(50) Veröffentlicht: 27.September 2019

CAPTAIN KRONOS-VAMPIRJÄGER
GB, 1974 – 91 min. – FSK 12
Originaltitel: Captain Kronos-Vampire Hunter
Drehzeit: 10.April-27.Mai 1972
Kinopremiere GB: 7.April 1974; In D erst seit 2004 veröffentlich
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Bei der englischen Produktionsfirma Hammer lief es seit spätestens Anfang der Siebziger Jahre nicht mehr so rund, wie in den Jahrzehnten zuvor. Viele ihrer Filme (obwohl künstlerisch noch immer mehr als gelungene Werke darunter waren) enttäuschten an den Kinokassen und die Firma geriet in eine finanzielle Krise. Einst die revolutionären Erneuerer des Horrorgenres, galt man nun, angesichts der allgemein immer tabuloseren Herangehensweise an das Genre, als altmodisch. Auch eigene Modernisierungen altbekannter Stoffe wie „Dracula jagt Minimädchen“ („Dracula A.D.1972“) halfen da nicht viel, zumal man wohl auch nicht konsequent genug an die Sache heranging. Hammer, allen voran ihr Chef Michael Carreras, wurde überkritisch und zögerlich, zudem konnte man mit dem ungewöhnlichen Genremix aus Horror und Mantel-und-Degen-Film „Captain Kronos“ (mit einem Titelcharakter, der einen ähnlichen „Einfluss“ auf Frauen ausübt wie sonst nur James Bond) spätestens nach seiner Vollendung auch nicht viel anfangen- man übersah die Bedeutung des Films, der seiner Zeit einfach um einiges voraus war (und heute verdientermassen als Kultfilm gelten darf), und behandelte ihn stiefmütterlich. Erst gut zwei Jahre nach den Dreharbeiten kam der Film in die Kinos und wurde, auch mangels vernünftiger Promotion (und vielleicht auch trotz vieler, für Hammer eher ungewohnt, positiver Kritiken), zum quasi vorhersehbaren Misserfolg. Der Film war zugleich der letzte „klassische“ Horrorfilm der Hammer. In Deutschland erfolgte trotz des damals hierzulande sehr populären deutschen Hauptdarstellers völlig überraschend keine Kinoauswertung, der Film erschien bei uns erst 2004 auf DVD.
Auch der nachfolgende Film „Die Braut des Satans“ („To The Devil A Daughter“) im Jahr 1975 konnte trotz Starbesetzung (Richard Widmark, Christopher Lee, Nastassja Kinski) die Insolvenz der Produktionsfirma schliesslich nicht mehr verhindern.


