Auch: Basket Case-Der unheimliche Zwilling
USA, 1982 – Originallänge: 91 min./Kino D: 89 min. – FSK 18*
* Gilt seit November 2020 auch für die ungekürzte Originalfassung
Originaltitel: Basket Case (Hoffnungsloser Fall; aber auch Synonym für jemanden, der [im Krieg] beide Beine verloren hat)
Drehzeit: Anfang 1982
Kinopremieren: USA- 2.April 1982; D- 24.Juni 1983
Darsteller:
Kevin
Van Hentenryck als Duane Bradley – Deutsch: Hans-Georg
Panczak
Terri Susan Smith als Sharon, Beverly Bonner als Casey
(Hotelbewohnerin),
Robert Vogel als Hotel Manager, Diana Browne
als Dr.Judith Kutter,
Lloyd Pace als Dr.Harold Needleman, Bill
Freeman als Dr.Julius Lifflander,
Joe Clarke als O'Donovan
(Hotelbewohner), Sean Mc Cabe als Junger Duane,
Ruth Neuman als
Duane's/Belial's Tante, Richard Pierce als Duane's/Belial's
Vater,
Kerry Ruff als Polizeidetective u.A.
Die
(in der deutschen Fassung nicht synchronisierten) Töne und Schreie
des Belial stammen von Kevin Van Hentenryck
Der an mehreren aufeinanderfolgenden Wochenenden für nur etwa 35.000 Dollar Budget gedrehte Film (der fraglos inspiriert sein dürfte von Larry Cohen's „Die Wiege des Bösen“/„It's Alive“ aus dem Jahr 1974) floppte zunächst selbst in den amerikanischen Undergroundkinos (es hatte ihm auch nicht geholfen, daß zwischenzeitlich eine Version herausgebracht worden war, bei der alle heftigen Horrorszenen entfernt worden waren und er damit tatsächlich als eine Art von Komödie vermarktet werden sollte). Er wurde erst durch die über zwei Jahre später erfolgte Veröffentlichung des Videos, und vor allem nach und nach und durch Mundpropaganda, bekannt und schliesslich zu einem der (letztlich dank der Zweitverwertung auch kommerziell erfolgreichen und andere Filmschaffende inspirierenden) Kultfilme seiner Genregeneration und für viele sogar des gesamten modernen und internationalen Horrorkinos (Joe Bob Briggs, Autor und anerkannter Genrefilmkritiker, nannte ihn „Ein Meisterwerk des Exploitationkinos“).
Da zunächst der Videomarkt nicht mit Kopien überschwemmt worden war, wurde der Film anfangs zudem zu einem der begehrtesten Sammlerstücke seines Genres.
Interessanterweise (und zum Glück!) hat man bis heute noch nicht(s) davon gehört, daß ernsthaft ein Remake geplant sein könnte. Wohl auch, weil, wenn ein Film die Prädikate „bizarr“ und „makaber“ verdient, dann zweifellos dieser, und wohl kaum jemand dürfte in der Lage sein, den Charme des Originals auch nur annähernd zu erreichen, neue Tricktechniken hin oder her. Denn gerade auch sein (teilweiser) Unperfektionismus (so scheinen die Stop-Motion-Szenen mit Belial geradewegs aus einem 50er Jahre-Film entsprungen zu sein- wohingegen jedoch seine Einsätze in Form einer Handpuppe und vor allem die expliziten Szenen einen mehr als ordentlichen Standard abliefern) macht den Film zum liebenswerten Unikum.
Erst nach gut einer halben Stunde erleben wir Belial erstmals in seiner ganzen „Pracht“, zuvor waren uns nur seine Hände und Schatten gegönnt (und die entsetzten Gesichter derjenigen, die ihn zu sehen bekamen), und es dauert sogar bis etwa zur Filmhälfte, bis wir als Zuschauer in einer ausführlichen Rückblende erfahren, wie genau die Vorgeschichte der beiden denn aussah.
Es fällt dem geneigten Zuschauer (der sich auf den Film mit übrigens auffällig wenig Musikuntermalung einlassen können muss), einfach, von Anfang an Sympathien für die (Wortwitz) „untrennbar“ miteinander verbundenen Brüder, besonders den Verunstalteten, zu hegen, trotz, oder tatsächlich sogar wegen ihres grausamen Handelns. Von den Eltern letztlich ihrem Schicksal überlassen und von der Gesellschaft ausgegrenzt und wie Aussätzige behandelt, bleibt den beiden scheinbar nur der eine, vorbestimmte, Weg. Während der Film deutlich kritisiert, wie oft unmenschlich und unehrlich die Gesellschaft mit Behinderten umgeht, schafft er gleichzeitig den Spagat, hier einen Behinderten als „Bösen“ darzustellen, ohne ihn ausschliesslich wie einen „Freak“ oder gar als Monster vorzuführen. Er ist eben auch nur ein Mensch… und wir verstehen, warum er tut, was er tut. Das muss den Zuschauer nicht erschrecken, denn das ist vom Regisseur gut eingefädelt und geschickt inszeniert, wobei er auch locker auf den erhobenen Zeigefinger verzichtet. Das konnte Frank Henenlotter 1988 in seinem Film “Elmer“ noch weiter auf die Spitze treiben, wenn der Zuschauer mit der Titelfigur, einer Art Wurm, der menschliche Gehirne frisst, mitfiebert.
Dazu kommt hier dann noch ein wirklich köstlicher, geschmackloser und bösartiger (auch, weil gerne politisch unkorrekter) schwarzer Humor, der einem durchaus das ein oder andere spöttische Grinsen entlockt. Die Schadenfreude lebe hoch, und das darf hier auch gerne deutlich überzeichnet sein.
