(55) Veröffentlicht: 26.Oktober 2019

MILLENNIUM-Die 4.Dimension
Kinotitel auch: Millennium-Entführung in die Zukunft
VÖ auf anderen Medien in D auch als: Die 4.Dimension; Millennium Area
USA, 1989 – 108 min. – FSK 12
Originaltitel: Millennium

Drehzeit: April-Juni 1988 in Kanada und auf Hawaii
Die Kinopremiere in Deutschland erfolgte am 24.August 1989,
und damit tatsächlich einen Tag vor der Premiere im Produktionsland USA.


Anfangs scheint es sich hier "nur" um einen klassischen Luftfahrtkatastrophenfilm zu handeln, der, ohne jegliches Vorgeplänkel (wie es dann wohl nötig gewesen wäre), furios direkt in die vollen geht- schon nach wenigen Szenen gibt es eine in den Innen- und Aussensequenzen spektakuläre und herausragend getrickste Flugzeugkollision und -explosion am Himmel und den dazugehörigen Absturz. (Auch die im Verlauf des Films noch folgenden Spezialeffekte- wobei es derer für einen Film des Genres gar nicht mehr so viele benötigt- sind, vor allem, wenn man das Entstehungsjahr des Films betrachtet, mehr als beeindruckend).
Dann lernen wir die männliche Hauptperson des Films kennen, den Absturzermittler Bill Smith (der auch als Countrysänger berühmte Kris Kristofferson, hier wie immer in seinen eher wenigen Hauptrollen, wie zum Beispiel in „Convoy“, überzeugend und markant), und folgen ihm zu seiner Arbeit am Absturzort (und werden mittels eines verzweifelten, schuldbewussten Lotsen immer noch im Glauben gehalten, im Katastrophengenre zu sein). Die Absturzszenerie ist beklemmend und meisterhaft aufgebaut und so realistisch, daß man den Überlieferungen glauben mag, während der Dreharbeiten nahe des Flughafens von Toronto in Kanada wären Piloten landender Flugzeuge bei diesem Anblick vor Schreck durchgestartet.
Nach kurzer Zeit dann aber entpuppt sich der Film als ein gekonnt und geschickt geschriebenes Science Fiction-/Endzeitopus inklusive nachvollziehbar und logisch inszenierter Zeitreiseelemente. Auch die weiteren Kulissen, insbesondere die in der eher düsteren und schmutzigen zukünftigen Welt (Eintausend Jahre nach 1989), und die Kostüme der Probanden sind imposant und aufwendig gestaltet, hier wurde nicht nur Wert auf jedes Detail gelegt, es wurde auch ein grosser finanzieller Aufwand betrieben. Gerade das ist eher ungewöhnlich für einen Film, der wohl nicht unbedingt als Riesenblockbuster angelegt war.


Der Film weiht uns Zuschauer schon relativ früh in die kompletten und komplexen, doch gut verständlichen Hintergründe der Handlung ein, was ihm aber nichts von seiner Spannung nimmt- im Gegenteil, das Potential der Geschichte ist so gross, daß genau das den Film auszeichnet. Und so kommt Smith auch bald dem Geheimnis auf die Spur, zumal er schon in seiner Vergangenheit damit einen Berührungspunkt hatte, als er als Kind einen Flugzeugabsturz als einziger überlebte. Mit Hilfe des Physikers Dr.Arnold Mayer (Daniel J.Travanti glänzt in der kleinen, aber feinen Rolle des entschlossenen Wissenschaftlers, der dem Rätsel schon lange auf der Spur ist) entdeckt er die Zusammenhänge, und etwas zuvor unvorstellbares wird ihnen bewusst- aus der Zukunft wird Einfluss auf das Schicksal der Passagiere genommen, allerdings erst, nachdem der Absturz unvermeidlich geworden und niemand mehr zu retten war. Die Menschen aus der Zukunft haben jedoch keine bösen Absichten, sondern versuchen nur, ihre eigene Zukunft, den „Bestand“ der menschlichen Rasse, zu retten, indem sie die eigentlich zum Tode bestimmten Passagiere durch Klone ersetzen und kurz vor dem Absturz aus den Flugzeugen und in die Zukunft holen…
(Weitere Handlungsdetails und Spoiler siehe ganz unten)
Kein Handlungsteil bleibt unauserzählt auf der Strecke, es wird zwischen den Strängen (und eben auch zwischen den Zeiten) gewechselt, ohne auch nur ein bisschen zu verwirren, und schliesslich alles miteinander verwoben und zusammengebracht. Das hat man selten so gelungen und unterhaltsam gesehen, und es zeigt sich, daß es wohl immer von Vorteil ist, wenn der Verfasser der Vorlage auch das Drehbuch schreibt.
Selbst die (dann fast unvermeidliche) Liebesgeschichte zwischen Smith und der zunächst geheimnisvollen Louise (Cheryl Ladd, eine von Charly’s Fernsehengeln der siebziger Jahre, die danach etwas in der Versenkung verschwand, hier aber sowohl im strengen Elitekämpferinlook als auch als sexy Dame zeigen darf, wie schade das ist), die ursprünglich aus der Zukunft kommt, um ihn, was tatsächlich im Interesse aller ist, von allzu genauen Ermittlungen abzuhalten, wirkt hier nicht deplaziert oder gar peinlich. Auch dieser Teil ist wichtig für den Fortgang der Handlung, und wird dementsprechend auch fast sachlich und neutral erzählt, mit allen folgenden und unausweichlichen Konsequenzen.
Denn, wie das so ist, wenn Vergangenes und Zukünftiges so unmittelbar aufeinandertreffen und sich eben doch beeinflussen, so kommt es auch hier zu Komplikationen-
auch, weil sich Louise tatsächlich in Smith verliebt (und umgekehrt).