Ursprünglich war „Captain Kronos“ als Einstieg zu einer Reihe von Filmen um den Vampirjäger geplant. Die Idee verwarf man (und dann auch die Alternative einer Fernsehserie) angesichts des mageren Einspielergebnisses. Das muss man als sehr schade ansehen, denn der Film hat enorme Qualitäten und deutet an, was man daraus noch weiter hätte machen können. Regisseur Clemens (1931-2015, Schöpfer von „Mit Schirm, Charme und Melone“ und später auch der „Profis“, dessen einzige Kinoregiearbeit „Captain Kronos“ blieb) hatte bereits grosse Pläne mit seiner Figur. Kronos sollte ein Zeitreisender sein, der quer durch die Menschheitsgeschichte den Blutsaugern den Garaus macht, womit sich unzählige Möglichkeiten für die Handlungen weiterer Filme ergaben. Das Ende dieses Films liess gewollt fraglos auch auf eine Fortsetzung hoffen. So aber bleibt der Film ganz für sich und eigenständig, ein ganz besonderer und origineller Beitrag zum Genre, der, wie sonst wohl nur der ultimative Christopher Lee-Dracula „Nachts, wenn Dracula erwacht“ von Jess Franco, auch den Vampirmythos aufgreift, wonach diese mit dem Blut ihrer Opfer deren Jugend in sich aufsaugen. Ein interessanter Aspekt, der dennoch in den meisten Filmen des Genres unbeachtet blieb.
Nachdem seine gesamte Familie von Vampiren getötet wurde, und er Mutter und Schwester hatte erlösen müssen, hat sich der ehemalige Militärangehörige Captain Kronos geschworen, alle Blutsauger zu bekämpfen und zu vernichten. Mit seinem Begleiter, dem kauzigen Vampirexperten Professor Grost, und der mutigen Carla, die sie aus misslicher Lage befreien (siehe Foto oben) und die sich ihnen daraufhin anschliesst (und mit der Kronos bald mehr verbindet als nur die Arbeit) folgt er dem Hilferuf seines ehemaligen Kameraden, des Landarztes Dr.Marcus. In dessen Dorf altern Frauen unnatürlich schnell und sterben schliesslich- ein Vampir, der die Frauen durch seinen Biss tötet statt sie zu Wesen seiner Art zu machen, ist am schaurigen Werk…
Der Film bietet (nach wenigen gemächlichen, aber schon schockenden Auftaktminuten) anderthalb Stunden kurzweiliges und spannendes vor allem Schlag-auf-Schlag-Aktionskino (immer mal durch ruhigere Sequenzen zum Durchatmen verfeinert), zeigt frische, vom damaligen Zeitgeist unabhängige (trotz seiner Handlungszeit moderne) und bis heute zeitlose Filmunterhaltung mit zurückhaltenden, genau getimten Gruseleinlagen. Er bleibt dabei dank seiner wunderbaren, sich durch den Film bewegenden Selbstironie aller Beteiligten (die eine furios choreographierte, mehrminütige Fechtschlacht zwischen Kronos und Hagen à la 50er Jahre-Kino zulässt), seines comicartigen Stils und seiner auflockernden Dialoge immer jugendfrei.
Auch, wenn es bedrückend wird, wenn
Kronos (auch noch) seinen zum Vampir gewordenen Freund Dr.Marcus erlösen muss (was aufgrund der Besonderheit der Vampire gar nicht so einfach ist...), bleibt der Film seiner Maxime treu, und schafft es, nicht brutal zu sein, aber dennoch niemals seinen Thrill zu verlieren. Und auch, wenn recht früh der Urheber des Bösen (auch für den Zuschauer) in der Familie Durward zu vermuten ist, hält das Werk dennoch eine grosse Überraschung parat.



Das Schauspielerensemble, das den, zumeist für einen Vampirfilm ungewöhnlichen, Charakteren Leben verleiht, ist durchweg erlesen ausgesucht und in bester Form, Regisseur Clemens hat es sichtlich geschafft, die Spiellaune hoch zu halten.
Der deutsche Fernsehstar (unter anderem „Der Bastian“) Horst Janson begeistert als einsamer und eleganter Held, gibt den meist coolen, gut aussehenden und entschlossen-tapferen Vampirjäger ritterlich und überzeugend. Janson war damals bereits erfahren im internationalen Filmgeschäft („Ausbruch der 28“, „Steiner-Das eiserne Kreuz“), und wohl dadurch
Hammer aufgefallen. Da sein deutscher Akzent den Bossen aber zu markant war, wurde er in der Originalversion nachsynchronisiert. In der ja erst dreissig Jahre später entstandenen deutschen Fassung jedoch kehrte er zurück in diese herausragende Rolle seiner Karriere und spricht sich selbst.
Caroline Munro, hier in ihrem neben „Dracula jagt Minimädchen“ einzigem
Hammer-Auftritt, ist, wie gewohnt, nicht nur hübsch anzusehen, sondern spielt ihren Part der selbstbewussten und starken Frau mit viel Präsenz. Da wünscht man sich auch ein paar Szenen mehr mit ihr, und hätte auf ihr zeitweise allzu naiv-verliebtes Verhalten gegenüber Kronos gerne verzichtet.
John Cater als der mehr „denkende“ als kämpfende Teil des Teams übertreibt es hier und da zwar mit seiner verschrobenen Art, ist aber ohne Frage die perfekte Ergänzung zum Vampirjägerduo.
Abgerundet wird durch den erst zweifelnden, dann auf schreckliche Art vom Vampirismus „überzeugten“ John Carson als Dr.Marcus (beeindruckend, wie er, nachdem er erkennt, daß er zum Vampir wurde, Kronos darum bittet, ihn zu töten) und der Durward-Familie, insbesondere Shane Briant und Lois Daine als die geheimnisvollen und auffallend verdächtigen Kinder.

