(86) Veröffentlichung: 3.März 2021

Italien/Frankreich, 1960
Originallänge der italienischen Fassung: 96 min.
Originallänge der französischen Fassung: 90 min.
Kino D: 93 min. FSK 18*
Originaltitel Italien: Il Mulino delle Donne di Pietra
Originaltitel Frankreich: Le Moulin des Supplices


Kinopremieren:
Italien- 1.Oktober 1960; Frankreich- 5.September 1962;
D- 23.März 1962


Darsteller:
Pierre Brice als Hans von Arnim – Deutsch: Michael Cramer
Scilla Gabel als Elfie Wahl – Deutsch: Margot Leonard
Wolfgang Preiss als Dr.Bohlem – Deutsch: Er selbst
Herbert (A.E.) Böhme als Professor Gregorius Wahl – Deutsch: Werner Lieven
Dan(n)y Carrel(l) als Liselotte, Hans' Freundin  – Deutsch: Alwy Becker
Marco Guglielmi als Raab, Freund von Hans – Deutsch: Claus Biederstaedt
Liana Orfei als Annelore – Deutsch: Eva Pflug
Olga Solbelli als Selma, Haushälterin der Wahls – Deutsch: Carola Höhn
Alberto Archetti als Konrad, Assistent von Professor Wahl – Deutsch: Harry Kalenberg
u.A.

Der Architekturstudent Hans von Arnim kommt in die (fiktive, im Film nahe Amsterdam gelegene) niederländische Stadt Veezel, um eine Jubiläumsschrift über das dortige „Karussell der versteinerten Frauen“ (eine inzwischen 100 Jahre alte Attraktion, die, angetrieben von einem Mühlrad, die Statuen von Frauen im Moment ihres gewaltsamen Todes präsentiert) zu schreiben. Professor Wahl, der Betreiber und Nachkomme des Begründers, gibt Hans offensichtlich nur widerwillig Zugang zu den Räumlichkeiten.
Hans lernt Elfie, die wegen einer Krankheit von diesem streng behütete Tochter des Professors, kennen, und die beiden verbringen eine Liebesnacht
(von der zwar nicht viel gezeigt, aber für die Zeit doch danach mehr als offen gesprochen wird) miteinander. Hans, seit langem mit Liselotte verbandelt, bereut den One-Night-Stand schnell, und beendet trotz seines Zwiespalts das Verhältnis mit Elfie bereits am nächsten Tag. Der Schock ist für Elfie gross, und sie stirbt sogar daran.
Jedoch bekommt auch Hans seinen Schock- als er nämlich am nächsten Tag seltsame Visionen in der Mühle erlebt, die gefesselte Annelore (eine Bekannte von Liselotte) dort erblickt und feststellt, daß Elfie doch lebt. Dr.Bohlem, der Hausarzt der Wahls, setzt den völlig verwirrten Hans unter Drogen, so daß Hans durch die Vorfälle letztlich eine Amnesie erleidet und nach Hause zurückkehrt, wo ihn Liselotte liebevoll pflegt.

Professor Wahl und Dr.Bohlem glauben, ihr von ihnen gehütetes schreckliches Geheimnis der Mühle sei nun sicher, doch Hans erlangt langsam sein Erinnerungsvermögen zurück, und als Liselotte spurlos verschwindet, wird ihm manches klar...

Vor allem die Sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts sind wahrlich nicht arm an obskuren (manchmal auch blöden) und oft langen Titeln für Gruselfilme, die, wie in diesem Fall auch, nicht selten damit schon einiges von ihrem Inhalt (und sogar der Auflösung) verraten (nicht nur dem Genrekenner). Na ja, wers mag, wichtig ist ja dann doch das, was drinsteckt, nicht, was draufsteht. Zumindest musste man, im Gegensatz zu heutzutage, nicht unbedingt der englischen oder einer anderen ausländischen Sprache mächtig sein, um Titel zu verstehen- es wurde zumeist noch schlicht und einfach und möglichst originalgetreu übersetzt.
Hier haben wir einen typischen Vertreter dieser Spezies, der dazu einer von der gelungen(st)en Sorte ist- geradezu ein vorbildlicher Gruselfilm, nach dem Motto:
Schaut hin, so wird’s gemacht.
Nach allen Regeln der grossen Horrorkunst und mit berauschend bunten (mit leichter Hand fotografierten) Farben wurde hier an ein quasi (minütlich geradezu exakt) zweigeteiltes Werk (das sich in den meisten Momenten und inklusive seiner Kulissen und Szenenbilder durchaus mit den Produktionen der englischen Hammer-Produktionsgesellschaft messen kann) herangegangen und eine eigentlich eher einfach gestrickte Geschichte effektiv und unterhaltsam in einen grossartigen Film umgesetzt,

