(24) Veröffentlichung: 21.Mai 2019

Kinotitel D: TOP JOB
Fernsehtitel D: Top Job-Diamantenraub in Rio

Italien/Spanien/D, 1967
Originallänge: 119 min.- Deutsche Kinoversion: 112 min./FSK 12
Heutige VÖ in D: 115 min. (Englischsprachige Szenen ohne Untertitel eingefügt)/FSK 12
Italienischer Titel: Ad Ogni Costo (Auf deutsch: Um jeden Preis)
Spanischer Titel: Diamantes a gogo

Drehzeit: Innerhalb der ersten Jahreshälfte 1966
in Spanien, Frankreich, Italien, Brasilien und den USA
Kinopremieren: Italien- 28.September 1967; D- 6.Januar 1968; Spanien- 21.April 1969

In englischsprachigen Ländern wird der Film bis heute unter dem Titel „Grand Slam“ (benannt nach dem im Film vorkommenden, neuartigen Alarmsystem in der Bank) vertrieben. Er wird leider immer wieder mit dem neuzeitigeren, aber stinklangweiligen „Ocean’s Eleven“ in Verbindung gebracht, mit dem er so gar nichts zu tun hat.

> Aushangfotos und Plakate

Nach 30 Jahren als Englischlehrer in Rio de Janeiro wird Professor James Anders pensioniert. Er konnte alljährlich immer wieder beobachten (und ausspionieren), wie im Gebäude gegenüber, stets verlässlich pünktlich zu den Karnevalstagen und immer wieder nach dem gleichen Zeremoniell, grosse Mengen Diamanten angeliefert, verwahrt und schliesslich verkauft wurden. Mit seinem Wissen und der Hilfe seines Jugendfreundes Mark Milford (inzwischen Mafiachef in New York) will er nun die Diamanten rauben. Milford stellt ihm das nötige Team für den Coup zusammen.
Der gewalttätige deutsche ex-Militär Weiss, der zurückhaltende Elektronikfachmann Rossi, der britische Safeknacker Gregg und der Playboy Audry (dem die ganz besondere Aufgabe zufällt, sich an die Bankangestellte Mary Ann heranzumachen, um von ihr den Schlüssel zum Tresorraum „auszuleihen“) treffen in Rio aufeinander und gehen ans Werk. Der Schwierigkeiten gibt es viele, auch untereinander, schliesslich auch noch eine zu überwindende neue Alarmvorrichtung, und an Mary Ann scheint sich selbst Audry die Zähne auszubeissen. Doch schliesslich kommt der Tag der Tat, und alles geht wie geplant seinen Lauf… wie geplant?!
(Fortsetzung siehe ganz unten)



Top Job“ hat im Jahre 1967 zwar nicht das Genre des "Heist"-Movies (nach dem englischen Wort für Raub/Raubüberfall) aus der Taufe gehoben, doch einer der grossen Meilensteine des Genres ist er zweifellos, und steht zugleich in seiner Konsequenz als etwas besonderes für sich, und als Vorbild für Filme bis heute. Der Film verzichtet auf jegliches „Drumherum“, keine Sekunde ist Füllmaterial, die Handlung straight. Die Kumpelattitüden im quasi-Genrestarter „Rififi“ (von Jules Dassin, 1955, dennoch absolut und unbedingt empfehlenswert) weicht egomanen und einzelgängerischen Tätern, die sich nur unter Mühen zusammenraufen, weil sie alle ans grosse Geld wollen, und die sich doch untereinander mindestens nicht grün sind, wenn sie sich ncht gar gegenseitig verabscheuen; und auf lustige (wie in „Topkapi“, 1964 ebenfalls von Jules Dassin inszeniert) Auflockerungssequenzen wird in „Top Job“ ebenfalls kein Wert gelegt. Regisseur Giuliano Montaldo und seine Schreiberkollegen haben den „Heist” gelungen auf das wesentlichste des Subgenres reduziert (die Täter und ihre akribischen Vorbereitungen und die minutiös gezeigte Ausführung der Tat), und damit Gangsterfilm auf den Punkt gebracht  Dabei bringt der Film den Zuschauer dazu, auf Seiten der Verbrecher zu sein, und zu hoffen, daß ihnen ihr Coup gelingt.
Vor der schon von Natur aus wunderschönen und in diesem Film dazu tatsächlich noch besonders prächtig und farbenfroh in Szene gesetzten Kulisse Rio de Janeiros, und das auch noch während der Karnevalstage, geht das ungleiche Ganoventeam geschickt und raffiniert zur Sache, der Zuschauer wird zum Zeugen (und zum Mitwisser) des durch und durch realistischen Geschehens.


