auch in „aller Pracht“ bewundern kann (Kein Pappmaché, sondern einfach ein echter, blass geschminkter, dadurch umso realistischer wirkender- in einem Karton, durch den der Rest vom „Darsteller“ gut zu verdecken war). Nach der obligatorischen Einführung in die bisherigen Erkenntnisse zum Fall
(den der Geheimdienst aufgrund eigener „Betroffenheit“ nun wohl vom bisher nicht so erfolgreichen Scotland Yard übernommen hat), geht es an ein Film-im-Film-Setting, was, wie meist in der Konstellation, dem Film einige Gelegenheiten für mehr oder weniger gute Gags und zickige Ränkespiele unter den Schauspielern (hier den *Innen) bietet. Dank der Drehorte kommen aber auch düstere Gemäuer (derer gleich zwei) nicht zu kurz in diesem Film, und auch das sollte sich bei den kommenden (Rialto-) Wallace-Filmen weiter und oft grosser Nutzung und Beliebtheit beim Publikum erfreuen.

Dann passiert jedoch, was einem Film nicht passieren sollte, und ihm den Touch von „stets bemüht“ gibt (was ja leider nicht die beste Note ist)- es passiert zwar viel (für sich auch sehenswert und gut umgesetzt, von den Schauspielern über die Kulissen bis hin zu den Bildern), doch ist es des Guten dann auch
zu viel. Zuviel, was für die eigentliche Krimihandlung nicht nötig gewesen wäre; zu viel Zufall (der Manuskriptfund) bei den Ermittlungen Brixan's; und auch mit zu viel Charakteren vollgepackt (die Menge der Filmleute, ein plötzlich auftauchender Bruder einer von Penn- für die Handlung nebensächlich- eingesperrten Tänzerin). Etwas weniger hier und da wäre in diesem Fall tatsächlich das gewisse „Mehr“ gewesen, hätte den „Rächer“ zum perfekten (etwa) 80-Minüter werden lassen (können), anstatt zum überlangen Krimikammerspiel. Man muss letzteres mögen, oder aber der Zeitzerrung verzeihen, daß sie die Nervenzerreissung immer wieder etwas trübt.

Heinz Drache gibt hier schon mehr als nur ansatzweise den nonchalanten Gentlemanermittler, wie man ihn aus der Reihe kennt (Zur Erinnerung: beziehungsweise aus damaliger Sicht noch kennenlernen würde). Nur selten scheint er etwas übergeanstrengt zu agieren, vielleicht weil noch zu Krimiunerfahren zu der Zeit (Auch der Fernsehstrassenfeger „Das Halstuch“ sollte ja erst noch folgen).
Benno Sterzenbach hätte man nach seiner bravourösen Leistung gerne in folgenden Wallace's gesehen, eine Idealbesetzung für den bewusst Zwielichtigen, der zwar offensichtlich Dreck am Stecken hat, aber wieviel, das bleibt lange offen, das kann er lange verbergen.
Ina Dusche bleibt zu sehr „braves“ Mädchen, um aus dem Cast herauszustechen, wohingegen Ingrid van Bergen in der kleineren Rolle besonders als Zicke glänzen kann.
In Siegfried Schürenberg sieht man schon hier den „Sir John“, nur scherzen darf er noch nicht (Zur Erinnerung: dies war sein erster Wallace), Klaus Kinski ist in einer solchen Rolle immer eine Bank (Zur Erinnerung: dito).
Al Hooseman spielt einen geradezu erschreckend-stereotyp gezeichneten „Wilden aus dem Dschungel“- das ist (wie später bei Ady Berber, der immer als „Irrer“ auftreten musste) zwar ein Hingucker und (in diesem Film: exotischer) Action-/Spannungsgarant, aber wäre zum Glück wohl heute in einem Film so kaum noch denkbar, weil schon rassistisch zu nennen. Muss man, wie oft bei Filmen aus dieser Zeit, aber tatsächlich, dem
damals geschuldet, verzeihen und versuchen, es zu akzeptieren, was es ist- eben auch ohne Worte gut gespielt.