Kameramann Ian Wilson hat bei den (wohl wegen des wie bei
Hammer üblichen kleinen Budgets) recht vielen Aussenaufnahmen tolle Arbeit geleistet und erzeugt mit seinen Bildern das stets richtige Flair für den Film, auch, wenn es in den düsteren und gefährlichen Wald hineingeht. Seine Qualitäten hat der Film jedoch auch in seinen Kulissen (das Innere des Durward’schen Schlosses) und der zwar überschaubaren, aber exquisiten Ausstattung.

Fazit:
Einer der untypischsten, gar unkonventionellsten und zugleich übersehensten
Hammer-Filme…
und dennoch tatsächlich einer, den man auf keinen Fall übersehen sollte. Ein Gruselkinomeisterwerk, auch in der deutschen Synchronisation.
1976/77 erschienen in den „House Of Hammer“-Magazinen (Ausgaben 1-3)
insgesamt drei Comicgeschichten um Kronos und seine Mitstreiter. Diese wurden im September 2017 in Grossbritannien als eigene Serie von „Titan-Comics“ wieder aufgelegt.


Spoiler:
Als Kronos klar ist, daß die Lösung der Vorfälle nur bei der Familie Durward zu finden sein kann, schleust er zunächst Carla in das Schloss. Doch seine Vermutung, daß die beiden Kinder verantwortlich sind, bestätigt sich nicht- sie stehen selber unter dem Bann der Bösen. Ihre eigene Mutter hat den vor sieben Jahren verstorbenen Vater, Lord Hagen, von den Toten erweckt, der junges Leben vernichten musste, um selbst weiterleben zu können. Bevor er nun Carla als neuen „Appetithappen“ annehmen kann, greift Kronos ein. Mit seinem glänzenden Schwert kann er den hypnotischen Blick von Lady Durward abwehren, und Hagen im Zweikampf endgültig töten. Als er auch Lady Durward ersticht (und sie und ihr Gatte- siehe kleines Foto- in Windeseile zerfallen), erwachen deren Kinder aus dem Bann.
Kronos und Grost ziehen nun weiter, neuer „Arbeit“ entgegen, doch Carla bleibt zurück
(wobei nicht ganz klar ist, warum überhaupt- die fortdauernde Verstärkung hätte dem Duo nicht geschadet). 

Bodycount:
- Gezeigt wird die Alterung und der Tod von sechs Mädchen und jungen Frauen, die zu Hagens Opfern wurden, darunter das Geburtstagskind Isabella und ihre Mutter
- Isabellas Bruder wird ebenfalls vom Vampir getötet
- In einem kurzen, eigentlich für die Handlung unnötigen, aber gelungenen „Zwischenakt“ tötet Kronos mit einem einzigen Schwerthieb den Schurken Kerro und seine zwei Begleiter

- Lord und Lady Durward (siehe Spoiler)

Promofoto: Horst Janson als Hahn im Korb, Assoziationen an einen Mittelalter-Bond erwünscht.
Caroline Munro (rechts) sollte nur drei Jahre später in "Der Spion, der mich liebte" neben dem "echten" James Bond spielen.