(32) Veröffentlichung: 26.Juli 2019

DER FLUCH VON SINIESTRO
GB, 1961 – 93 min.
* – bis heute FSK 16
Originaltitel: The Curse Of The Werewolf
* Veröffentlichte Version nach Zensureingriffen in GB; davor 98 min. (siehe Text)

Kinopremieren: GB- 1.Mai 1961; D- 26.September 1961

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Vor allem aufgrund der im Fall dieses Films selbst für das Genre und selbst für das, was Hammer damals inzwischen gewohnt war, besonders heftigen Zensurauflagen im Herstellungsland (fast alle Szenen mit dem Werwolf mussten vor der Kinopremiere geschnitten, mehrere Mordszenen mindestens gedunkelt, meist aber extrem gekürzt oder komplett entfernt werden) drehte Hammer danach keinen weiteren Werwolf-Film mehr. Tatsächlich kam „Der Fluch von Siniestro“ (Hammer hatte ursprünglich erst für einen späteren Zeitpunkt einen ersten Werwolf-Film geplant) auch zu seiner Zeit nur zustande, weil ein geplanter Film über die Zeit der spanischen Inquisition wegen grosser Proteste der Zensurbehörde und der katholischen Kirche gegen das Drehbuch komplett abgesagt wurde. Die bereits erstellten Kulissen verwendete man dann für diesen Werwolf-Film, dessen Geschichte man daher in Spanien ansiedelte.
Was also quasi aus einer Art Not heraus entstand, wurde dann zu einem visuellen Meisterwerk und trotz der Probleme auch zu einem (weltweit) kommerziellen Erfolg. Und das, obwohl der Film sehr sparsam mit Action und auch Blut umgeht (was letztlich allerdings an den Auflagen gelegen haben mag) und weit mehr fokussiert ist auf die Vorgeschichte
des und schliesslich das Drama um den Menschen, der verflucht ist, sich immer wieder in das Mischwesen Werwolf zu verwandeln. Und auch, obwohl schliesslich (noch mehr in der deutschen als der Originalversion) an einigen Stellen die Schnitte und damit der in der zweiten Hälfte des Films zuweilen recht hektische Handlungsverlauf teils geradezu unangenehm auffallen (besonders, wenn Leon und Cristina- für den Zuschauer recht überraschend und ohne vorherige entsprechende Szenen- ein Paar sind, oder auch, wenn im Finale quasi aus dem Nichts ein Mob wütender Bürger auftaucht, der den Werwolf jagt).




Der Mythos vom Werwolf ist im Film weitaus stiefmütterlicher (und wenn, oft in Billigproduktionen) behandelt worden als zum Beispiel Vampire, und so hält sich vor allem die Zahl gelungener und empfehlenswerter Werke eher in Grenzen. Für Hammer's „Fluch von Siniestro“ war ein amerikanischer Universal-Film aus den vierziger Jahren das Vorbild und die Initialzündung für die Engländer, selbst einen solchen Stoff auf die Leinwand zu bringen, wie das schon bei den Frankenstein- und den Dracula-Filmen gewesen war. Wieder gelang es den Engländern, galant-gothisch zu modernisieren und neues zu schaffen, ohne aber zu kopieren, und man schuf einen neuzeitlicheren, eigenständigen Klassiker des Subgenres. Daß man sich die Maske des „Wolfsmenschen“ von 1941 (von Jack Pierce) zum Vorbild nahm, sei verziehen, da Roy Ashton durchaus kleine eigenen Noten mit einbrachte.
Erst Anfang der achtziger Jahre sollten wieder erwähnenswerte, spektakuläre Werwolffilme entstehen („Das Tier“ von Joe Dante, „An American Werwolf In London“ von John Landis), die wie der oben erwähnte Universal-Film in jede Sammlung gehören.
 


Hammer beweist mit diesem Film, daß schon ein Vorspann ein Ereignis an sich und für sich sein kann, ein kleines Meisterwerk in einem grossartigen Film- so einfach wie effektiv und eindrucksvoll. Oliver Reed's Augen, unterlegt durch Wolfsgeheul, kündigen das Unheil an und versetzen den Zuschauer von Beginn an in die richtige Stimmung für solch einen Film.