Der Film begeistert mit (s)einer wohl durchdachten Geschichte, die genug Potential hat für ihre Länge, und dem dazu toll geschriebenen Drehbuch. Eine fehlerfreie (auch in Bezug auf tatsächlich nicht vorhandene Logikpatzer) Inszenierung bringt alles auf den Punkt, in den ruhigeren wie in den hektischeren Momenten- nichts ist hier überfrachtet, man ist stets "drin" in diesem Film, und fiebert bis zur letzten Sekunde mit. Beinahe unerträglich wird die Spannung in der zweiten Hälfte, wenn es an die (in Echtzeit und in mit ruhiger Kamera geschilderte) Durchführung des Plans geht, und einiges erst in letzter Sekunde funktioniert. Die minutenlange Stille im Film (ohne Dialoge, ohne Musik) und die Anspannung der Protagonisten überträgt sich auf den Zuschauer, der immer mal wieder kurz den Atem anhält, auf die Spitze getrieben in einer Szenenfolge, in der man scheints endlose Sekunden lang befürchten muss, daß ein Gerät der Einbrecher polternd zu Boden fällt (was sofort den Alarm auslösen würde), und das letztlich nur durch eine zufällige Bewegung verhindert wird. Ein origineller Einfall nach dem anderen und manch unerwarteter Dreh in der Geschichte folgen dem nächsten.und ein grossartiges Grande Finale schliesst den Film ab, das ja nicht unbedingt des Zuschauers Hoffnung auf das Glück der Verbrecher erfüllen muss. Vergessen wir schliesslich nicht, daß keiner dem anderen seinen Anteil gönnen will, so mancher sein eigenes Spiel versuchen möchte. Sowas kann dann schnell zu einem unangenehmen Erwachen führen.

Die Besetzung ist hochkarätig und in feinster Spiellaune (so mancher äusserte sich noch Jahre später begeistert von den Dreharbeiten) und der dafür Verantwortliche hätte einen Ehrenpreis für die "Zusammenstellung" verdient- jeder Topf passt auf den entsprechenden Deckel, jeder ist die Idealbesetzung für seine/ihre Rolle:
Der grosse Edward G.Robinson (im zweiten von drei europäischen Filmen seiner Karriere, die er kurz hintereinander abdrehte*), als der Ausdenker und Einfädler des Plans, dem man anfangs des Films nie solche kriminellen Ideen zugetraut hätte- der sympathische und beliebte ältere Herr (von Nonnen und einem Kinderchor aus seiner Tätigkeit verabschiedet, was seltsamerweise in der deutschen Version herausgeschnitten wurde und dort damit ein bisschen den Charakter verfälscht), der alles bis ins kleinste Detail über die Jahre beobachtet hat. Einzig schade, daß er nur zu Beginn und zum Ende auftaucht, aber das gebietet nunmal die Handlung;
Janet "Psycho" Leigh (in ihrem einzigen Europaabstecher) als zumindest lange Zeit kühle und abweisende (offenbar fast mühsam auf „nicht so dolle aussehend“ geschminkte) "alte Jungfer" in Höchstform, die den Playboy lange zappeln lässt und ihn an den Rand des Glaubens an sich selbst bringt- nur, um aich dann wie aus dem Nichts zur verführerischen Schönheit zu verwandeln;
Robert Hoffmann, der hier so vergnüglich wie nie in seiner Frauenheldfilmkarriere als Playboy mit seinem Playboy-Image spielt, daß es eine Freude ist, und ahnen lässt, was er in seiner Karriere alles hätte leisten können, hätte man ihn nur gelassen;
Klaus Kinski, wie immer überzeugend als (sich meist unter Anstrengungen beherrschender) gewalttätiger und zu allem entschlossener, schweigsamer Unsympath, dem man eigentlich nie vertrauen sollte und der doch im Film die ganze Truppe genau mit dieser Art zusammenhält und zur Höchstform antreibt;
Riccardo Cucciolla als der sensible Mann für alles, dem man hier sogar eine Miniliebesgeschichte ins Drehbuch geschrieben hat, die vor allem dank ihrer Kürze nicht stört;
und George Rigaud als Gentlemansafeknacker, einer von der alten Schule, aber ein Meister seines Fachs.