Der Film endet schliesslich nicht ganz unerwartet in einer weiteren, diesmal viel grösseren Katastrophe, einer dystopisch-pessimistischen (was zum Zukunftsbild in diesem Film passt), allerdings nicht ohne Hoffnung für die Menschen. Die deutsche Version unterstreicht das noch, indem sie ein alternatives und weitergehendes Ende präsentiert. Auch das ist jedoch nicht übertrieben oder gar gekünstelt oder kitschig-positiv inszeniert, sondern ein würdiger Abschluss eines besonderen Filmes.
Böser Scherz am Rande:
Da die Luft des Jahres 1989 für Louise aus der Zukunft zu „sauber“ ist, muss sie, um akklimatisiert zu sein, ständig rauchen, damit ihre Lungen „schmutzigerer“ Luft ausgesetzt sind, die sie aus ihrer Zeit gewohnt ist.

Fazit:
Grandioser Science Fiction-Mix, präzise und glaubwürdig auf den Punkt erzählt, ohne Längen und bis in die Nebenrollen famos gespielt.
Eine leider viel zu übersehene und mehr als nur originelle Perle des Genres.



* Die Kurzgeschichte namens „Air Raid“ erschien 1977 und war schnell für eine Verfilmung vorgesehen (mit Paul Newman und Jane Fonda in den Hauptrollen). Diese kam dann jedoch nicht zustande, und John Varley arbeitete seine Story zu einem vollständigen Roman um, den er „Millennium“ betitelte, und der 1983 erschien. Es dauerte also letztlich insgesamt etwa zwölf Jahre von den ersten Plänen bis zur tatsächlichen Verfilmung der Geschichte.


Weitere Handlungsdetails/Spoiler:
Da die Menschen in der Zukunft unfruchtbar geworden sind, sollen die Geretteten aus der Vergangenheit das Aussterben der Menschen verhindern und für eine neue Population in einer besseren, noch ferneren Zukunft sorgen. Jedoch darf bei den Aktionen die Vergangenheit nicht beeinflusst werden, da dies die Zukunft noch mehr gefährden würde und sie vernichten könnte.
Doch diesmal geht etwas schief- Dr.Mayer fand bei einem Absturz im Jahr 1963 ein Artifakt der Zeitreisenden, einen so genannten „Stunner“, und da Smith das gleiche Gerät in 1989 findet, und sich nun auch daran erinnert, „damals“ als einziger Überlebender eben jenes Absturzes Louise schon einmal gesehen zu haben, muss Louise die beiden „aufklären“, um schlimmeres zu verhindern.
Mayer aber hantiert mit dem „Stunner“ und kommt dabei ums Leben- ein Paradoxon, denn er hätte noch einige Jahre weiterleben sollen.
Die Zukunft des Jahres 2089 ist nun nicht mehr zu retten. Louise kehrt in diese, ihre Zukunft zurück, und Smith geht ohne zu zögern mit ihr. In der nun kurz vor der Vernichtung stehenden Zukunft 2089 werden die aus den Flugzeugen geretteten in eine (noch) fernere Zukunft geschickt, um dort zu leben. Smith folgt ihnen nur, weil sich Louise überzeugen lässt, auch in diese (ungewisse) Zukunft mit zu reisen- mit ihrem Zeitsprung explodiert das Zeitreisetor und damit wird auch 2089 zerstört...


...und jetzt alle auf in eine wirklich bessere Zukunft!

Letzte Szenen der amerikanischen Fassung:
Eine Nahaufnahme des Roboters Sherman bei der Explosion wird übergeblendet in den Aufgang der Sonne über den Wolken.
Ende.
Letzte Szenen der ausserhalb der USA veröffentlichten Fassung:
Nach einer gegenüber der amerikanischen Fassung längeren Explosionsszene sehen wir, wie Smith und Louise aus einem Meer auftauchen, und dann nackt in einer Umgebung stehen, die an den Garten Eden erinnert.
Ende.