Spanien im 18.Jahrhundert.
Die Vorgeschichte:
Ein Bettler wird vom Marqués Siniestro misshandelt und dann in den Kerker geworfen. Nach Jahren der Gefangenschaft hat der Bettler jegliche Menschlichkeit abgelegt und ist zu einer Bestie geworden. Gefühl- und gnadenlos vergewaltigt er eine Magd, die man zu ihm gesperrt hat, weil sie sich dem Marqués nicht hingeben wollte (In einem Interview erzählte Richard Wordsworth, der Darsteller des Bettlers, daß zunächst sein Charakter bereits von Beginn an als Werwolf gezeigt werden sollte, die Zensurbehörden dies jedoch verboten, weil man die Vergewaltigungsszene- letztlich in der Endversion nur angedeutet beziehungsweise bis zur Unverständlichkeit zurechtgeschnitten- nicht mit einem „Tier“ als Täter in Verbindung gesehen haben wollte. So entsteht im Film der Eindruck, der Bettler sei nur wegen der Gefangenschaft zur „Bestie“ geworden und dazu verdammt, das Werwolf-Gen weiterzugeben, und der Film folgt nicht der „klassischen“ Erklärungsweise).
Die Magd kann danach in die umliegenden Wälder flüchten, wo sie später feststellen muss, daß sie ein Kind erwartet. Der Arzt Don Alfredo Corledo findet sie und nimmt sie grossherzig bei sich auf, ohne mehr von ihr zu erfahren. In Corledos Haus kommt schliesslich auch der Junge der Magd zur Welt. Die Mutter stirbt bei der Geburt, und Don Alfredo lässt den Jungen auf den Namen Leon taufen und nimmt ihn als Familienmitglied der Corledos an.




Auch, wenn diese Art von Prolog und die sich ihm anschliessende Schilderung der Kinderjahre des Leon (in denen der „Fluch“ bereits bei der Taufe des Jungen erkennbar ist und auch danach eine Rolle spielt, jedoch von den Beteiligten trotz diverser Vorkomnisse quasi ignoriert wird), besonders im Vergleich mit den meisten anderen Genreproduktionen, mit etwa 30 Minuten relativ lang ausfällt und sehr detailliert erzählt wird, so kommt doch keine Langeweile auf, und niemals entsteht der Eindruck, man habe die Story an sich strecken wollen. Der Film gewinnt, inszenatorisch gelungen, an Tiefe und man empfindet es eher als schade, daß es danach ein bisschen „geraffter“ abläuft. Es führt aber auch dazu, daß Hauptdarsteller Oliver Reed (mit Ausnahme des Vorspanns) erst fast exakt zur Hälfte des Films das erste Mal zu sehen ist (in Werwolfmaske sogar erst nach über einer Stunde)- umso beachtenswerter, daß er sich, hier in seiner ersten Hauptrolle, noch in den Vordergrund spielen kann und dem Zuschauer im Nachhinein stark in Erinnerung bleibt- tatsächlich sogar eher als leidendes Wesen und als von seinem Fluch gequälter Charakter, als nur als fürchterliches Ungeheuer.

Jahre später…
Leon ist zu einem stattlichen jungen Mann herangewachsen. Seit seiner Kindheit hat er sich nicht mehr in einen Werwolf verwandelt, und hat jede Erinnerung daran verloren. Jetzt erst kommt der Fluch wieder zum Vorschein (offen bleibt, warum so lange „Ruhe“ war) und Leon wird jedes Mal bei Vollmond zur blutrünstigen und mörderischen Bestie. Als er die Wahrheit erkennt, will er sie zunächst nicht wahrhaben und mit seiner grossen Liebe Cristina (die einem anderen versprochen ist) durchbrennen... 


Unter der sich dem Thema sehr gefühlvoll nähernden und professionell-tadellosen Regie von Terence Fisher nimmt hier ein (letztlich menschliches) Drama seinen Lauf, das, obwohl durchaus eine Möglichkeit für ein gutes Ende bestünde (Cristina liebt Leon aufrichtig, und es wird im Film kurz erwähnt, daß genau dies den Fluch von ihm nehmen könnte), auf eine Tragödie hinausläuft. Es wird ein trauriges Ende gewählt- wieder einmal versagte sich Hammer dem zumindest damals so oft angewendeten Prinzip, daß insbesondere Horrofilme mit einem wenigstens versöhnlichen Schluss etwas von ihrem Schrecken verlieren sollten (was allerdings, angesichts der „Moral“ der Geschichte, daß nur der Tod des Protagonisten eine Lösung sei, besonders die Kirchen nur noch mehr auf die Palme brachte).

Die Hammer-„Handwerker“ haben durchweg fantastische Arbeit abgeliefert (und der Freund des Hauses erkennt auch einzelne Kulissen und Dekore aus vorhergegangenen Filmen, die erneut verwendet wurden), die Farben sind berauschend, Kostüme und Ausstattung wie aus einem wunderbar anzusehenden Märchen, und die Fotografie von Arthur Grant wundervoll. Die Masken überzeugen auf ganzer Linie, und das gilt nicht nur für die des Werwolfs (die, zugegeben, durchaus noch hätte etwas gruseliger ausfallen dürfen). Das vergangene Spanien wird in den Kulissen lebendig, die nur ab und an etwas beengt wirken und hier ein wenig zu viel Studioatmosphäre versprühen.