Die eher unbekannten Schauspieler agieren zwar ab und an etwas hölzern (zum Beispiel Van Hentenryck und Bonner als Betrunkene), dafür jedoch überzeugen ihre Charakterzeichnungen und dazu, mit wie viel offensichtlichem Spass sie bei der Sache waren. Einzig die lang geratene Sequenz mit Bonner in ihrem Hotelzimmer wirkt fehl am Platz, eigentlich war ihre Rolle weit kleiner geplant gewesen, doch soll Regisseur Henenlotter von ihrer Performance so angetan gewesen sein, daß er ihr die zusätzlichen Szenen kurzfristig ins Drehbuch schrieb (und sie fortan in jedem seiner Filme einsetzte).
Fazit:
Eine bis zu ihrer kuriosen Konsequenz abgefahrene Geschichte, die dennoch in sich völlig stimmig und auf besondere Weise unterhaltsam ist. Ein Film für Liebhaber des wahren Undergroundhorrors. Ich liebe diesen Film- mag aber sein, daß sich manche „normalen“ Zuschauer mit Schaudern abwenden (nicht, weil’s ihnen handlungsbezogen gruselt, wohlgemerkt).
Der auf Fernsehformat 16mm gedrehte Film hat auf heutigen VÖ eine sehr gut erhaltene Bildqualität (vor allem die „remasterten“ VÖ aus den letzten Jahren) und muss sich diesbezüglich nicht hinter teureren Produktionen aus der Zeit verstecken. *Aufgrund der erst 2020 erfolgten Freigabe der ungekürzten Originalfassung fehlt die Originalfassung jedoch bisher auf den meisten VÖ (auch den Trilogieboxen) noch.
Stab:
Regie, Drehbuch und Schnitt: Frank Henenlotter
Kamera: Bruce Torbet (Assistenz: Bruce Frankel, Jonathan Sinaiko)
Musik: Gus Russo
Musik in der Bar: David Maswick
Schnitt (Assistenz): Linda Schubell
Ton: Peter Thomas (Assistenz: Levent Bolukbasi, Jimmy MUro)
Produktionsdesign: Frederick Loren
Bauten: Charles Bennett
Make Up: Ken Clark
Make Up-Effekte: Ugis Nigals
Spezielle Make Up-Effekte: Arnold H.Bruck, Tom Kaye
Regieassistenz: Jerome Horwitz
Produktionsleitung: Mort Tashman
Executive Producers: Arnold H.Bruck, Tom Kaye
Produktion: Edgar Ievins, Frank Henenlotter
Tatsächlich bestand die Crew des Films aus nur sehr wenigen Leuten.
Da man die Namen im Abspann nicht immer und immer wieder wiederholen wollte, kam man auf die Idee, manche Namen von Mitarbeitern unter Pseudonymen (erneut) anzugeben- um welche Personen es sich dabei handelt, ist jedoch weitestgehend unbekannt.
Fortsetzungen:
Wegen des erst späten, auch kommerziellen Erfolges des ersten Teils vergingen einige Jahre bis zwei (gelungene und insgesamt sehenswerte) Fortsetzungen realisiert wurden.
Frank Henenlotter schrieb und inszenierte wiederum; Kevin Van Hentenryck spielte in beiden Filmen erneut die Hauptrolle des Duane; Beverly Bonner spielte ebenfalls in beiden Fortsetzungen mit, allerdings nur in Teil 2 erneut als Casey;
1990 "Basket Case 2-Die Rückkehr" ("Basket Case 2-Look Who's Back")
1991 "Basket Case 3-Die Brut" ("Basket Case 3-The Progeny")
Spoiler:
Duane träumt nach einem Streit mit Belial davon, wie er sich Sharon nackt nähert und sie im Schlaf berührt- als er aufwacht, muss er jedoch (aufgrund der telepathischen Verbindung der Brüder) feststellen, daß Belial genau dieses in der Realität gerade tut. Er eilt zu ihr, doch als er eintrifft, hat sein Bruder die Frau bereits getötet. Nach der Rückkehr in ihr Hotel kommt es zum Kampf zwischen den beiden Brüdern. Sie stürzen dabei aus dem Fenster, und Belial hält, während er Duane im Griff hat und scheinbar erwürgt, mit der anderen Hand beide an der Aussenwerbung des Hotels fest.
Gemeinsam stürzen Belial und Duane aber schliesslich in die Tiefe und prallen auf das Strassenpflaster. Eine anwachsende Zahl von Gaffern umringt die beiden leblos am Boden liegenden.
Ende.
Bodycount:
- Dr.Lifflander wird in seinem Haus von Belial (von dem man hier nur die Hände sieht) das Geicht zerfetzt.
- Dr.Needleman wird in seiner Praxis von Belial verstümmelt.
- Ein Dieb, der in einem Kino den Weidenkorb vom schlafenden Duane stiehlt, wird von Belial angefallen. In der deutschen Fassung wird nicht deutlich, ob der Dieb stirbt, in der originalen laut Pressematerial jedoch schon.
- Belial tötet den Hotelbewohner O'Donovan, nachdem dieser aus dem Hotelzimmer der beiden Brüder Geld gestohlen hat.
- (In der Rückblende) Der Vater der Brüder wird von Belial mit einer Kreissäge in zwei Teile zerteilt.
- (In der Rückblende) Die Tante der Brüder stirbt eines natürlichen Todes
- Dr.Kutter wird in ihrer Praxis von Belial mit ihren eigenen Skalpellen im Gesicht verstümmelt und getötet.
- Belial erwürgt Sharon.
- Duane und Bradley (siehe Spoiler)- daß beide überlebt haben, stellt sich erst in der Fortsetzung heraus.