Dieser Film ist tatsächlich einer meiner allerliebsten Lieblingsfilme überhaupt, nicht nur in seinem Genre, und auch, wenn man weiss, wie er ausgeht, ist er dennoch mehrfaches Ansehen wert. Daß ein Film das schafft, das ist wahrlich grosse Kunst.


Fazit:
Ein auch heute noch modernes, unvergleichliches Räuberspektakel, unterhaltsam, exotisch, ab und an sogar sexy und nonstop spannend und twistend. Die Musik ist vielleicht etwas übertrieben poppig, gar manchmal schmalzig, doch die Farbenfreude der Bilder und der Detailreichtum von Set und der Requisiten sind umwerfend- wenn Film, dann genau so.

Die sorgsame deutsche Synchronisation ist mehr als gelungen und ebenfalls "top" mit grossen Namen besetzt; die Originalversion (aufgrund der internationalen Besetzung -der Dreh erfolgte in den verschiedenen Muttersprachen der Darsteller- ist hier die durchgehend englisch synchronisierte zu empfehlen) lohnt sich jedoch wegen der auch heute immer noch vier in der deutschen Fassung fehlenden Minuten.
 


Darsteller:
Edward G. Robinson (als Professor James Anders) -Deutsch: Werner Lieven
Janet Leigh (als Mary Ann Davis) -Deutsch: Eleonore Noelle
Robert Hoffmann (
Vorspann: Hoffman; als Jean-Paul Audry) -Deutsch: er selbst
Klaus Kinski (als Erich Weiss) -Deutsch: Klaus Kindler
Adolfo Celi (als Mark Milford) -Deutsch: Herbert Weicker
Riccardo Cucciolla (als Agostino Rossi) -Deutsch: ?
George Rigaud (als Gregg) -Deutsch: Harald Leipnitz
u.A.




Regie: Giuliano Montaldo
Drehbuch: Mino Roli
Story: Mino Roli, Augusto Caminito, Paolo Bianchini
Mitarbeit am Drehbuch: Augusto Caminito, Marcello Fondato, José A.De La Loma, Marcello Coscia
Musik: Ennio Morricone
Kamera: Antonio Macasoli, Carlo Fiore, Ricardo Gonsales
Schnitt: Nino Baragli
Art Direction: Alberto Boccianti, Juan Alberto Sola, Roberto Veloccia
Kostüme: Giorgio Desideri
Make Up: Adrián Jaramillo, Mario Van Riel
Spezialeffekte: Armando Grilli
Regieassistenz: Maria José Bassi, Federico Canudas, Carlos Luiz Conto, Mauro Sacripanti
Herstellungsleitung: Massimo Dallamano
Produktion: Arrigo (
hier: Harry) Colombo, Giorgio (hier: George) Papi

* Beide in Ganovenrollen, im Jahr hiervor noch "Die Abenteuer des Kardinal Braun", und jetzt Achtung: von (dem) Lucio Fulci und mit (dem) Heinz Rühmann;
und 1968 "
Weisse Westen für Ganoven", auch wie in "Top Job" mit Adolfo Celi und George Rigaud.



Spoiler (inklusive Bodycount):
Nach der trotz aller Widrigkeiten schliesslich in letzter Sekunde erfolgreichen Durchführung des Coups geht schief, was nur schief gehen kann. Auf der Flucht wird Gregg von der Polizei erschossen und Weiss erwürgt Audry. Rossi wird auf der Flucht ebenfalls von der Polizei erschossen. Doch der vermeintlich nun alleinig reiche Weiss wird vom plötzlich auftauchenden Milford erschossen, der die Diamanten für sich allein haben will. Die Überraschung ist jedoch groß, als Milford den Koffer öffnet und dieser leer ist…
Epilog:
In Rom gibt es ein Wiedersehen zwischen Professor Anders und Mary Ann. Sie (von Anfang an Anders’ Komplizin, der alles, wirklich alles, vollkommen richtig vorhergesehen hatte) konnte die Koffer mit den Diamanten schon in ihrem Büro vertauschen und so an sich bringen...


Doch dann gelingt es zwei Dieben auf einem Motorrad, den Koffer nun ihrerseits zu stehlen- die Diebe rasen auf und davon... wie geschrieben- die Moral von der Geschichte: Wie gewonnen, so… Ende.

Der abschliessende „Clou“ des Diamantendiebstahls in Rom war weder in der deutschen Kinoversion noch ist er in der deutschen TV-Version enthalten.