Neben Oliver Reed (Jahrgang 1938, der schon hier, wie in vielen Filmen danach, älter aussah, als er es damals war) sind Clifford Evans als sein gütiger und liebevoller Ziehvater; Anthony Dawson sowohl als noch gut aussehender, als später auch als greiser und entstellter, aber immer brutaler und menschenverachtender Marqués Siniestro; Yvonne Romain als Leons Mutter (auch ohne Worte); und Richard Wordsworth als Bettler, sozusagen der (unfreiwillige) Auslöser von allem, schauspielerische Höchstleistungen gelungen.Die eigentlich begabte Hira Talfrey als Leons Ziehmutter nervt hier ein wenig mit ihrer übertrieben gespielten Besorgnis um den Jungen, und Catherine Feller als Cristina kann leider so gar nicht überzeugen und ward nach diesem Film auch nur noch selten auf einer Leinwand gesehen.

Fazit:
Grossartig-gruseliger und zeitlos-gelungener Klassiker par excellence (mit immer noch gültiger, aber aus heutiger Sicht übertriebener FSK 16), der dankenswerter- und mutigerweise auf ein Happy End verzichtet hat. Die letzte (und längste) Verwandlungsszene von Leon in den Werwolf ist trotz ihrer Schnitte als grossartig und nicht nur für die damalige Zeit wegweisend erkennbar.
Ein Trauerspiel, daß bis heute die „echte“ 98minütige Originalversion als verschollen gilt.

Darsteller:
Oliver Reed (Leon) – Deutsch: Rainer Brandt
Clifford Evans (Don Alfredo Corledo) – Deutsch:Siegfried Schürenberg
Yvonne Romain (Leons Mutter) – keine Sprechrolle
Catherine Feller (Cristina Fernando) – Deutsch: Sabine Eggerth
Hira Talfrey (Teresa, Don Alfredos Haushälterin) – Deutsch: Ursula Krieg
Anthony Dawson (Marqués Siniestro) – Deutsch: Dietrich Frauboes
Richard Wordsworth (Der Bettler) – Deutsch:: Eduard Wandrey
John Gabriel (Priester) – Deutsch: Friedrich Joloff
Josephine Llewellyn (Marquise Siniestro) – Deutsch: ?
Justin Walters (Junger Leon) – Deutsch: ?
Warren Mitchell (Pepe Valiente) – Deutsch: Paul Esser
u.A.
Erzähler in der deutschen Version: Curt Ackermann
(Erzähler iIm Original: Clifford Evans, in seiner Rolle als Don Alfredo)

In einer kleinen Nebenrolle als Diener (beim Hochzeitsbankett des Marqués) ist Desmond Llewelyn (später “Q” in den James Bond-Filmen) zu sehen, der aber auch im Abspann nicht genannt wird.
 


Regie: Terence Fisher
Drehbuch: Anthony Hinds (unter dem Namen John Elder)
Basierend auf dem Roman “The Werewolf Of Paris” von Guy Endore
Kamera: Arthur Grant
Musik: Benjamin Frankel
Schnitt: James Needs, Alfred Cox
Prpduktionsdesign: Bernard Robinson
Art Direction: Don Mingaye
Make Up: Roy Ashton
Spezialeffekte: Les Bowie
Regieassistenz: John Peverall
Executive Producer: Michael Carreras – Associate Producer: Anthony Nelson Keys
Produktion: Anthony Hinds


Make-Up-Fehler:
Oliver Reed's Augen als Werwolf sind im Vorspann braun (durch farbige Kontaktlinsen); bei seiner ersten Verwandlung in das Tier im Film sind sie zunächst hellblau (seine natürliche Augenfarbe), dann wieder braun, und zum Schluss der Verwandlung wieder hellblau- in allen weiteren Werwolfszenen ist Reed dann immer mit seiner natürlichen hellblauen Augenfarbe zu sehen.



Spoiler:
Als Leon erkennen muss, was er wirklich ist, und was er anrichtet, wenn er zur Bestie wird, will er gestehen und hingerichtet werden. Darum bittet er auch seinen Ziehvater Alfredo Corledo, ihn auszuliefern. Doch die Polizei ist schneller und nimmt Leon fest. Beim nächsten Vollmond kann Leon aus dem Gefängnis ausbrechen, und verwandelt sich wieder in den Werwolf, der von einem (siehe Text: recht plötzlich auftauchenden) wütenden Mob gejagt wird, und sich in einen Glockenturm flüchtet. Dort wird er von seinem Ziehvater mit einer Silberkugel erschossen (“erlöst”), und von ihm mit dessen Umhang bedeckt...
Ende.

Bodycount:
- Der Marqués Siniestro wird von Leon's Mutter erstochen
- Leon's Mutter stirbt bei seiner Geburt
- Leon tötet eine Prostituierte, seinen Kollegen, einen Passanten, einen Gefängnisinsassen und einen Gefängniswärter
- Don Alfredo erschiesst Leon (
siehe Spoiler)