Fazit:
Ohne Frage „historisch bedeutsam“ für die Reihe und aufgrund der frühen Entstehung kein Rip-Off, sondern ein eigenständiger und trotz seiner Schwächen durchaus unterhaltsamer, Grusel-Krimi, der aber leider zu langsam auf „die entscheidenden Punkte kommt“.
Die Auflösung ist dann jedoch formidabel (überraschend), tatsächlich war's der am wenigsten
(wenn nicht gar überhaupt nicht, und noch weniger als auch sonst bei Wallace, und auch nicht vom Zuschauer) Verdächtig(t)e.

Stab:
Regie: Karl Anton
Drehbuch: Gustav Kampendonk, Ridolf Carter (=Rudolf Katscher)
Nach dem gleichnamigen Roman (Originaltitel: „The Avenger“)
von Edgar Wallace, 1926
Kamera: Willi Sohm (Assistenz: Hannes Fuchs)
Musik: Peter Sandloff
Schnitt: Walter von Bonhorst
Ton: Erwin Jenewein
Bauten: W.A.(=Willi) Herrmann, Kurt Stallmach
Kostüme: Trude Ulrich
Maske: Fredy Arnold, Hert(h)a Schwarz, Irmgard Förster
Produktionsassistenz: Peter Hahne
Aufnahmeleitung: Heinz Jungmann, Hanns Stani
Herstellungsleitung: Heinz Willeg
Produktionsleitung: Hans Lehmann
Gesamtleitung/Produktion: Kurt Ulrich

Spoiler:
Als „Rächer“ entpuppt sich der zuvor so harmlos und verwirrt wirkende Schlossbesitzer Henry Longvale (den Ludwig Linkmann nicht nur als fast gebrechlichen Herrn, sondern dann auch als irren Killer glaubhaft und sehenswert verkörpert). Das von ihm an die Filmfirma eingereichte Manuskript (sein Mitwisser Voss hatte den Einreicher unkenntlich gemacht, was die Spezialisten des Geheimdienstes jedoch rückgängig machen können) überführt ihn. Longvale's Ahne war einst der „Scharfrichter von Frankreich“ gewesen, und Longvale trat (weder wirklich „Rächer“, noch „Wohltäter“, sondern einfach völlig Wahnsinnig) in seine Fußstapfen und tötete fortan mit einer Guillotine.
(Aus nicht nachvollziehbaren Gründen) wartet Brixan jedoch damit, die Erkenntnis (auch dem Zuschauer) bekannt zu machen, und erst einmal geraten (statt eines nun möglichen flotten Endes) er, Ruth und Penn in die Fänge des „Rächers“, der sie in den Katakomben seines Schlosses alle drei köpfen will (siehe Fotos hierunter).
Zum Retter wird schliesslich Bhag, der Longvale auf dessen eigener Guillotine köpft- die eintreffende Polizei wäre Sekunden zu spät gekommen.
Zum Schluss sieht der Zuschauer noch, wie sich Brixan und Ruth Tags darauf zum Entsetzen von Regisseur Jackson während des Drehs einer von ihm anders geplanten Filmszene küssen-
Happy Ende.

Bodycount:

(Anmerkung: Es wird kein einziger Mord gezeigt, denn Bhag's Tat am Ende dürfte wohl als Notwehr durchgehen. Zudem vergehen zwischen den ersten beiden gezeigten „Kopffunden“ mehr als 60 Minuten)
- Nur erwähnt: Die 12 Opfer des „Rächers“ vor Beginn der eigentlichen Filmhandlung.
- Der Geheimdienstmitarbeiter Francis Elmer (vom „Rächer“ geköpft, wie sich herausstellt in „Absprache“ zwischen den beiden).
- Lorenz Voss (vom „Rächer“ geköpft). Er war Longvale als Erpresser
(siehe Inhalt) zu gefährlich geworden.
-
Nur erwähnt: Der Kopf der Frau, die im Auftrag des „Rächers“ die Zeitungsanzeigen (siehe Inhaltsbeschreibung) aufgab, wird gefunden; ihre Identität und warum der „Rächer“ auch sie tötete bleibt im Film ungeklärt.
- Bhag köpft Longvale
(siehe Spoiler).

Eine durchaus berechtigte, wenn auch makabre Frage:
Was eigentlich hat Herr Longvale mit den Körpern der von ihm Geköpften getan, wo hat er sie „entsorgt“?