Bewusst bedächtig läuft der Film an, in langen Einstellungen erfolgt die Ankunft des Hans an seiner kurzzeitigen Wirkungsstätte und seine ersten Schritte dort. Die Protagonisten werden ausführlich vorgestellt, eine lange Wirtshausszene trägt ihren Teil dazu bei. Langeweile jedoch kommt dabei nicht auf, denn der Spannungsaufbau und damit der gesamte Film sind stilsicher inszeniert (die Genreüblichen Geräusche eingeschlossen), die aufkommende Bedrohung von Beginn an spürbar. Nach und nach wird die unheimliche Atmosphäre latent und die (ihm geschickt aufgedrängte) früh aufkommende Ahnung des Zuschauers um das Grauenvolle wird zur Gewissheit. Der (scheinbare) Tod der Elfie wird dann zu einem Wendepunkt des Plots und lässt den absoluten Horror beginnen.
In der zweiten Hälfte des Films überschlagen sich dann die Ereignisse, Schlag auf Schlag ist nun das Motto (wobei geschickt vermieden wurde, den Film mit Handlung zu überfrachten und damit womöglich nur zu verwirren), und
auch, wenn wir als Zuschauer nun um das eigentliche Geheimnis (das Grundgerüst der Geschichte) wissen, wird spannend bis zum Schluss weitererzählt. Ein glückliches Ende, und für wen, bleibt dabei bis zur im wahrsten Sinne des Wortes letzten Minute offen.


Von einem Regisseur, der ansonsten eher in der zweiten und dritten Reihe der italienischen Regiezunft stand und sonst nur eher unbekannte Sandalen- und Spaghettiwestern aufzuweisen hat, würde man eine solche Arbeit nicht zwingend erwarten. Ein Schelm, der „böses“ denkt, aber in manchen Einstellungen besteht eine derartige Nähe zum Mario Bava'schen (doch von diesem offiziell selbst erst später angewandten Farb-)Stil, daß bis heute die Gerüchteküche verlauten lässt, Bava selbst hätte beim Film (mit) Hand angelegt.

Als der Film im März 1962 mit eher überschaubarer Resonanz in den deutschen Kinos startete, war der Hauptdarsteller hierzulande noch völlig unbekannt, was sich noch im Dezember des gleichen Jahres schlagartig ändern sollte- denn da wurde aus Pierre Brice (in seinem Heimatland Frankreich der, der nur die Rollen bekam, die Alain Delon nicht wollte, und der daher nach Italien gegangen war)
der „Winnetou“, fortan Held und Liebling der Deutschen, und bis heute, über seinen Tod hinaus, eng mit dieser Rolle verbunden. Und was soll man sagen- er zeigt in der „Mühle…“ eine wirklich beeindruckende Leistung, hin- und hergerissen von seinen Gefühlen, sich schuldig fühlend am Tod Elfie's, in eine Welt zwischen Traum, Wirklichkeit und Wahnsinn gerissen, gibt er hier dem „Hans“ Seele und überzeugt in jeder Szene und mit jeder Regung. Das ist fast unerwartet, wenn man ihn in der Westernrolle sieht, die ihm nie viel abverlangte und in der er nie viel von dem, was er konnte, zeigen durfte- und das ist hier Schauspielkunst vom Feinsten.
Ein Kabinettstückchen liefert wie stets Wolfgang Preiss ab, schon seine erste Szene macht deutlich, daß er wohl nichts Gutes im Schilde führt, zugleich ist sein Charakter aber so abwechselnd angelegt, daß er für Überraschungen gut ist. Zwar geht er über Leichen, um Elfie zu helfen, doch tut er dies aus Liebe zu ihr, und in der (letztlich vergeblichen) Hoffnung, sie für sich zu gewinnen.
Aus Liebe handelt auch der heute leider fast vergessene H.A.E.Böhme als Elfie's Vater (zwischen Mürrisch bis uns Unheimlich nutzt er viel Wandlungsspielraum), doch ist er längst schon an den Wahnsinn verloren gegangen.
Nicht ganz so überzeugend spielt Scilla Gabel, sie ist zu aufdringlich verführerisch, daher etwas unglaubwürdig, hat aber auch nicht viel Platz für ihre eindimensionale Rolle; Dan(n)y Carrel(l)- in verschiedenen Ländern unter verschiedenen Namensversionen genannt- bleibt sogar total blass, ihre Rolle scheint fast überflüssig (ausser fürs Finale).


Der Film insgesamt bleibt nachhaltig in Erinnerung als ein traurig-beklemmendes Horrormärchen (das durchaus aus dem Hause Grimm stammen könnte), in dem die Bösen fassbar sind, weil menschlich, und trotz beziehungsweise gerade wegen ihrer Motivationen für ihre Taten sogar mehr unser Mitleid als unseren Zorn auf sich laden. Wir verstehen sie, warum sie das tun, auch in ihrer Brutalität- selbst, wenn es verachtenswert ist- und wir schämen uns nicht dafür. Und sind am Ende dann doch froh, daß es für die „Reinen“, die „Guten“, ein spätes Happy End geben darf.
Ein grossartiges Finale im Feuer setzt dem Film noch eine Krone auf, die Figuren des Karussells, die (nicht unbedingt in den Nahaufnahmen, aber doch aus der Ferne) stets ihren faszinierend-morbiden Charme versprühten, zerfliessen in der Feuersbrunst und wirken nun auch noch echter als in den Szenen zuvor. Fast zum Abwenden schön.

Fazit:
Ein Geheimtip, der sich mehr als nur lohnt, ein Schmankerl für den Freund des Gothichorrors- man muss (was Herr Brice dem Zuschauer tatsächlich nicht schwer macht) nur diesen „Winnetou“ aus dem Kopf bekommen.
Die Synchronisation ist fabelhaft, das Bild leider allgemein hier und da etwas (aber noch erträglich) zu dunkel (was vielleicht an den erhaltenen Kopien lag und nicht unbedingt im Sinne des Machers war).

* Was die bis heute gültige FSK 18 angeht: Da würde eine Wiedervorlage vielleicht sogar auf 12 heruntergehen, so richtig brutal ist hier nämlich nichts, und wenn, allzu einfach als Trick erkennbar. Der Film hat definitiv andere Qualitäten als seine Tricks.

Stab:

Regie: Giorgio Ferroni
Drehbuch: Remigio Del Grosso, Ugo Liberatore, Giorgio Stegani, Giorgio Ferroni
Nach einer Kurzgeschichte von Pieter van Weigen
Kamera: Pier Ludovico Pavoni
Musik: Carlo Innocenzi
Schnitt: Antonietta Zita
Ton: Jacques Bonpunt, Umberto Picistrelli
Produktionsdesign: Arrigo Equini
Szenenbild: Carlo Gentili
Make Up: Franco Palombi
Regieassistenz: Giuliano Betti
Produktion: Giampaolo Bigazzi (Italien), Charles Komel (Frankreich)

Spoiler:
Elfie leidet an einer (im Film durch Wolfgang Preiss herrlich pseudowissenschaftlich erklärten) tödlichen Krankheit, jeglicher Stress wird ihr zum Verderben. Mit einer von Dr.Bohlem erfundenen Apparatur (Foto Links) wird ihr Blut mit dem Blut junger Frauen ausgetauscht, so daß Elfie damit (immer) wieder (erneut) zum Leben erweckt werden kann. Professor Wahl „versteinert“ dann die Mädchen, um sie als Figuren in sein Karussell zu integrieren- und um die Leichen verschwinden zu lassen. Wie genau das allerdings vonstatten geht, verschweigt uns der Film, aussehen tut das alles jedenfalls eher nach „Verpappung“.
Als Bohlem herausfindet, daß ausgerechnet Liselottes Blut (hat wohl was mit seltenen Blutgruppen zu tun) in Verbindung mit einem von ihm entwickelten Serum Elfie endgültig heilen kann, entführen die Männer Liselotte in die Mühle und beginnen ihr grausames Werk.
Hans und sein Freund Raab können Liselotte jedoch in letzter Sekunde retten. Wahl, der Bohlem, dessen Hilfe er glaubt nicht mehr zu benötigen, ersticht, muss feststellen, daß er dabei das Glas mit dem Serum darin zerstört hat. In verzweifeltem Wahn setzt Wahl die Mühle in Brand und kommt darin mit seiner Tochter um.
Hans, Raab und Liselotte können dem Inferno entkommen.
Ende.

Bodycount:
- Bei mindestens einigen der versteinerten Figuren des Karussels handelt es sich um von Bohlem und Wahl ermordete Frauen (siehe Spoiler), keine der zugrundeliegenden Taten wird aber gezeigt.
Offen bleibt, woher in den einhundert Jahren zuvor die Figuren kamen (könnten aber „ganz normal“ hergestellte sein, daher kein Logikfehler).

- Elfie's Tod (siehe Inhalt)
- Annelore wird nach der Blutübertragung an Elfie von Wahl ebenfalls „versteinert“ (
Vorher-/Nachher-Fotos Links)
- Dr.Bohlem, Professor Wahl und Elfie sterben (
siehe Spoiler)